Straßen in München:Baaderstraße

Eigentlich ist die Baaderstraße eine stinknormale Straße. Nicht hübsch, nicht hässlich, abseits der schicken Rennstrecken. Und gerade deshalb hat sie einen festen und treuen Stamm von Anhängern.

Christa Eder

Für Münchner Verhältnisse ist die Baaderstraße fast schon etwas heruntergekommen. Hier wurde noch nicht, wie in der benachbarten Klenze- und Reichenbachstraße, rundumsaniert. Hier gibt es noch das Unperfekte und Provisorische. Ein paar altersgeschwärzte Fassaden, tabakgelbe Gardinen, Hauseingänge mit Zigarettenautomaten, Säulen, die mit Zetteln und Partyflyern zugeklebt sind, kleine Handwerksbetriebe in engen Hinterhöfen und viele Läden und Kneipen.

Wer hier nach Jahren wieder einmal vorbeischaut, dem kommen die Bilder der Umgebung wie ein Super-8-Film vor. Unaufgeregte, wackelige Nahaufnahmen von sympathischer Vertrautheit. Eine Art Gegenkultur zur kühlen Videoästhetik, die um den nahen Gärtnerplatz herum abläuft. Und gerade deshalb hat die Baaderstraße einen festen und treuen Stamm von Anhängern.

Die Baaderstraße hat keinen richtigen Anfang und kein richtiges Ende. Sie beginnt an einer Verkehrsinsel, wo die Rumfordstraße eine Biege macht, mit einem schmucklosen Hotel und einem Parkhaus. Danach mischt sich ganz Normales mit Exotischem: Schreibwaren, Bodenbeläge, Gemüse, Getränke, Gothic-Utensilien, Asia-Food, Stehausschank, Friseur, Antiquitäten, eine Lesbenbar, zwiegenähtes Schuhwerk, Klamottenläden, die "Holde Maid" oder "Mischwarenzentrale" heißen.

Davon abgesehen hat die Baaderstraße auch mindestens zwei Institutionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, weswegen Überzeugte jedoch von weiß Gott woher anreisen. Die eine heißt Burg Pappenheim, einst ein Alternativen-Hippie-Studenten-Treff, die sich heute als Sportkneipe definiert, die andere ist das Baadercafé, Münchens Keimzelle und heute wohl letzte Bastion für Intellektuelle aus der alternativen Kunst-, Musik- und Literaturszene.

Hier hat es angefangen mit den Flatzens, Goetzens und Hofers, die heute längst in großen Galerien ausstellen, bei etablierten Verlagen oder Plattenfirmen veröffentlichen. Mit ihnen im Schlepptau auch die Lokalgrößen des Münchner Nachtlebens und Life Style-Journalisten.

Baaderstraße

Wie das Baadercafé hat sich auch die Straße kaum verändert, findet Peter Nimmrichter, fast von Anfang an, also seit ungefähr 20 Jahren, Pächter. "Es ist nach wie vor ein offener und öffentlicher Ort", sagt Nimmrichter. "Das Baader zeigt keine Fahne, es ist zurückhaltend, lässt sich nicht einordnen. Es gehört einfach in diese Straße und ist nicht zu transportieren."

Tatsächlich hat sich das Baadercafé nur wenig verändert. Die zwei Bilder, "Die Welt" und der "Planet der Affen", hängen noch da, an den Wochenenden legen DJs immer noch gute Background Music auf und auch den legendären Schokokuchen sowie die Jägermeisterschorle gibt es noch, ebenso das Frühstücksbuffet, das besonders am Sonntag als das beste der Stadt gilt. Alles frisch zubereitet, alles selbst gemacht, kein Fast Food, verspricht der Wirt und "Baadermeister".

Nur wenig hat sich auch das Publikum geändert. Abgesehen von den Anfangsjahren, wo das Baader eher ein Hort der Punker-Szene war, verkehrt seit etwa Mitte der 80er Jahre überwiegend Jungvolk mit Nana-Mouskouri-Brillen, das sich irgendwie zur intellektuellen Subkultur zählt und vielleicht die Künstlerpoesie oder ein Gefühl des Aufbruchs der wilderen Anfangsjahre sucht, manchmal auch noch findet.

Viele, die im Glockenbachviertel ausgehen, lassen hier den Abend angehen. Oder bleiben sitzen in ihrem Wohnzimmerkino mit dem freien Blick nach draußen, den langen, statischen Einstellungen, die eine ungeschminkte Vielfalt zeigen, die man sonst in München nirgendwo mehr findet.

Rückblende: Ihren Namen verdankt die Straße dem Philosophen und Mystiker Franz Xaver von Baader (1765-1841), der zu beweisen versuchte, all unser Denken sei ein einziges Nachdenken.

Nomen est omen. Denn schon zu seiner Zeit gab es auch in der Baaderstraße einen zentralen Ort des Nachdenkens: die städtische Justizvollzugsanstalt. Erst als diese 1892 aus allen Nähten platzte, wurde Stadelheim gebaut. Es gibt vermutlich keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Philosophen, dem Knast und der ungekünstelten Kaffeehausatmosphäre, aber am Ende reimt sich doch irgendwie alles zusammen. Und heraus kommt der Reiz des Authentischen, wie der eines 8-Millimeter-Schmalfilms.

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