Steuer-Selbstanzeigen:Ungerecht, aber rentabel

Dass Steuersünder straffrei davonkommen, wenn sie sich selbst anzeigen, ist in der Gesellschaft durchaus unpopulär. Dem Staat bringen die Anzeigen jedoch fast nur Vorteile. Dennoch sollen künftig verschärfte Kriterien für die Straffreiheit gelten.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Wer im Tante-Emma-Laden um die Ecke immer wieder mal etwas hat mitgehen lassen, zu guter Letzt aber doch reumütig zur Polizei marschiert, kann vor Gericht mit Milde rechnen - nicht jedoch mit Straffreiheit. Gleiches gilt für den notorischen Schwarzfahrer oder den Musikliebhaber, der über das Internet Hunderte Titel illegal heruntergeladen hat.

Anders der Steuerhinterzieher, der über Jahre hohe Summen vor dem Fiskus versteckt hat: Stellt er sich den Behörden und zahlt das Geld nebst Zinsen nach, wird ihm nicht nur Milde, sondern umfassende Vergebung zuteil. Das gilt selbst dann, wenn die Selbstanzeige weniger auf Einsicht als auf ganz profanen taktischen Erwägungen beruht.

Der Staat misst also bei der Behandlung von kleinen Ladendieben und großen Steuertricksern ganz offensichtlich mit zweierlei Maß. So empfinden es zumindest diejenigen, denen die sogenannte strafbefreiende Selbstanzeige für Steuerhinterzieher von jeher ein Dorn im Auge ist. Die Finanzminister von Bund und Ländern wollten diesen Vorwurf parteiübergreifend nicht länger auf sich sitzen lassen und beauftragten im vergangenen Juli ihre Fachbeamten mit einer Bewertung der bisherigen Praxis.

Das Ergebnis liegt nun vor - und wird die Kritiker wenig erfreuen: Aus Sicht der Experten nämlich hätte eine Abschaffung der Selbstanzeige nur wenige Vor-, dafür aber umso mehr Nachteile. Sie plädieren deshalb dafür, an der bisherigen Praxis festzuhalten, die Kriterien für die Straffreiheit allerdings zu verschärfen.

Die Arbeitsgruppe begründet ihre Haltung sowohl mit "kriminalpolitischen" als auch mit fiskalischen Erwägungen. Demnach bliebe bei einer Abschaffung der bisherigen Regel "eine Vielzahl von Steuerstraftaten unentdeckt, da es den Strafverfolgungsbehörden an Ermittlungsansätzen fehlen" würde. "Durch die Selbstanzeige wird den Behörden die Aufklärung der steuerlichen Sachverhalte deutlich erleichtert beziehungsweise in einer Vielzahl von Fällen erst ermöglicht", heißt es in der 55-seitigen Expertise. Das gelte vor allem für diejenigen Fälle, in denen Bundesbürger ihr Geld im Ausland versteckt hätten.

Kriterien für die Straffreiheit werden verschärft

Darüber hinaus wäre es den Experten zufolge kaum noch möglich, Mittäter und Anstifter, etwa Bankmitarbeiter, zu überführen. Schließlich würden mutmaßliche Steuerhinterzieher kaum gegen ihre Helfer aussagen, solange sie befürchten müssten, sich damit selbst zu belasten. Auch die politisch verabredete Einführung eines automatischen Informationsaustauschs zwischen ausländischen Banken und den Finanzämtern ihrer Kunden kann die Selbstanzeige aus Sicht der Arbeitsgruppe vorerst nicht ersetzen. Selbst wenn der neue Standard tatsächlich komme, werde schon die EDV-Umstellung erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.

Neben den ermittlungstaktischen Überlegungen sprechen aus Sicht des Arbeitskreises auch haushaltspolitische Gründe dafür, die geltenden Regeln beizubehalten. Zwar gebe es wegen der unterschiedlichen Zählweisen der Länder keine exakten Angaben darüber, wie hoch die Mehreinnahmen sind, die auf Selbstanzeigen zurückgehen. Es sei aber unbestritten, dass ohne die Selbstanzeige viel mehr Personal notwendig wäre, um auch nur annähernd ähnliche Erträge zu erzielen.

Wie bereits berichtet (SZ vom 2. Januar), wollen Bund und Länder die Kriterien, die für die Straffreiheit erfüllt sein müssen, aber zumindest verschärfen. Um in den Genuss der umstrittenen Sonderregel zu kommen, sollen Hinterzieher künftig alle relevanten Informationen der vergangenen zehn Jahre offenlegen müssen. Bisher müssen sie nur für die letzten fünf Jahre reinen Tisch machen. Außerdem könnte die Schwelle von 50.000 Euro herabgesetzt werden, ab der von schwerer Steuerhinterziehung gesprochen wird. Wer darüber liegt, bleibt bisher nur dann straffrei, wenn er neben der Rückzahlung der Steuerschuld samt sechs Prozent Zinsen auch einen Strafzuschlag von fünf Prozent abführt. Im Gespräch ist auch, diesen Zuschlag auf 7,5 Prozent zu erhöhen oder ihn - je nach Schwere der Tat - in einem Rahmen von zwei bis zehn Prozent zu staffeln.

Die Finanzminister von Bund und Ländern wollen den Bericht ihrer Fachleute noch im ersten Quartal dieses Jahres erörtern. Mit einem konkreten Gesetzesantrag wird für die zweite Jahreshälfte gerechnet.

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