Steuerschätzung:Mehr Geld für den Bund - aber nichts für die Bürger

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Die Bundesregierung rechnet mit 62 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Doch trotz der guten Konjunktur und des Drängens der FDP lehnt Kanzlerin Angela Merkel eine Entlastung der Steuerzahler ab.

Claus Hulverscheidt

Trotz deutlich höherer Steuereinnahmen will Kanzlerin Angela Merkel die Bürger vorerst nicht nennenswert entlasten. Entsprechende Wünsche aus den Reihen von CDU, CSU und FDP lehnte sie am Montag erneut ab. Laut Finanzministerium kann der Bund bis 2012 dank der guten Wirtschaftslage mit zusätzlich 25 Milliarden Euro rechnen.

Angela Merkel freut sich über höhere Steuereinnahmen - lehnt eine Entlastung der Bürger aber ab. (Foto: Getty Images)

Nimmt man Länder und Kommunen dazu, erwartet die Bundesregierung für dieses und für die beiden Folgejahre sogar Mehreinnahmen in einer Gesamthöhe von fast 62 Milliarden Euro. Das geht nach einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa aus einer Vorabprognose des Finanzministeriums für den Arbeitskreis Steuerschätzung hervor, der an diesem Dienstag in Baden-Baden zu seinen halbjährlichen Beratungen zusammenkommt und am Donnerstag Ergebnisse verkünden will.

Der Bund selbst kommt demnach 2010 im Vergleich zur Mai-Schätzung auf ein Einnahmeplus von 7,5 Milliarden Euro. 2011 könnten es 8,8 Milliarden, 2012 rund 9,3 Milliarden Euro mehr sein als bisher gedacht. Für die Länder sagt das Finanzministerium ein Plus von insgesamt 23 Milliarden, für die Kommunen von 13,1 Milliarden Euro voraus.

Noch vor Bekanntwerden der Zahlen hatte Regierungssprecher Steffen Seibert erklärt, es gebe aus Merkels Sicht derzeit "keinerlei Spielraum" für Steuersenkungen. "Das betrifft ganz sicher den Rest des Jahres 2010 und das Jahr 2011 - und dann sehen wir weiter", sagte er. Die Koalition habe die "politische und moralische Pflicht", zunächst die hohe Neuverschuldung zu senken, die in diesem Jahr etwa 50 Milliarden Euro betragen wird. Das ist zwar erheblich weniger als zu Jahresbeginn befürchtet, aber immer noch der höchste Wert aller Zeiten.

Tatsächlich kommt der Regierung die gute Wirtschaftsentwicklung zwar zur Hilfe. Dem Konjunkturhoch steht jedoch eine Vielzahl von Risiken gegenüber, die der Koalition noch erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürften. Das gravierendste Problem sind die zahlreichen Luftbuchungen, die sich im Sparpaket der christlich-liberalen Koalition vom vergangenen Juni finden: Das gilt etwa für die Finanztransaktionsteuer, die mit jährlichen Einnahmen von zwei Milliarden Euro im Finanztableau auftaucht, aller Voraussicht nach aber gar nicht eingeführt wird.

Ein weiteres Beispiel ist die Bundeswehrreform, die Experten zufolge weit weniger an Einsparungen bringen wird als jene zwei Milliarden Euro pro Jahr, die im Sparpaket ab 2013 veranschlagt sind. In früheren Fällen hätte die Regierung ihren Sparkurs wohl einfach gelockert. Das ist jedoch wegen der neuen Schuldenbremse im Grundgesetz so nicht mehr möglich. Vielmehr muss Merkel notfalls nach Alternativen suchen.

Dass die Kanzlerin Steuersenkungen bis zum Ende der Wahlperiode dennoch nicht kategorisch ausschließt und sich ein Hintertürchen offen lässt, ist der Popularität des Themas beim Koalitionspartner FDP und in Teilen der Union geschuldet. So stellte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am Montag einmal mehr Steuerermäßigungen in Aussicht.

"Wenn die Haushalte stabil sind, hat Deutschland auch wieder Handlungsspielräume, die Steuern und Abgaben zu senken", sagte er der Leipziger Volkszeitung. Es sei zwar noch zu früh, über die Höhe möglicher Entlastungen zu sprechen. "Aber es werden mehr als 2,50 Euro sein", betonte der FDP-Politiker. Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, der liberale Steuerexperte Hermann Otto Solms und der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg. Er sagte, die Koalition müsse in dieser Wahlperiode "zumindest einen Einstieg in eine spürbare Entlastung der unteren und mittleren Einkommen schaffen".

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Auch der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, erklärte, Union und FDP hätten nach wie vor das Ziel, die Steuern zu senken. "Das haben wir immer gesagt, und dabei bleibt es auch", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Steuerentlastungen, Schuldenabbau und Investitionen seien für die Koalition gleichrangige Ziele. Dagegen hatte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe betont, es gebe eine klare Rangfolge: Absoluten Vorrang habe die Haushaltskonsolidierung, danach käme eine Steuervereinfachung, danach "eine weitere Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen - sofern wir hierfür Spielräume haben".

Regierungssprecher Seibert kündigte an, die Koalition werde im Dezember zunächst einmal Vorschläge für eine Vereinfachung des Steuerrechts unterbreiten. Das Bundesfinanzministerium hatte den Regierungen der Länder in der vergangenen Woche insgesamt 19 Vorschläge zur Steuervereinfachung unterbreitet, die unter anderem Änderungen an der Entfernungspauschale, der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten und der Auszahlung des Kindergelds umfassen.

Zudem will Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) die Möglichkeit eröffnen, dass interessierte Bürger nur noch alle zwei Jahre eine Steuererklärung abgeben müssen. Um die Länder für eine Mitarbeit an der Reform zu gewinnen, ist der Bundesfinanzminister bereit, die Kosten des geplanten Gesetzes weitgehend allein zu tragen.

© SZ vom 02.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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