Steuerhinterziehung:Mit dem Geldkoffer in die Schweiz

Die Tricks der Betrüger: Wie Vermögen ins Ausland geschafft wird - und wie gefährlich dabei die Geliebte sein kann.

Markus Zydra

Wir wissen, dass deutsche Steuerhinterzieher ihr Geld in die Schweiz schaffen. Unklar ist aber, wie sie dabei vorgehen. Einfach über die Grenze fahren, mit einem dicken Bündel Scheinen unter dem Sitz - das wirkt grobschlächtig in diesen modernen Zeiten. Nein, das war früher.

Schweiz, Foto: dpa

Deutschland hat Bankdaten gekauft, um Steuerbetrüger aufzuspüren. Doch wie kommt das Geld in die Schweiz? Nicht mehr unbedingt im Koffer.

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"Gar nicht so schwer"

Banker wissen, wie es heute geht. Manche erzählen es, aber nur, wenn ihr Name nicht genannt wird. "Es ist gar nicht so schwer", berichtet einer. Ein Trick funktioniert so: Der deutsche Steuerbetrüger eröffnet ein Handelskonto in Hongkong bei einer chinesischen Bank. Das kann er von Deutschland aus machen.

Über dieses Konto spekuliert er mit chinesischen Aktien. Die Gewinne aus den Zockergeschäften fließen direkt auf ein Schweizer Konto. Auch das lässt sich ohne Probleme eröffnen. Die Verluste hingegen verrechnet er hier in Deutschland. Und fertig ist der Steuerbetrug.

Gut, darauf muss man erst einmal kommen - ein Konto in Hongkong. "Die deutsche Hausbank gibt gerne Hinweise", sagt der Banker. Skrupel müsse das Institut nicht haben. Schließlich sind Spekulationsgeschäfte erlaubt, auch im Ausland. Sie müssen nur versteuert werden. Aber macht es der Kunde auch? Das kümmert die Bank wenig, und China wird bei der Antwort nicht helfen.

Vorbei sind die Zeiten, da der gewöhnliche Steuerbetrüger dem Kurier gegen Quittung einen Geldkoffer in die Hand drückte. Sehr selten auch der Trick mit Tafelpapieren: Man ging zur Bank, bezahlte das Wertpapier in bar und anonym am Schalter ("über die Tafel") und deponierte das Wertpapier bei einer Schweizer Bank. "Schwarzgeld wird heutzutage nicht mehr überreicht, es wird getauscht.

Gold gegen Dollar, Euro gegen Aktien, am besten grenzüberschreitend", sagt ein anderer Finanzprofi. Beispiel: Firma X und Firma Y sitzen im Ausland. Firma X weist Firma Y an, das Geld für eine Auftragsleistung auf ein Schweizer Konto zu überweisen. Firma X gehört einem deutschen Bürger. Sind also alle Geldtransfers über die Grenze verwerflich?

"Man kann aber nicht alle Menschen, die ihr Geld ins Ausland bringen, über einen Kamm scheren und gleichsam unter kriminellen Generalverdacht stellen", sagt Christian Bechtolsheim, Vorstand der Vermögensverwaltung Focam. Mancher habe ein besonderes Sicherheitsbedürfnis und wolle sein Geld ganz legal in sicheren Häfen im Ausland bunkern. Viele andere wirtschaften aber illegal am Fiskus vorbei.

Banker kooperieren nicht mehr

Banker kooperieren nicht mehr

Früher haben Banker dabei geholfen, doch seit 1993 gilt das Geldwäschegesetz: Deutsche Banker sind seither verpflichtet, die Plausibilität der Herkunft von Geld zu überprüfen, sie müssen sogar Anzeige erstatten, wenn sie Verdacht schöpfen, etwa weil der Kunde keine Erklärung über die Herkunft machen will. Auch eine Geldwäscheverdachtsanzeige ist möglich, seit die schwere Steuerhinterziehung Vortat zur Geldwäsche geworden ist. "Wir wären verrückt, wenn wir dagegen verstoßen würden", sagt ein Banker, zumal jedes Institut einen Geldwäschebeauftragten hat, der intern kontrolliert.

Doch es gibt rechtliche Grauzonen, wie an folgendem Fall deutlich wird. Ein Geschäftsmann will 100.000 Euro in die Schweiz überweisen. Sein Ziel ist es, das Geld dort anzulegen. Das ist völlig legal. Seine Motivation ist es, keine Steuern auf die Erträge zu bezahlen. Das ist illegal. Der Steuerbetrug fängt aber erst an, wenn die Erträge nicht versteuert worden sind. Das geschieht aber später, also überweist die Hausbank den Betrag, und zwar auf das eigene Schweizer Konto.

Die meisten deutschen Geschäfts-, Privat- und auch Landesbanken haben eine Dependance in der Schweiz. Dort schließt der Geschäftsmann einen Vermögensverwaltungsvertrag ab. Der Kunde entscheidet, dass die Kontoauszüge postlagernd gesammelt werden. Die Banker erinnern ihn noch daran, dass er mit seinem Steuerberater wegen der Versteuerung der Erträge sprechen soll. So wird das auch protokolliert. Und schon ist die Basis gelegt für den Steuerbetrug.

Wo beginnt die Mittäterschaft?

Natürlich könnte die Bank Verdacht schöpfen, natürlich müsste sie dann eine Anzeige machen, aber selbstverständlich verliert sie dadurch einen guten Kunden. Vermögensverwaltung ist ein einträgliches Geschäft. Die Bank wägt also ab. Was hat sie denn schon getan? Eine Überweisung getätigt auf Wunsch der Kunden. Sie hat ihn sogar auf das Steuerproblem hingewiesen. Alles eine Frage der Interpretation.

Wo beginnt sie, die Mittäterschaft des Finanzberaters und damit der Bank? Ein schmaler Grat. "Banker helfen heutzutage mit den richtigen Informationen, sie stricken steueroptimierte Finanzprodukte oder Erbschaftsstiftungen", sagt einer. Das wird sofort gefährlich, wenn die Strafbehörden kommen. Nicht nur Steuersünder müssen mit Gerichtsverfahren rechnen, auch die beratenden Banker. Es ist eine kitzelige Situation: Der Bankberater hat etwas gegen den Kunden in der Hand, der Kunde aber auch etwas gegen die Bank.

Es mag verführerisch einfach klingen, mit ein paar Auslandskonten den Fiskus zu schädigen. Aber man sollte die Steuerbehörden nicht unterschätzen: Es fällt auf, wenn jemand seine Finanzgewohnheiten ändert, und plötzlich keine Abbuchungen mehr tätigt für den Privatkonsum - weil er vom Schwarzgeld lebt.

Wenn die Geliebte sauer wird

Beispiel Arzt: "Der Finanzbeamte fragt immer, was macht er finanziell anders als andere Ärzte, hat sich sein Verhalten zuletzt geändert und mit wem macht er Geschäfte, ist das alles plausibel", erzählt ein Steuerfachmann. Und wenn der Verdacht einmal da ist, dann geht es schnell. Deutsche Finanzämter haben über die Finanzaufsicht Bafin Zugriff auf alle Kontodaten in Deutschland: Dann muss die Überweisung in die Schweiz erklärt werden.

Späte Gerechtigkeit gibt es auch, wenn die Kreditkarte des Steuerbetrügers geklaut und das Konto in der Schweiz leergeräumt wird. Anzeige bei der Polizei? Wohl kaum.

Manchmal entsteht der Verdacht auch durch Verrat. Ein Geschäftsmann lässt die Geliebte sitzen und sperrt ihre Kreditkarte. "Die wird sauer und ruft das Finanzamt an. Man glaubt gar nicht, wie häufig Mitwisser einen Steuerbetrüger zu Fall bringen", sagt ein Kenner der Szene. Das sei aber selten die Ehefrau. "Denn die hat die Steuererklärung meist mit unterschrieben."

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