Streit um Euro-Bonds:Verteufelter Heilsbringer

Sie gelten als letzte Rettung oder als Teufelszeug - je nach Perspektive. Die so genannten Euro-Bonds stehen im Mittelpunkt der Diskussion, wie die Schuldenkrise in Europa dauerhaft bewältigt werden kann. Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Euro-Bonds.

Italien fordert sie nachdrücklich, die Bundesregierung lehnt sie ab - zumindest bislang noch. Die Diskussion über eine Einführung von Euro-Bonds wird immer schärfer. Sie entzweit Ökonomen und Politiker. Aber was steckt eigentlich hinter der Idee gemeinsamer Anleihen aller Euro-Länder?

EU Schuldenkrise

Zündstoff für die EU: Der Streit über Euro-Bonds entzweit Poltiker und Ökonomen, Schuldenstaaten und ihre Geldgeber.

(Foto: dpa)

Was sind Euro-Bonds?

Gemeinsame Staatsanleihen aller Euro-Länder, die von einer noch zu gründenden europäischen Schuldenagentur zur Versteigerung angeboten würden. Bisher begibt jedes Land ausschließlich eigene Anleihen - mit der Folge, dass hoch verschuldete Staaten zum Teil extrem hohe Zinsen zahlen müssen. Geraten sie in den Fokus der nervösen Märkte, steigen die Zinsen sogar noch höher. Staaten mit glänzender Bonität wie Deutschland oder Österreich kommen dagegen günstig an frisches Geld. Eurobonds sollen die nationalen Staatsanleihen ergänzen, aber nicht ersetzen: Die Papiere sollen vielmehr einen Teil der nationalen Schulden auf europäischer Ebene bündeln. Ein großer Teil der Schulden soll aber nach wie vor zu nationalen Zinssätzen verzinst werden.

Was sollen sie bezwecken?

Hoch verschuldete Krisenländer wie Griechenland und Italien könnten sich - dank Eurobonds - am Rentenmarkt wieder zu relativ günstigen Konditionen Kredite besorgen. Pleitekandidaten stünden nicht mehr wie bisher weitgehend allein gegen die Macht von Finanzmärkte und Spekulanten.

Welche Risiken bergen gemeinsame Anleihen?

Kritiker warnen: Der Anreiz, sich auf Kosten anderer zu verschulden, würde sich durch eine gemeinsame Haftung massiv erhöhen - nach dem Motto: Die Reichen werden schon zahlen. Dies befürchtet etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Außerdem würden dann - so formulieren es die Euro-Bond-Gegner - deutsche Steuerzahler für Schulden derer mithaften, die zuvor über ihre Verhältnisse gelebt haben. Befürworter wie Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker versichern deshalb, parallel solle ein Anreizsystem für verschuldete Euroländer geschaffen werden, das strikte Haushaltsdisziplin belohne.

Wo verlaufen die Fronten in dem Streit?

In Deutschland zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün. In Europa - stark vereinfacht - zwischen Staaten mit AAA-Bonität und dem Rest. In Brüssel hat sich neben Juncker auch EU-Währungskommissar Olli Rehn für Euro-Bonds ausgesprochen. Die führenden Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland sind uneins. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger beispielsweise ist für diese Lösung, ifo-Chefvolkswirt Kai Carstensen spricht von einer "hanebüchenen Idee".

Verschiedene Modelle in der Diskussion

Gibt es überhaupt schon einen konkreten Plan?

Nein, im Gespräch sind verschiedene Modelle. Befürworter der Euro-Bonds verweisen darauf, dass diese bereits existieren, sogar in zweifacher Form. Zum einen beteiligt sich die EU-Kommission mit 60 Milliarden Euro aus dem vergemeinschafteten EU-Haushalt an den Hilfspaketen für überschuldete Euro-Länder. Zum anderen nimmt der provisorische Euro-Rettungsschirm EFSF Kredite auf, die er an angeschlagene Staaten weitergibt. Der EFSF gilt Befürwortern zumindest als Vorform von Eurobonds. Gegner betonen die Unterschiede: Die Hilfen sind gedeckelt, nur für den Notfall gedacht und nur nach einstimmigen Beschlüssen abrufbar.

Denkbar wäre, dass alle 17 Euro-Staaten ihre Staatsanleihen künftig gemeinsam und auf Dauer ausgeben. Dies würde die Risikozuschläge für überschuldete Länder mit einem Schlag beseitigen, weil Investoren dann dem gemeinsamen Währungsraum Kredite gäben. Umstritten ist, ob die Refinanzierungskosten für Deutschland steigen würden. Völlig ungeklärt ist, wer über die Höhe künftiger Kreditaufnahmen entscheiden soll - Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte am Montag erneut, dass die Nationalstaaten zuvor ihre Finanzpolitik aufgeben müssten.

Sowohl Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker als auch die SPD schlagen ein gesplittetes Modell vor: Danach würde die Refinanzierung eines Staates bis zu der im Stabilitätspakt erlaubten 60-Prozent-Grenze über Eurobonds geregelt. Darüber hinaus müssten die Euro-Staaten nationale Anleihen ausgeben. Denkbar wäre auch, dass Deutschland und Frankreich vorangehen. Dadurch würde das Problem umgangen, dass Eurobonds für sehr unterschiedliche Staaten ausgegeben würden. Denkbar wären auch gemeinsame Anleihen weiterer AAA-Staaten. Die Kluft zwischen den stabilen und den angeschlagenen Euro-Ländern würde dadurch allerdings immer größer.

Wie teuer würde das für Deutschland?

Solide Länder wie Deutschland lehnen den Vorschlag auch deshalb ab, weil Eurobonds ihre Bonität belasten dürften. Schließlich säße Deutschland dann erst Recht mit Griechenland & Co in einem Boot. Dies würde zu höheren Zinsen führen. Außerdem würden dann - so formulieren es die Euro-Bond-Gegner - deutsche Steuerzahler für Schulden anderer mithaften, die zuvor über ihre Verhältnisse gelebt haben.

Das ist höchst umstritten. ifo-Chefvolkswirt Carstensen etwa kalkuliert, dass Deutschland einen deutlichen Zinsaufschlag von 2,3 Prozentpunkten zahlen müsste. Unter dem Strich entspräche dies jährlichen Mehrkosten von gut 47 Milliarden Euro, errechnete er für die Welt am Sonntag. Eurobonds-Befürworter meinen dagegen: Staatspleiten und ein Auseinanderbrechen der Eurozone kämen für Deutschland teurer als die gemeinsamen Bonds.

Anders als die Opposition sieht die Bundesregierung politische und rechtliche Probleme für eine Einführung von Eurobonds: Eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag für einen solchen Schritt gilt als sehr unsicher. Angesichts der vehementen Ablehnung gerade in der FDP müsste die Regierung auch mit einem möglichen Bruch der Koalition rechnen. Es ist unsicher, ob das Bundesverfassungsgericht einen solchen Schritt überhaupt genehmigen würde. Denn die nationale Ebene würde die Hoheit über die Finanzpolitik abgeben.

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