Steuerabkommen Deutschland - Schweiz:Das klitzekleine Geheimnis

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Die Schweizer geben das Bankgeheimnis auf? Aber nein! Ausländische Anleger bleiben anonym. Und doch haben die Schweiz und Deutschland ihren Steuerstreit beendet - davon profitieren beide Seiten.

Thomas Kirchner

Der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz hat es recht ungemütlich gehabt in seiner siebenjährigen Amtszeit. Ein Gehetzter war er, stets auf der Flucht vor der Meute seiner Kollegen, die das Bankgeheimnis schleifen wollten. Zwischendurch musste er sich in der Geiselaffäre von Gaddafi demütigen lassen und nach einem Infarkt um sein Leben fürchten. Seinen letzten Tag als Minister allerdings begeht der Mann mit einem Triumph. Wenn Merz und Wolfgang Schäuble an diesem Donnerstag das Ende des Steuerstreits verkünden, kann sich der Schweizer als Retter des Bankgeheimnisses feiern lassen.

Der frühere Finanzminister Peer Steinbrück wollte die Schweiz mit der Peitsche in die Knie zu zwingen - Schäuble hat es anders gemacht. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Dieses Bankgeheimnis steht zwar nicht mehr ganz so formidabel da wie zu der Zeit, als es den Schweizer Banken Milliardenprofite mit dem Schwarzgeld ausländischer Anleger bescherte. Der Damm brach 2009, als die Schweiz im Zuge der UBS-Affäre ihre spitzfindige Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug aufgeben musste. Amtshilfe leisten die Behörden jetzt in beiden Fällen.

Aber die Vereinbarungen, die mit Großbritannien und nun mit Deutschland geschlossen wurden, lassen das Bankgeheimnis doch in einem für die Schweiz wesentlichen Punkt intakt: Der ausländische Anleger - also auch der Steuersünder - bleibt anonym, das zuständige Finanzamt erfährt auch in Zukunft nicht, wie viel Geld bei welcher Schweizer Bank liegt. Genau deswegen wollte die EU die Schweiz unbedingt in ihren "automatischen Informationsaustausch" einbeziehen. Daraus wird nun nichts. Berlin und London setzen den Trend, die anderen werden folgen.

Peer Steinbrück gedachte, die Schweiz mit der Peitsche in die Knie zu zwingen, über Alternativen zum Informationsaustausch wollte er nicht einmal reden. Warum hat sich sein Nachfolger Schäuble von dieser Position verabschiedet? Persönliches mag einfließen. Der Badener schätzt die Schweiz ein bisschen mehr als Steinbrück, und als bürgerlicher Politiker achtete er vielleicht ein bisschen mehr auf die Interessen der begüterten Klientel.

Am Ende hat sich Schäuble vom Schweizer Pragmatismus anstecken lassen. Warum noch jahrelang mit den widerspenstigen Bernern um eine Maximallösung ringen - und dabei die Beziehungen vergiften -, wenn man schon jetzt den Spatz in der Hand halten könnte? Wobei es sich um einen außerordentlich fetten Spatz handelt. Über die Details wird erst verhandelt, aber Schäuble rechnet mit der nun vereinbarten Strafsteuer auf Schwarzvermögen. Dieses Vermögen würde durch die Abgabe legalisiert. Die Abgabe aber könnte dem Bundeshaushalt selbst nach vorsichtigen Schätzungen einmalig einen zweistelligen Milliardenbetrag einbringen. Hinzu kommen Hunderte Millionen Euro jährlich, die aus künftigen Erträgen über eine Abgeltungsteuer nach Deutschland fließen. Das ist mehr als nichts. Und außerdem kommen die Schweizer den Deutschen und den Briten bei der Amtshilfe zusätzlich entgegen. Es wird also leichter, Steuersünder zu verfolgen, gegen die ein konkreter Verdacht vorliegt.

Die Höhe der Abgeltungsteuer richtet sich sinnvollerweise nach ihrem Äquivalent in Deutschland, es ist also mit einem Satz von etwa 25Prozent zu rechnen. Der fiskalische Vorteil ist künftig also kein Argument mehr für eine Geldanlage in der Schweiz. Die Schweizer Banken müssen sich darauf einstellen, dass ein Teil der ausländischen Gäste die Flucht ergreift. Es besteht indes kein Anlass zur Sorge um die Institute. Sie erhalten im Gegenzug leichteren Zugang zum deutschen und britischen Finanzmarkt.

Ein bitterer Streit ist damit beigelegt worden. Das ist zu begrüßen. Angesichts der Umstände mag die Schweiz einen leichten diplomatischen Punktsieg für sich verbuchen, aber es profitieren eindeutig beide Seiten. Die einzigen, die verlieren, sind die Datendiebe. Ihre CDs braucht jetzt niemand mehr.

© SZ vom 28.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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