Streit um die Rentengarantie:Onkel Brüderle

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Kaum macht Kanzlerin Merkel Urlaub, tanzen die Mäuse auf dem Tisch: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle streitet für die Abschaffung der noch jungen Rentengarantie. Sein Vorschlag wird schnell vergessen sein.

Thomas Öchsner

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle galt lange Zeit als einer der schwächsten Ressortchefs in der Bundesregierung. Der FDP-Politiker hatte das Image, der Plauderonkel im schwarz-gelben Kabinett zu sein, der dies und das sagt, ohne dass ihn dabei einer besonders ernst nimmt. In den letzten Wochen hat sich dies geändert. Der Liberale hat es geschafft, sich in der Öffentlichkeit als Hüter der Marktwirtschaft zu profilieren, der den Einfluss des Staates möglichst gering halten will.

Wirtschaftsminister Brüderle will die Rentengarantie kappen - ein typischer Fall von Sommerloch-Rhetorik. (Foto: ag.dpa)

Dies begann bei seinen Nein zu Staatshilfen für den angeschlagenen Autobauer Opel. Es setzte sich fort mit seiner Weigerung, im Streit um die Rettung des Karstadt-Konzerns als Vermittler einzuspringen. Und nun nutzt Brüderle, ganz offensichtlich berauscht über das Medienlob für seine jüngsten Äußerungen, das mediale Sommerloch, um für die Abschaffung der Rentengarantie zu streiten. Der Koalition beschert er damit eine völlig überflüssige Diskussion.

Bei der gesetzlichen Altersvorsorge galt mehr als 50 Jahre lang ein bewährter Grundsatz: Steigen die Löhne, ziehen auch die Bezüge der Ruheständler an. Geht dagegen die für die Rentenentwicklung maßgebliche Lohnsumme zurück, sollten auch die gesetzlichen Altersbezüge fallen. Diese Faustformel setzte die frühere schwarz-rote Koalition vor gut einem Jahr außer Kraft, aus Angst, bei den Bundestagswahlen Stimmen bei den Rentnern zu verlieren. Beide Volksparteien, SPD und Union, tönten damals einstimmig, die Garantie müsse ohnehin nicht greifen. Heute sind sie klüger: 2010 bleibt den Ruheständlern in Westdeutschland eine Rentenkürzung um fast ein Prozent erspart, hätte die neue Schutzklausel nicht erstmals gegriffen.

Das macht die Rentengarantie aber nicht besser, da hat der um neue positive Schlagzeilen kämpfende Brüderle recht. Das Wort Garantie klingt beruhigend. Tatsächlich ist die Ruhe trügerisch: Für die Rentner ist mit der Garantie nicht viel gewonnen, weil sie für die Garantie selbst zahlen müssen. Denn zum Ausgleich für eigentlich fällige Rentenkürzungen dürfen die Altersbezüge in Zukunft weniger stark zulegen, als sie es wegen des Lohnanstiegs müssten. Da wäre es ehrlicher gewesen, auf die Rentengarantie gleich zu verzichten.

Schon jetzt sind die Altlasten gewaltig: In der Rentenformel gibt es mehrere sogenannte Dämpfungsfaktoren, die das Rentenniveau mindern und so die Beitragssätze trotz der Alterung der Gesellschaft langfristig stabil halten sollen. Diese Faktoren sind im Prinzip eine gute Sache, weil sie für einen Ausgleich zwischen Jung und Alt und damit für Generationengerechtigkeit sorgen. Verschiedene Vorgänger-Regierungen, egal nach welcher Koalitionsarithmetik gebildet, haben diese Faktoren jedoch ausgesetzt. Schwarz-gelb muss diesen Ausgleich jetzt nachholen. So ist es zumindest beschlossen, und so müssen sich die Rentner wahrscheinlich bis zum Jahr 2016, wenn überhaupt, mit eher kärglichen Erhöhungen ihrer Bezüge zufriedengeben.

Die Bundesregierung wird nun genug damit zu tun haben, weitere Nullrunden oder lediglich bescheidene Zuwächse für die Ruheständler zu verteidigen und nicht wie ihre Vorgänger umzufallen und an der Rentenformel herumzupfuschen. Sich auch noch Ärger mit der Abschaffung der Rentengarantie einzuhandeln, ist für die Union daher ausgeschlossen.

Der Vorstoß des Bundeswirtschaftsministers wird deshalb, so wie viele andere Interviews im Berliner Sommerloch, bald wieder vergessen sein. Brüderles Vorschlag sagt aber viel über den Zustand der Koalition aus: Eigentlich wollten Union und FDP ihr koalitionsinternes Gezänk beenden und ihre Mitteilungsfreude zähmen. Doch kaum ist die Kanzlerin in ihrer Sommerpause, demonstriert wieder einmal ein Minister, dass ihm der eigene Profilierungsdrang wichtiger ist als ein bisschen Frieden im schwarz-gelben Bündnis.

© SZ vom 27.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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