Eines steht fest: Meine Nachbarin, die Clemensstraße, ist nicht gut auf mich zu sprechen. Divenhaft ausgestreckt liegt sie da zwischen Leopold- und Winzererstraße, erträgt es nicht, dass ich mich als Parallele im Süden genauso lang hinziehe. Bildet sich ein, was Besseres zu sein - wahrscheinlich, weil es in ihr ein bisserl ruhiger zugeht. Lächerlich!
In der Herzogstraße verdienen die Vermieter gut an der Lage. Aber zum Glück lassen nicht alle Vermieter Haus und Hof sanieren bis zur Unbezahlbarkeit.
Die Clemens verzeiht mir offenkundig nicht meinen kometenhaften Aufstieg, erträgt es nicht, dass die Lokalbaukommission der königlichen Haupt- und Residenzstadt München am 18. November 1890 beschloss, die Stadtgemeinde Schwabing in den Burgfrieden Münchens einzuverleiben und mich damit umzubenennen.
Bis dahin hieß ich nämlich einfach nur Feldweg, was auch logisch war, schließlich grasten an mir entlang die Kühe, und die Münchner kamen am Wochenende zur Erholung hier raus ins grüne Schwabing.
Aber als Schwabings Schulden wuchsen, drängte unser letzter Bürgermeister, Alois Ansprenger, zur Vereinigung mit der Hauptstadt. So erhielt ich 1893 meinen neuen Namen, nach dem Herzog Max-Emanuel.
Klingt vornehm, gell? Zu vornehm, dachte sich wahrscheinlich die Clemens, die ja - unter uns gesagt - lediglich an den Wittelsbacher Erzbischof Clemens-August erinnert.
Tja, mit der Bezeichnung "Herzog" erwächst natürlich Konkurrenz. Bei mir kam im Laufe der Zeit richtig Leben in die Buden. Ich habe so urige Kneipen wie den "Bunten Vogel" oder leckere Restaurants wie den "Wendekreis Indochina", wo die vietnamesischen Köche im Sommer immer diese raffiniert geschnitzten Wassermelonen auf den Bürgersteig stellen.
Und sonntags kommen viele Clemensstraßler verstohlen zu mir rüber, weil ihr Kühlschrank leer ist und der Supermarkt zu, aber der Drehgrill in meinem Wienerwald gut bestückt und sein Personal stets freundlich - selbst zu nämlichen Clemensstraßlern.
Der direkte Vergleich
Doch genug solcher qualitativer Vergleiche, lassen wir Zahlen und Fakten für sich sprechen: Google.de spuckt beim Stichwort "Clemensstraße" 12.000 Suchergebnisse aus, bei "Herzogstraße" sage und schreibe 22.4000.
Ein Schwabing-Buch nennt bei mir acht Adressen bekannter Personen. Unter anderem wohnte in Nummer 3 Julia Mann, die Mutter von Thomas und Heinrich Mann! - Clemens kommt nur auf drei. Ha! Und ich beherberge 48 denkmalgeschützte Gebäude. Die Clemens? Gerade mal 38. Bedürfen solche Tatsachen eines Kommentars? Ja. Ätsch.
Eine Straße zwei Viertel
Die Stadt München teilt die Herzogstraße in zwei Teile: Von der Leopoldstraße an bis zur Viktoriastraße gehört sie offiziell zu Schwabing Freimann. Ab der Viktoriastraße bis zur ihrem Ende gehört sie zu Schwabing - West.
