Steuerhinterzieher-CDs:Die dunkle Seite des Mondes

Das Einspielergebnis dieser Daten ist kolossal: Mit den Steuer-CDs wird derzeit mehr Geld gemacht als mit Alben wie "Dark Side Of The Moon". Trotzdem kann der staatliche Ankauf so nicht weitergehen. Es riecht nach Hehlerei.

Heribert Prantl

Beatles, Stones und Pink Floyd haben Konkurrenz gekriegt; es ist eine merkwürdige, ganz unmusikalische Konkurrenz. Es mischen sich lausig zusammenkomponierte CDs in die Liste der großen Welterfolge: Die sogenannten Steuerhinterzieher-CDs gehören zu den erfolgreichsten CDs der Welt. Mit diesen CDs, auf die Datendiebe ihr Diebesgut gepresst haben, wird mehr Geld gemacht als mit "Sergeant Pepper" und der "Dark Side Of The Moon".

Mondfinsternis

Mit den Steuer-CDs wird derzeit mehr Geld gemacht als mit "Sergeant Pepper" und der "Dark Side Of The Moon". Trotzdem ist der Erwerb bedenklich. Es riecht nach Hehlerei.

(Foto: ag.ddp)

Es handelt sich um die Debüt-Alben von Straftätern, die sich damit wegen Geheimisverwertung im besonders schweren Fall strafbar machen. Auf den Scheiben sind Daten von steuerhinterziehenden Bankkunden gespeichert. Im Gegensatz zu den Debütalben von Britney Spears oder Whitney Houston verkaufen sich diese CDs jeweils nur ein einziges Mal, derzeit vor allem auf dem deutschen Markt. Käufer ist der Staat.

Aber das Einspielergebnis ist kolossal; von einigen hundert Millionen Euro Gewinn bei einer einzigen Scheibe ist die Rede, zuzüglich spektakulärer windfall profits: Das Sensationelle ist die Tatsache, dass die CDs schon Millionen einspielen, bevor sie öffentlich gespielt werden.

Schon das bloße Bekanntwerden der Tatsache, dass der Staat den Ankauf prüft, macht Steuerhinterzieher panisch und treibt sie zur Selbstanzeige. Die generalpräventive Wirkung, die von den Steuerhinterzieher-CDs ausgeht, ist höher als die aller bekannten Sanktionen: Weder die Drohung mit Geld- und Freiheitsstrafen, noch der Versuch, Steuerstraftäter mit amnestieähnlichen Regelungen zu locken, haben eine auch nur vergleichbare Wirkung erzielt.

Der Kauf der CDs ist das bisher wirksamste Mittel, um Zehntausende von Steuerstraftätern auf den Weg des Rechts zurückzuführen und um Hunderttausende von potentiellen Steuerflüchtlingen und Steuerhinterziehern von der Tat abzuhalten. Kriminalistisch ist das ein Geniestreich.

Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander. Rechtsstaatlich ist der Ankauf der gestohlenen Daten zwar nicht gleich wahnsinnig, aber doch bedenklich. Sicherlich: Man muss nicht so tun, als sei der staatliche Kauf von gestohlenen Daten mit einem Szenario vergleichbar, bei dem der Staat Informationen durch Folter erlangt.

Menschenrechtswidrig ist der Ankauf nicht; rechtmäßig ist er aber auch nicht. Der rechtsstaatliche Kernsatz, dass Zweck und Erfolg nicht die Mittel heiligen, gilt auch dann, wenn der spezial- und generalpräventive Erfolg so grandios ist wie bei den Steuerhinterzieher-CDs. Für den Staat spricht, dass die angekauften Informationen aus einer Sphäre stammen, die bei der Abwägung zwischen Geheimnisschutz und Strafverfolgungsinteresse am schwächsten geschützt ist: sie stammen nicht aus der Intim- und nicht aus der Privatsphäre, sondern aus der Geschäftssphäre.

Faktum bleibt, dass sich der Staat der Hilfe von Straftätern bedient. Der Ankauf stellt zwar rechtstechnisch keine Hehlerei dar, riecht aber doch irgendwie danach: Der Staat stützt sich auf Kriminelle. Das macht er zwar öfter: bei der Kronzeugenregelung und dann, wenn er Belohnungen für Hinweise auszahlt, die zur Aufklärung von Straftaten führen; da ist es ihm recht, wenn diese Hinweise aus anrüchiger Szene stammen.

Beim Kauf der CDs kann sich der Staat auf notstandsähnliche Überlegungen stützen, weil offenbar wirklich nichts anderes hilft und weil sich das Gerechtigkeitsgefühl schüttelt, wenn sich Steuerhinterzieher hinter ausländischen Banken verstecken können.

Aber mit solchen Not-Überlegungen kann der Staat gewiss nicht jahrelang operieren. Er muss also schleunigst danach trachten, auf legalem Wege (mittels zwischenstaatlicher Abkommen) an die Daten zu kommen; und er muss die Steuerfahndung im Inland aufrüsten. Das Entdeckungsrisiko muss für Steuerflüchtlinge (auch ohne den Kauf der CDs) so steigen, dass sich die Steuerflucht nicht mehr rentiert.

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