Steuerabkommen mit der Schweiz:"Ehrliche Deutsche sind doof"

Die Bundesregierung will sich Milliarden Euro von Steuerhinterziehern holen, die ihr Geld in die Schweiz gebracht haben. Die sollen dafür anonym und unbehelligt bleiben - das bringt den Vorsitzenden der Steuergewerkschaft in Rage. Womöglich droht gar eine Verfassungsklage.

Alexander Hagelüken und Wolfgang Koydl

Es soll ein Deal werden, wie ihn Finanzminister lieben: Viel Geld, wenige Fragen und möglichst gar kein Genöle von der Opposition oder den eigenen Parteifreunden. In den nächsten Wochen möchte Wolfgang Schäuble mit der Schweiz vereinbaren, deutsche Steuersünder zu packen, die Vermögen in der Alpenrepublik verstecken. Sie sollen einmalig 20 bis 30 Prozent auf ihr Fluchtkapital zahlen. Schäuble erhofft sich davon bis zu zehn Milliarden Euro. Doch der Deal läuft weniger glatt als erhofft. Die Regierung bekommt Ärger mit Fachleuten, der Opposition - und womöglich dem Bundesverfassungsgericht.

Schlagbäume bleiben trotz Schengen-Abkommen stehen

Ab hier werden weniger Steuern gezahlt: die Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland bei Lörrach.

(Foto: dpa)

Schäuble lässt sich von der Schweiz bequatschen", wettert beispielsweise der Münchner Steueranwalt Jan Olaf Leisner. Der Grund: "Wer es besonders wild getrieben hat, der wird bei diesem Deal belohnt." Leisner macht eine Rechnung auf: Wer unversteuertes Einkommen in die Schweiz brachte, lange keine Zinsen meldete und sich später selbst beim Finanzamt anzeigt, verliert bis zu 70 Prozent des Kapitals, weil er nachzahlen muss. Mit 20 bis 30 Prozent Verlust beim geplanten Ablass-Modell mit der Schweiz fährt ein Hinterzieher deutlich besser - obwohl er sich bis heute vor dem Fiskus versteckt. Besonders bevorzugt sind diese Steuersünder gegenüber den vielen Bundesbürgern, die ihre Kapitaleinkünfte von Bankkonten, Aktien oder Fonds immer alles brav mit dem Finanzamt teilten. "Ehrliche sind doof", klagt Leisner.

Von einem "Schlag ins Gesicht" für ehrliche Bürger und Selbstanzeiger spricht auch Thomas Eigenthaler, Chef der Gewerkschaft der Finanzbeamten. Die Bundesregierung gebe ihren Strafanspruch gegen Hinterzieher auf - und das alles für einen "Discount-Steuersatz". Eigenthaler fordert, die Fiskus-Flüchtigen müssten mindestens 42 Prozent zahlen, den Spitzensatz, der bis zur Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge 2009 (pauschal 26 Prozent inklusive Soli) maximal galt. Die SPD-Abgeordnete Nicolette Kressl warnt vor einer Amnestie außerhalb der regulären Gesetzgebung.

Die Bundesregierung drückt aufs Tempo. Alle Versuche bisher brachten nur begrenzten Erfolg. Die Politik startete Amnestien, lockt mit der Selbstanzeige, die dem Hinterzieher Gefängnis erspart - und sie kauft gestohlene CDs mit Bank-Daten, was mächtig Druck auf Unehrliche ausübt. Trotzdem lagern nach Schätzungen noch 200 Milliarden Euro Fluchtkapital in der Schweiz. An dieses Geld will Schäuble nun 'ran. Der geplante Deal: Künftig wird auf die Kapital-Erträge von Deutschen in der Schweiz pauschal 26 Prozent Steuer fällig, wie in Deutschland. Für die Vergangenheit sollen die Schweizer Banken erstmal einen Milliardenbetrag aus ihren Gewinnen nach Berlin überweisen. Und dann mit ihren Kunden eine Nachzahlung von bis zu 30 Prozent auf das Fluchtkapital aushandeln. Außerdem sollen die Schweizer Behörden schneller Amtshilfe leisten, damit die Deutschen auf die Spur von unversteuertem Einkommen stoßen, das in die Schweiz gebracht wurde.

Die Schweizer Banken streiten

Schon die Vorstellung, wie die Hinterzieher mit ihrer Schweizer Bank, die ihnen gern beim Hinterziehen half, die Nachzahlung aushandeln, ist seltsam genug. Richtige Empörung lösen die Details aus. Wer sein Schwarzgeld lange in der Schweiz bunkerte, der kommt mit dem neuen Ablassdeal nicht nur billiger weg als Selbstanzeiger oder ehrliche Bürger. Er bleibt auch künftig für das deutsche Finanzamt anonym. Vorteil: Er kann beispielsweise das Schwarzgeld vererben und seine Nachkommen können die Erbschaftsteuer hinterziehen. Kein irreales Szenario, viele Hinterzieher sind 60 Jahre und älter.

Anwalt Leisner rechnet damit, dass der Deal vor dem Bundesverfassungsgericht endet. "Die Karlsruher Richter haben Amnestien nur für begrenzte Ausnahmefälle und bei hoher Rechtfertigung erlaubt." Die Rechtfertigung stehe in Zweifel. Und von einer Ausnahme könne man auch nicht sprechen, da die letzte Amnestie erst im Jahr 2005 stattgefunden habe.

In der Schweiz ist ein Streit zwischen den Banken ausgebrochen. So verwahren sich kleinere Geldinstitute dagegen, bei der Finanzierung der Altlasten in vergleichbarem Umfang zur Kasse gebeten zu werden wie die Großbanken. Dabei geht es um die geplante Abschlagsumme an den deutschen Fiskus. Ein Schweizer Banker wurde unlängst mit der Schätzung einer Summe von zwei Milliarden Franken zitiert. Kürzlich hat der Schweizer Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz als erster Banker öffentlich erklärt, keinen Beitrag zur Finanzierung der Altlasten übernehmen zu wollen, weil sein Institut nur wenige ausländische Kunden habe.

Ähnlich wird auch in anderen Geldhäusern argumentiert, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Im Gegensatz dazu sind Großbanken an einer raschen Einigung interessiert, da sie so schnell wie möglich die Altlasten legalisieren wollen. Sie können die Kosten leichter stemmen als kleinere Institute, "für welche die Einigung im Extremfall existenzgefährdend werden könnte" so ein Banker.

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