Steueraffäre Liechtenstein:Kaffee und Kuchen für die Ermittler

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Die Steuerflüchtlinge in der Liechtenstein-Affäre sind anders als andere Steuersünder: Die Ermittler erleben manche Überraschungen.

Hans Leyendecker und Johannes Nitschmann

"Es ist eine Ehre, dass Sie selbst kommen", sagte ein Münchner, als morgens die Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, 53, mit einem Tross von Steuerfahndern in der Tür stand. Er habe, versicherte der ältere Mann, schon viel von ihr gehört.

Nur Gutes? Bei einem Verdächtigen gab es sogar Kaffee und Kuchen für die Ermittler. Und einige reiche, ältere Herrschaften wussten zu berichten, dass sie über die Aufdeckung ihres Liechtenstein-Schatzes geradezu erleichtert seien: "Nun kann ich sterben und das Problem in Liechtenstein ist gelöst", sagte ein bayerischer Millionär.

Das klingt schizophren. Das Liechtenstein-Verfahren läuft, bislang zumindest, völlig anders als normale Steuerstrafverfahren. Viele Gespräche drehen sich ums Erbe, um Selbstanzeigen, um die Zukunft der Kinder, die nicht "mit so was belastet werden sollten", wie ein Kunde der LGT-Bank den Ermittlern eröffnete. Erben von Familienstiftungen beteuerten, sie hätten das Ansehen ihrer verstorbenen Eltern "nicht durch eine Selbstanzeige beschmutzen wollen". Das klingt nett, aber auch die Ermittler wissen nicht, ob das die ganze Wahrheit ist.

Auf der Sonnenseite

Die Bochumer Strafverfolgerin Lichtinghagen, die Dezernentin des Verfahrens ist, beginnt bei solchen Hausbesuchen Gespräche gern mit einem Hinweis: "Sie stehen doch auf der Sonnenseite des Lebens, warum verhalten Sie sich dann sozialschädlich?"

Normalerweise bekommt sie dann patzige Antworten. Nicht so im jüngsten Liechtenstein-Fall. Es ist für ein solch großes Verfahren schon sehr ungewöhnlich, dass nur drei oder vier der Verdächtigen sich bislang widerborstig zeigten.

Die Ermittler notierten in den ersten Tagen gleich 91 Geständnisse. Mehr als 40 weitere Beschuldigte waren auf Reisen, als die Fahnder kamen. Zumeist über Steuerberater nahmen die Ermittler mit ihnen Kontakt auf. Sie erwähnten die Möglichkeit, Haftbefehle zu beantragen, wenn sich die Verdächtigen nicht bald stellten.

Kaum belastendes Material im Haus

Solcher Hinweise, sagt ein Ermittler, bedurfte es "eigentlich gar nicht". Wenn die Beschuldigten angetroffen wurden, holten die Fahnder deren Anwälte und Steuerberater hinzu. Im Beisein der Ermittler telefonierten die geständigen Steuersünder mit der Bank in Liechtenstein, nannten ihr Codewort und ließen sich den aktuellen Kontostand ihrer Stiftung faxen. Bei den Razzien wurden kaum belastende Unterlagen gefunden, weil die Liechtensteiner Banken angeblich ihren Kunden empfehlen, nichts Verdächtiges zu Hause aufzubewahren.

Bis zum Freitag lagen bei Finanzämtern weit mehr als 100 Selbstanzeigen vor. Viele haben nichts mit Liechtenstein zu tun. "Die Leute wollen sich nach der jüngsten Berichterstattung nur steuerehrlich machen", sagt ein Ermittler. "Sie wollen keine Fahnder im Haus haben".

Viele Selbstanzeigen kommen zu spät. Etwa zehn Minuten, nachdem die Fahnder aus dem Ruhrgebiet ein sehr traditionsreiches Münchner Bekleidungshaus betreten hatten, traf bei dem zuständigen Münchner Finanzamt eine Selbstanzeige ein. Zu spät, wie die Faxkennung zeigte. "Da war die Pechmarie unterwegs", sagt ein Beamter. Aber auch dieser Fall, da sind sich die Ermittler sicher, wird noch hakelig werden.

Allein bei vier von fünf in Deutschland heimgesuchten Banken wurden Verfahren gegen Sachbearbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet, weil die Geldleute systematisch Liechtenstein-Transfers auf als Familienstiftungen getarnte Anlegerkonten vermittelt und organisiert haben sollen. "Die werden uns nicht zu Kaffee und Kuchen bitten", mutmaßt ein Ermittler. "Da wird wieder gekämpft werden."

© SZ vom 1.3.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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