Steuerbetrug:Nur Druck wird verstanden

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Steuerflucht ist kriminell - die Schweiz und andere Steueroasen wollen auch in Zukunft möglichst viel Geschäft damit machen.

Hans Eichel

Es ist ein weltweiter Skandal: Alle ehrlichen Bürger liefern ihre Steuern beim zuständigen Finanzamt ab, unehrliche Wohlhabende und Reiche hingegen verstecken ihr Geld vor dem Fiskus im weltweiten System der Steueroasen.

Hans Eichel (SPD) war Bundesfinanzminister von 1999 bis 2005. Er ist Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing. (Foto: Foto: ddp)

Den Arbeitnehmern zieht die Gehaltsabteilung ihres Unternehmens die Lohnsteuer meist automatisch ab und überweist sie mit allen Daten. Wer dagegen Kapitaleinkünfte hat, kann in vielen Ländern ein großes Geheimnis darum machen; das ist illegal, wenn er dem Finanzamt etwas verschweigt, aber wirksam und meist auch straffrei, weil die Steueroasen Schutz vor Entdeckung bieten.

Der eigentliche Skandal dahinter: Die zwangsweise und freiwillig Steuerehrlichen bezahlen den Staat mit all seinen Leistungen, Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Altenheimen, Straßen, Justiz, Polizei etcetera - die Steuerunehrlichen nehmen ebenfalls seine Leistungen in Anspruch, prellen aber die Zeche. Keine Gesellschaft, kein Staat aber kann auf der Basis, dass der Ehrliche der Dumme ist, dauerhaft gründen, sich die Zustimmung der Bürger sichern.

Ausgeklügeltes System

Dieser Skandal ist in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren weltweit immer größer geworden, immer systematischer, professioneller sozusagen und immer systemischer. Schauplätze sind die Offshore-Finanzzentren und Steueroasen. Besonders bedeutsam ist die Schweiz mit dem weltweit größten Anteil an verwaltetem Ausländervermögen.

Professionelle Akteure sind vor allem Banken, riesige Banken, bis vor kurzem vielfach hoch angesehen. Wie das funktioniert, haben der amerikanische Kongress, die US-Justiz- und Steuerbehörden im Fall der schweizerischen UBS - der größten Vermögensverwalterin der Welt - aufgedeckt: ein ausgeklügeltes System, zugeschnitten auf die speziellen Situationen und Bedürfnisse reicher US-Steuerhinterzieher. Gnadenlos und zu Recht wehrt sich jetzt der amerikanische Staat.

Ist es plausibel, anzunehmen, die UBS habe sich nur in den USA und gegenüber amerikanischen Steuerzahlern so verhalten? Ist es plausibel, anzunehmen, nur die UBS verhalte sich so? Nein, diese Kriminalität sitzt zentral im System.

Die maßlose Gier und die unglaublichen Übertreibungen, die das Weltfinanzsystem und die Weltwirtschaft in den Grundfesten erschüttern und die Globalisierung - das Zusammenwachsen zu einer Welt - ihrer Legitimation zu berauben drohen, sie sind aufs engste verknüpft mit diesen schwarzen Löchern im Weltfinanzsystem. Ohne sie hätte es nie zur Krise dieses Ausmaßes kommen können.

Deutschland muss sich wehren

Frankreich und Deutschland hatten also vollkommen recht, als sie beim Londoner G-20-Gipfel darauf bestanden, keinen Bereich des Weltfinanzsystems mehr unreguliert zu lassen und die Steueroasen zu schließen. Die Betroffenen versprachen Besserung, auch die Schweiz. Wer nun glaubt, damit sei dieser Kampf gewonnen, irrt gewaltig. Er fängt gerade erst richtig an.

Und die Taktik der Schweiz, um beim wichtigsten Fall zu bleiben, ist ja offenkundig: Durch Wohlverhaltenserklärungen, die wenig Substanz haben, will sie aus der Schusslinie kommen, das Thema aus den Schlagzeilen verschwinden lassen.

Währenddessen wird hintenherum der Widerstand der Nutznießer des kriminellen Systems organisiert, breit angelegte Verhandlungen mit ungezählten Ländern über neue Doppelbesteuerungsabkommen werden begonnen, und man knüpft die Zusammenarbeit an hohe Hürden. Für jedes Zugeständnis wird eine Gegenleistung verlangt - kurzum, die Kämpfer gegen die Steueroasen sollen schleichend ihrer Kraft beraubt werden, um so viel wie möglich von diesem kriminellen System zu retten.

Wer den Kampf gegen die Steueroasen gewinnen will, muss wissen: Viele kleine Verhandlungsschritte führen nicht zum Erfolg, sondern zum Erlahmen des Kampfes. Erfolg kommt aber nur durch konsequentes Handeln. Erst das konsequente und unnachsichtige Vorgehen der amerikanischen Justiz und der US-Steuerbehörde haben eine erste Bresche in ein kriminelles UBS-System und das Schweizer Bankgeheimnis geschlagen.

Erst als die UBS vor die klare Alternative gestellt wurde: Mitarbeit an der Aufdeckung der kriminellen Machenschaften und Respektierung der amerikanischen Gesetze oder Strafverfolgung mit allen Konsequenzen und Ende des Nordamerika-Geschäfts der Bank - erst in dem Augenblick lenkten die UBS und der Schweizer Staat wirklich ein.

Was heißt das in dieser Situation? Ziel, Ursachenanalyse und Maßnahmen, die zum Ziel führen, müssen klar sein. Ziel: Der Steuerhinterziehung müssen die Grundlagen, die im Finanzsystem liegen, entzogen werden. Ursachenanalyse: Steuerhinterziehung als bewusste Handlung des Einzelnen gegenüber seinem Staat zu verhindern, dies ist zwar Sache des zuständigen Fiskus.

Da wir aber in einer Welt des freien Kapitalverkehrs und der globalen Finanzmärkte leben, darf es keine Anreize geben, die im System liegen und die sich den Handlungsmöglichkeiten des zuständigen Fiskus entziehen. Genau diese Anreize schaffen aber die Staaten, die sich als Steueroasen der systematischen Zusammenarbeit mit dem jeweils zuständigen Fiskus entziehen und sich stattdessen als Fluchtburgen für Steuerhinterziehung anbieten. Dieser systemische Anreiz muss beseitigt werden.

Das heißt: umfassender Informationsaustausch, um die Besteuerung durch den jeweils zuständigen Fiskus sicherzustellen. Maßnahmen: Keine Steueroase hat bisher freiwillig auf ihre Vorteile verzichtet. Also hilft nur Druck auf die Banken. Banken, die nicht uneingeschränkt mit den Steuerbehörden kooperieren, können auch nicht uneingeschränkt geschäftlich tätig sein.

Wer nicht zweifelsfrei in seinem Geschäftsbereich Beihilfe zu oder auch nur passive Hinnahme von Steuerhinterziehung ausschließt, kann in Deutschland keine Geschäfte machen. Und wer mit solchen Banken Geschäftsbeziehungen pflegt, unterliegt einer besonderen Nachweispflicht, da hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vollkommen recht. Das müssen Schweizer Banken und alle anderen, die betroffen sind, wissen. Und das müssen die Steueroasen wissen.

Deutschland muss sich wehren, am besten zusammen mit Frankreich und Italien, vor allem aber gemeinsam mit den USA. Und in Deutschland müssen sich FDP und vor allem CDU/CSU sehr genau überlegen, auf welcher Seite sie stehen (wollen). Über diesen Skandal muss öffentlich gestritten werden, damit er beendet wird.

© SZ vom 07.05.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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