Steuerentlastungen 2013:Wenn der Zufall regiert

Merkel Rösler Westerwelle

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler und Außenminister Guido Westerwelle (Archivbild)

(Foto: dpa)

Schwarz-Gelb entlastet die Normalverdiener im neuen Jahr. Das ist gut, aber nicht das Ergebnis durchdachter Politik. Die Erleichterungen zeigen, dass die einstige Lieblingsidee dieser Bundesregierung realisierbar gewesen wäre: eine große Steuerreform. Daran sind Union und FDP jedoch gescheitert - wegen selbstauferlegter Denkverbote.

Ein Kommentar von Claus Hulverscheidt, Berlin

Ein garstiger Mensch hat über die schwarz-gelbe Koalition einmal geschrieben, sie sei sogar zu blöd zum Geschenke verteilen. Das ist natürlich eine äußerst unfreundliche Charakterisierung, zumal darin ja die These mitschwingt, dass Union und FDP auch anderenorts nicht immer glücklich agiert haben. Wer sich allerdings den jüngsten christlich-liberalen Coup einmal näher ansieht, muss zum Ergebnis kommen, dass das harsche Urteil so unberechtigt nicht ist: Aufgrund von Änderungen im Abgabenrecht werden die Bundesbürger im neuen Jahr, einem Wahljahr, um bis zu 240 Euro entlastet - und kein einziger Koalitionär spricht darüber.

Vielleicht ist die gute Nachricht in der noch froheren Botschaft der Weihnachtszeit einfach untergegangen. Vielleicht liegt dem Schweigen aber auch der Schmerz zugrunde, der jeden aufrechten Koalitionär beim Blick darauf ereilen muss, was in den letzten drei Jahren möglich gewesen wäre - wenn die vermeintlichen Wunschpartner ebenso engagiert regiert hätten wie sie gestritten haben. Die jetzt von der Freien Universität Berlin errechneten Zahlen zeigen nämlich als Nebeneffekt, dass die einstige Lieblingsidee der Bundesregierung realisierbar gewesen wäre: eine große Steuerreform, die vor allem die Durchschnittsverdiener entlastet hätte, ohne dabei den Bundeshaushalt zu durchlöchern.

Es ist mehr Zufall denn Ergebnis einer durchdachten Politik, dass 2013 vor allem Menschen mit Einkommen zwischen 400 und 5800 Euro von dem Sammelsurium aus abgabenpolitischen Be- und Entlastungen profitieren werden. Spitzenverdiener dagegen gehen praktisch leer aus. Auf die Idee einer großen Steuerreform übersetzt bedeutet das: Eine zielgenaue, haushaltsschonende Entlastung der Mittelschicht ist möglich, wenn man sich einer Diskussion über eine Gegenfinanzierung an anderer Stelle - sprich: Steuererhöhungen für Höchstverdiener - nicht verschließt. Eine Anhebung des Einkommensteuer-Spitzensatzes von heute 42 auf beispielsweise 47 Prozent hätte dabei ebenso ein Element sein können wie die Erhöhung der Abgeltungsteuer von 25 auf 35 Prozent oder eine deutlich striktere Erbschaftsteuer.

Stattdessen mauerten sich jedoch vor allem die Liberalen so sehr in ihrem "Keine-Steuererhöhungen"-Gefängnis ein, dass am Ende nicht einmal eine Anhebung der Kaninchenstallsteuer mit ihnen machbar gewesen wäre - gäbe es diese denn. Hinter vorgehaltener Hand räumt manch führender Freidemokrat diesen Fehler auch unumwunden ein. Doch unter den Vorsitzenden Westerwelle und Rösler war eine Debatte schier unmöglich: beim einen aus Überzeugung, beim anderen aus Angst.

Diese Koalition, allen voran die FDP, ist nicht an weltpolitischer Unbill wie der Euro-Krise gescheitert, auch nicht an untauglichem Personal, handwerklichen Fehlern, einer hämischen Presse oder gar an Blödheit. Es waren vielmehr die selbst auferlegten Denkverbote, es war das gedankliche Verweilen Vieler in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Daran ist diese Koalition gescheitert.

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