Steuerfreies Existenzminimum 350 Euro höher:Mehr Netto dank Schäubles Bauerntrick

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Rot und Grün blockieren die Steuersenkungen der Regierung. Also musste sich der Finanzminister etwas einfallen lassen - und hat noch mal "nachgerechnet": Man sei sogar gezwungen, einen größeren Teil des Einkommens der Bürger von Steuern zu befreien. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Claus Hulverscheidt

Wenn nichts mehr hilft, muss auch einmal ein kleiner Bauerntrick erlaubt sein. Weil sich SPD und Grüne einfach nicht erweichen lassen wollen, die Steuersenkungspläne der Koalition im Bundesrat mitzutragen, versuchen es Union und FDP nun mit einem neuen Argument: Sie seien rein rechtlich dazu gezwungen, ihre Pläne in die Tat umzusetzen.

Dazu hat das Bundesfinanzministerium "errechnet", dass der Teil des Einkommens, der für den Lebensunterhalt absolut notwendig ist und deshalb nicht besteuert werden darf, 2013 und 2014 in zwei Schritten von heute 8004 auf 8352 Euro angehoben werden muss. Das Plus von 348 Euro entspricht fast haargenau jener Erhöhung des Grundfreibetrags um 350 Euro, der im Steuersenkungsgesetz der Koalition vorgesehen ist - ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Wie hoch dieser Freibetrag sein muss, ergibt sich normalerweise aus dem Existenzminimumbericht, den die Bundesregierung alle zwei Jahre vorlegt. Dumm nur, dass die Veröffentlichung des nächsten Berichts erst Ende 2012 ansteht - der Bundesrat aber bereits in Kürze über das Steuergesetz der Regierung entscheiden muss. Deshalb beschloss das Ministerium, diesen Teil des Berichts vorzuziehen und ihn an die Presse weiter zu reichen.

Mit Erfolg: In Agenturmeldungen hieß es am Mittwoch, die Arbeitnehmer könnten ab 2013 auf weitere Steuerentlastungen hoffen. Und nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Hartz-IV-Empfänger: Kommt die Regierung nämlich zu dem Schluss, dass eine höhere Summe zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist, muss der Gesetzgeber nicht nur den steuerlichen Grundfreibetrag, sondern auch die entsprechenden Sozialleistungen anpassen. Und zumindest dagegen, so das offensichtliche Kalkül von Union und FDP, können SPD und Grüne ja nun wirklich nichts haben.

Nach den am Donnerstag bekanntgewordenen Zahlen müsste der Steuerfreibetrag zum 1. Januar 2013 zunächst auf 8124 und ein Jahr dann auf 8352 Euro angehoben werden. Ihre beinahe deckungsgleichen Steuersenkungspläne hatte die Regierung mit dem Kampf gegen die sogenannte kalte Progression begründet. Der Begriff beschreibt eine verdeckte Steuererhöhung, die dadurch entsteht, dass mit jedem Gehaltszuwachs der Durchschnittssteuersatz klettert - auch wenn der Steuerpflichtige wegen steigender Preise real womöglich gar nicht mehr Geld in der Tasche hat.

© SZ vom 27.4.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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