Stresstest:Blaue Briefe

Stress nach dem Stresstest: Banken, Aufseher und Politiker müssen die Prüfung als letzte Warnung, sozusagen als blauen Brief begreifen.

Martin Hesse

So war es schon in der Schule. Schrieben zu viele Schüler in einer Prüfung Einsen und Zweien, schrien andere Lehrer, Eltern und die Klassenbesten: zu leicht! Ähnlich ist es nun beim Stresstest für Banken. Der Klassenprimus Deutsche Bank hält die Modellrechnung, die zeigen soll, wie gut Banken einen Abschwung und einen Wertverlust bei Staatsanleihen verkraften, für nicht repräsentativ. Klaus Zimmermann vom Forschungsinstitut DIW hält den Test sogar für gefährlich und Millionen Besserwisser urteilen: Durchgefallen sind bei diesem Test allein die Prüfer.

Bankenverband warnt: Die Krise ist noch nicht zu Ende

Banken im Stresstest - aber werden auch die richtigen Lehren gezogen?

(Foto: ddp)

Die Prüfung hatte gravierende Schwächen. Den Prüflingen wurde wenig zugemutet, was ihre Versetzung gefährdet hätte. So sind die Abschläge, die Banken als Gläubiger hochverschuldeter Staaten möglicherweise in Kauf nehmen müssen, zu moderat kalkuliert. Auch Verluste aus überbewerteten Immobilien könnten stärker ins Kontor schlagen als eingeplant. Schließlich ist die ganze Komplexität möglicher negativer Wechselwirkungen in einem langen Abschwung in den Stress-Szenarien nicht erfasst.

Ordentliche Polster vorhanden

Dennoch überwiegt das Positive. Der Test sollte Vertrauen schaffen in das europäische Bankensystem und für mehr Transparenz sorgen. Das erfüllt er zwar nur zum Teil, wer aber geglaubt hat, der Test könne abschließende Klarheit über den Zustand des Systems schaffen, saß von vornherein einem Irrtum auf. Institutionelle Investoren hatten diese Erwartung sicher nicht.

Einiges aber leistet der Test. Er zeigt, in welchem Ausmaß welche Bank in Anleihen hochverschuldeter Staaten investiert hat. Die Anleger können besser als zuvor ihre eigenen Schlüsse ziehen und werden das auch tun. Der Test zeigt auch, dass viele Banken ordentliche Polster haben, um eine schwere Rezession zu überstehen. Umgekehrt kann man ablesen, dass bei einigen Kandidaten nicht viel passieren darf, wenn sie nicht in gehörige Schwierigkeiten kommen sollen.

Noch etwas brachte der Test: Nie zuvor haben die europäischen Finanzaufseher so intensiv zusammengearbeitet. Die Prüfung könnte der Einstieg in eine einheitliche europäische Finanzaufsicht sein. Die Übung hat zwar auch gezeigt, wie schwierig es ist, in Europa zu einem einheitlichen Vorgehen zu finden. Doch wenn die europäischen Finanzaufseher den nun gefundenen kleinsten gemeinsamen Nenner erweitern, wird die künftige Aufsicht in Europa besser funktionieren.

Riskante Geschäftsmodelle

Überhaupt kann der Test nur dann seine optimale Wirkung entfalten, wenn nun die richtigen Lehren daraus gezogen werden. Banken, Aufseher und Politiker müssen die Prüfung als letzte Warnung, als blauen Brief begreifen. Erstens sollten jene Institute, die zwar bestanden haben, aber nahe an die Mindestkapitalquote von sechs Prozent herangekommen sind, sich so bald wie möglich mehr Kapital beschaffen. Das gilt vor allem für Banken, deren Quote unter Stress besonders stark geschrumpft ist, denn das deutet auf ein riskantes Geschäftsmodell hin. Zweitens müssen Banken und Aufseher ihre Risikokontrollsysteme verbessern. Die Staatengemeinschaft sollte sich drittens endlich auf strenge und einheitliche Kapitalregeln für die Zukunft einigen.

Die vierte Konsequenz haben einzelne Staaten zu ziehen, deren Bankensysteme selbst dieser relativ lasche Test wackelig hat aussehen lassen. Dazu zählt Deutschland, mit der maroden Hypo Real Estate, der schwach kapitalisierten Postbank und den Landesbanken. Zwar haben viele öffentliche Institute passabel abgeschnitten. Doch ihnen droht etwas, das der Test gar nicht abgebildet hat: Weil einige Landesbanken kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, könnten sie langsam ausbluten. Fusionen unter ihnen, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble sie fordert, sind ein möglicher Weg aus dem Dilemma. Auch die Zerschlagung einzelner Landesbanken oder eine engere Verzahnung mit den Sparkassen sind Alternativen. Klar ist: Es muss etwas geschehen. Sonst folgt auf den blauen Brief bald die Nichtversetzung.

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