Streit um die Geldpolitik der EZB:Frostiges Verhältnis

Eiszeit zwischen Trichet und Weber: Der EZB-Präsident und sein möglicher Nachfolger zoffen sich über den Aufkauf von Staatsanleihen. Seit Mai ist das Verhältnis der beiden mehr als unterkühlt.

Helga Einecke

Bundesbankpräsident Axel Weber ist kein Diplomat, will es auch gar nicht sein. Für ihn gehört Diplomatie ins Auswärtige Amt, nicht in die Zentralbank. Tatsächlich eckt der Mann in einem Punkt besonders an, beim umstrittenen Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank. Das ärgert EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, dem an Diplomatie sehr viel liegt. Die beiden sitzen gemeinsam im EZB-Rat, der die Geldpolitik festlegt. Trichet schätzt öffentliche Kritik aus den eigenen Reihen überhaupt nicht.

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Bundesbankpräsident Axel Weber (l.) und EZB-Präsident Jean-Claude Trichet haben sich über den richtigen Kurs der EZB zerstritten.

(Foto: AFP)

Seit Mai diesen Jahres kauft die EZB Anleihen, vor allem aus Griechenland, Portugal und Irland, nur in der letzten Woche stoppte sie ihre Aktion. Aber es gibt kein Limit bei Volumen und Zeit. Den einen, wie Weber, gelten die Aufkäufe als Sündenfall, weil die EZB damit indirekt die Schulden der Eurostaaten finanziert. Die anderen, auch die meisten Notenbankpräsidenten im Euroraum, sehen diese Aufkäufe als notwendiges Übel, um die Eurokrise in den Griff zu bekommen und die Geldpolitik wirksam zu machen.

Weber ließ keine Gelegenheit aus, um zu mahnen und zu warnen. Gleich nach dem Beschluss des EZB-Rats am 10. Mai diesen Jahres gab er seinen Widerspruch öffentlich zu Protokoll. Das erregte schon damals Aufsehen, denn die Aktion der Europäischen Zentralbank galt in der Politik als willkommene Unterstützung des Rettungsschirms für die Eurostaaten, der 750 Milliarden Euro umfasst. Inzwischen hat die EZB 63,5 Milliarden Euro an Staatsanleihen in ihren Büchern. Die Summen, die sie dafür ausgab, fielen von Woche zu Woche geringer aus.

Dennoch gab der Bundesbankpräsident nicht auf. Mit den Käufen müsse endlich Schluss sein, sagte er am 12. Oktober bei einem Auftritt in New York. Sie verwischten die Verantwortung von EZB und Finanzministern. Die Risiken wögen schwerer als die Vorteile. Schlimmer noch, die Käufe hätten keinen nachweisbaren Effekt auf die Zinsen der Staatsanleihen gehabt.

Das musste Trichet auf die Palme bringen. In einem Interview mit der italienischen Zeitung La Stampa wurde er gefragt, ob er auch der Meinung sei, dass das Programm nichts genutzt habe. Der EZB-Chef antwortete mit einem energischen "Nein" und setzte ein Ausrufezeichen dahinter. Er kommentiere die Bemerkungen seiner Kollegen nicht, ließ Trichet außerdem wissen. Es gebe aber nur einen EZB-Rat, nur eine geldpolitische Entscheidung, nur einen EZB-Präsidenten. Viel schärfer kann eine Replik in der diplomatischen Sprache der Geldpolitik kaum ausfallen.

Künstliche Verbilligung von Risiken

Dabei ist das Dilemma von Trichet klar. Er muss eine Mehrheitsmeinung vertreten, auch wenn sie ihm nicht passen sollte, wofür es im speziellen Fall keine Anhaltspunkte gibt. EZB-Beobachter rätseln über die Motive Webers, der als Kandidat für die Nachfolge von Trichet gehandelt wird.

Die Nachfolge steht in einem Jahr an, sie muss also in den nächsten Monaten auf Regierungsebene entschieden werden. Will sich Bundesbankpräsident Weber als Hardliner profilieren, der in der Tradition der Bundesbank den europäischen Kontrapunkt zur Politik des leichten Geldes setzt? In seiner Rede in New York sagte er, die Notenbanken müssten ihre Lektion aus der Krise lernen, mehr auf die Risiken von Geld und Kredit, Blasen und niedrigen Zinsen achten.

Er stellte die künstliche Verbilligung von Risiken, wie sie in den USA, Japan und Großbritannien nicht erst seit der Finanzkrise gepflegt werden, damit deutlich in Frage. Tatsächlich wird im EZB-Rat schon seit geraumer Zeit darüber diskutiert, wann und wie man die Risiken auf die Banken zurück verlagern kann, ohne dass die Kreditinstitute zusammenbrechen. Vor allem einige Geldhäuser in den überschuldeten Euro-Staaten sollen am Tropf der EZB hängen und sich überproportional an dem verbilligten Zugang zum Geld bedienen.

Weber steht mit seiner Kritik nicht allein. Auch EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark und Luxemburgs Notenbankpräsident Yves Mersch gelten als Skeptiker der Anleihekäufe, aber sie formulierten ihre Bedenken vorsichtiger. Mersch machte den Vorschlag, die umstrittenen Käufe einfach von der EZB weg zu verlagern. "Es ist eine durchaus berechtigte Frage, ob man dem Fonds nicht das Mandat geben sollte, Staatsanleihen aufzukaufen", sagte er der Financial Times Deutschland. Er meinte den in Luxemburg beheimateten Euro-Rettungsfonds, der im Notfall Geld aufnehmen und Garantien ziehen darf. Diese Lösung hätte den Charme, dass es eine saubere Trennung zwischen Fonds und Notenbank geben würde.

Die 63,5 Milliarden Euro an Staatsanleihen, die derzeit in der Bilanz der EZB gelandet sind, machen nur drei Prozent der Bilanz des gesamten Eurosystems aus. Sie könnten aber an Wert verlieren, wenn ihre Gläubiger, nämlich die Euroländer, sie nicht mehr voll bedienen können. Sollte es zu Verlusten kommen, wären die großen Länder wie Deutschland oder Frankreich an diesen überproportional beteiligt.

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