Steuerflucht ins Ausland:Ende der Geheimnisse

Schwarzgeldstaaten ade: Nach Liechtenstein und Österreich ist jetzt sogar die Schweiz plötzlich bereit, den Schleier von den Konten der Steuerhinterzieher wegzuziehen.

Nicolas Richter

Bankiers umgeben sich gerne mit Kunst. Das soll allen vorführen, wie kultiviert sie doch sind. Im Kunstmuseum von Liechtenstein ist gerade eine raumgroße Installation des Deutschen Matti Braun zu sehen. Pechschwarzes Wasser bedeckt den Boden, hier und da ragen flach abgesägte Baumstümpfe heraus. Diese verwitterten Strünke wirken verlassen und verloren im dunklen, scheinbar so tiefen See. Wer will, erkennt in dem Werk die trostlose politische Lage der sogenannten Steuerinseln, zu denen Liechtenstein gehört. Jahrzehntelang galten diese Länder als Festungen, in denen Geldwäscher, Steuerhinterzieher und Inhaber schwarzer Kassen sicher waren. Aber das Fundament dieses Geschäftsmodells hat Risse bekommen, ist verwittert, wie das Holz im Vaduzer Museum.

Steuerflucht: Das Ende der Geheimnisse

Vorbei ist's mit den schönen Grüßen aus dem schönen Steuerparadies Liechtenstein.

(Foto: Foto: dpa)

Nie ist den Heimstätten der Heimlichtuer so zugesetzt worden wie in diesem Jahr. Anfang April werden sich die G-20-Länder in London gegen die Finanzkrise stemmen, und sie werden alle tax havens, die internationale Rechtshilfe bei Steuerdelikten verweigern, auf eine schwarze Liste setzen. Das drohende Ungemach hat die Geächteten nun dazu bewegt, sich täglich mit neuen Kooperationszusagen zu überbieten. In den vergangenen Wochen waren es Liechtenstein, die Cayman Inseln, Andorra, Singapur, Österreich. Sogar die Schweiz erklärt sich plötzlich bereit, den Schleier von den Konten der Steuerhinterzieher wegzuziehen. Jahrzehntelang haben Ermittlungsrichter, Staatsanwälte und Steuerfahnder folgenlos beklagt, dass sich in den Schwarzgeldstaaten jede Spur verlor; jetzt geloben die Gescholtenen Besserung, mit einem Eifer, der noch vor einem Jahr unvorstellbar war.

Große kriminelle Energie

Wie immer in den internationalen Beziehungen war auch dieser Dammbruch das Ergebnis einer höchst ungewöhnliche Kette von Ereignissen. Der erste Überfall auf das scheinbar unverwüstliche Hinterziehungsgeschäft kam von innen. Der Liechtensteiner Datendieb Heinrich Kieber offenbarte, in welchem Ausmaß vermögende Deutsche die Vaduzer Verschleierungsdienste genutzt hatten. Gleichzeitig überführten die USA den Berater Bradley Birkenfeld; er verriet, wie die Schweizer Bank UBS amerikanische Hinterzieher regelrecht umworben hatte, wie die Vermögenden in Zürich ihre Bankauszüge sichteten und sofort dem Schredder zuführten, wie Berater ihre Kunden von Telefonzellen aus anriefen, um keine nachweisbaren Spuren zu hinterlassen. Die Banken erschienen nicht nur als Gehilfen, sondern als Anstifter mit großer krimineller Energie.

So löste sich der moralische Lack, mit dem sich die Steueroptimierungs-Industrie jahrelang gegen Kritik imprägniert hatte. Banken und Treuhänder tun gerne so, als seien sie die letzten Aufrichtigen, die dem allmächtigen, allesfressenden Staat Einhalt gebieten würden. Der Kunde macht demnach von seinem Menschenrecht Gebrauch, sein Eigentum zu verteidigen. Es ist eine skurrile Argumentation, weil dieses vermeintliche Menschenrecht auf Steuerhinterziehung nur denjenigen zusteht, die eh schon genug Geld haben. Ein Luxusrecht für Betuchte, das in Wahrheit nichts anderes ist als eine Straftat, zum Schaden der Allgemeinheit. Ferner rühmt sich die Branche damit, dass sie das Vermögen und die Privatsphäre Rechtschaffener schütze, die in Polizeistaaten und in korrupten Landstrichen leben. Allerdings grassiert die Korruption in der Dritten Welt auch deswegen, weil es die Mächtigen dort immer leicht hatten, ihre Beute in irgendeiner Oase zu versenken.

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Warum von einem fairen Kräftemessen der Systeme keine Rede sein kann

Trotzdem konnte sich die Welt jahrzehntelang nicht darauf einigen, das subversive Geschäftsgebaren einzudämmen. Zum einen haben sich Europas Volksparteien selbst routinemäßig aus schwarzen Kassen bedient. Zum anderen war die Haltung der Regierungen gegenüber Tarnstaaten Teil einer größeren politischen Auseinandersetzung.

Aus Sicht etlicher amerikanischer Konservativer sind die Caymans dieser Welt geradezu leuchtende Vorbilder: wenig Steuer, wenig Staat, und damit ein Gegenentwurf zu jenen linksregierten Ländern, die immer mehr ausgeben und dafür ihre Bürger ausplündern. Nach dieser Argumentation haben Steueroasen einen globalen Wettbewerb entfacht, der alle Großen zu Steuersenkungen zwang. Von einem fairen Kräftemessen der Systeme kann allerdings keine Rede sein, wenn eine Rechtshilfe verweigert wird, die bei jeder anderen Straftat selbstverständlich ist. Jetzt will es der Zufall, dass sich Wortführer in Europa (SPD-Finanzminister Steinbrück) und Amerika (der demokratische Präsident Obama) darin einig sind, mit der Vertreibung aus den Steuerparadiesen zu beginnen.

Schwarze Listen

Den letzten Ausschlag hat jetzt noch die Finanzkrise gegeben. Sie hat das Vertrauen in die Integrität und die Kompetenz der Bankenbranche geradezu demoliert, weswegen nun solch unterschiedliche Regierungen wie die der G-20-Staaten versuchen, das internationale Finanzwesen neu zu regeln. Die Bereitschaft, Banken gewähren zu lassen, ist so gering wie die Toleranz für windige Geschäftsmodelle auf Kosten des Gemeinwesens. Außerdem brauchen alle Staaten jetzt so viel Geld, dass sie sich keine Einnahmen mehr entgehen lassen wollen.

Ist das nun wieder das Gesetz der Stärkeren, der großen Europäer und der Amerikaner? Ein Diktat der Nimmersatten, die sich bedienen, wo sie den geringsten Widerstand erwarten? Die Bankiersszene stellt es gern so dar, und anfangs taten dies auch die gescholtenen Regierungen. Doch wer bestiehlt hier wen?

Liechtensteins Exportindustrie zum Beispiel setzt mehr Geld um als die Finanzbranche, sie nutzt Europas offene Grenzen, seine Infrastruktur, seine kaufkräftige Kundschaft. Das Fürstentum nutzt alle Vorteile offener Märkte, nimmt es sich aber in Steuerfragen heraus, sich vor den Nachbarn abzuschotten. Mittlerweile haben viele Steueroasen begriffen, dass diese selektive Nutzung der Globalisierung nicht mehr zu rechtfertigen ist. Die Bankenpleiten und der mühsam verhinderte Staatsbankrott von Island haben schließlich gezeigt, wie verwundbar gerade kleine Länder geworden sind. In den guten Jahren konnten sich die Zwergstaaten mit ihren Steuertricks noch durchmogeln. Beim gegenwärtigen Zustand der Weltwirtschaft aber lebt es sich nicht mehr gut auf schwarzen Listen.

Für Steuerhinterzieher ist die Lage inzwischen sehr unübersichtlich. Findigen Anwälten wird es zwar auch in Zukunft gelingen, größere Vermögen über ein Weltgeflecht von Firmen und Stiftungen zu verstreuen, zumal die Steueroasen nur so viel Einblick gewähren werden wie nötig. Entscheidend aber ist die Psychologie: Die plötzliche Offenheit der Schwarzgeldstaaten dürfte viele Hinterzieher verunsichern. Es könnte dann so zugehen wie bei der Ausstellung im Museum zu Vaduz, wo die Besucher über den schwarzen See von einem Baumstumpf zum anderen balancieren. Schwarzgeldinhaber könnten noch von einer Oase zur nächsten springen, aber sie müssen damit rechnen, dass das morsche Holz schon bald unter ihren Füßen zerbröselt.

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