Steinbrück fordert Regeln:Acht-Punkte-Plan für den Finanzmarkt

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück stellt "Verkehrsregeln" für die westlichen Industrieländer auf - und will so Stabilität auf den Finanzmärkten gewährleisten.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) will die anderen führenden Industrieländer für schärfere Regeln bei der Haftung von Bankmanagern gewinnen. In einem am Mittwoch in Berlin bekanntgewordenen Brief an die anderen G-7-Länder fordert Steinbrück, dass Finanzmanager stärker persönlich haftbar gemacht werden müssten.

Steinbrück fordert Regeln: Steinbrück fordert klare Regeln für den Finanzmarkt.

Steinbrück fordert klare Regeln für den Finanzmarkt.

(Foto: Foto: dpa)

Keine Millionenabfindungen mehr

"Es ist in der aktuellen Situation einfach unmöglich, der Öffentlichkeit zu erklären, warum Entscheidungsträger in den Unternehmen nicht für Fehleinschätzungen verantwortlich gemacht werden." Diese Manager würden stattdessen in Einzelfällen immer noch mit Millionenabfindungen verabschiedet. Es seien internationale Standards für eine stärkere persönliche Haftung nötig.

Der Vorstoß Steinbrück ist Teil eines Acht-Punkte-Plans für neue "Verkehrsregeln" auf den internationalen Finanzmärkten. Er will diesen Vorschlag beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden westlichen Industrieländer (G 7) an diesem Freitag in Washington unterbreiten. Deutschland pocht aber auf seiner Eigenständigkeit bei der Krisenbewältigung und lehnt Rettungspakete ab.

Steinbrück will Verbot von Leerverkäufen

Die G-7-Länder USA, Deutschland, Japan, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada treffen sich vor der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank am Wochenende. Beherrschendes Thema werden auch dort die Finanzmarktkrise und Auswirkungen auf die Wirtschaft weltweit sein.

An das reguläre G-7-Treffen schließt am Wochenende die Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank an.

In seinem Brief betonte Steinbrück noch einmal den Ernst der Lage. Die Finanzwelt sei noch nicht einmal annähernd aus dem Gröbsten heraus: "Es gibt bisher keine Anzeichen, wann diese Krise enden könnte." Die größte Herausforderung sei es, jetzt das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen.

Dazu schlägt er Reformen vor, die er schon Ende September im Bundestag benannt hatte. So sollten Banken riskante Geschäfte nicht mehr außerhalb ihrer Bilanzen in Zweckgesellschaften verstecken dürfen. Zudem müssten die Institute, die sich zurzeit kaum noch Geld leihen, größere Liquiditätspuffer anlegen.

Zudem will er die Haftungsregeln für Marktteilnehmer vereinheitlichen und die kurzfristigen Anreizsysteme für Manager verändern. Hoch spekulative Wetten auf fallende Kurse (Leerverkäufe) will er verbieten, die Kooperation der Aufsichtsbehörden verbessern und den IWF enger mit anderen Organisationen verzahnen. Zudem sollen Banken ihre Kreditrisiken nicht mehr voll weiterreichen dürfen.

Steinbrücks Staatssekretär Jörg Asmussen sagte, zur Sprache kommen werde auch das Bilanzierungsrecht, das vielen Instituten in der Krise Probleme macht. Nach internationalem IFRS-Standard müssen sie Finanzanlagen nach dem Marktwert bilanzieren. Viele Papiere werden aber nicht mehr gehandelt, was Banken zu hohen Abschreibungen zwingt.

Die europäischen G-7-Regierungschefs und die EU-Finanzminister hatten bereits gefordert, den Banken zu erlauben, Anschaffungswerte anzusetzen. Außerdem sollen sie die Anlagen für ihr Eigenkapital schonender verbuchen dürfen. Die US-Börsenaufsicht war hier bereits vergangene Woche vorgeprescht.

Deutschland setzt auf Einzelfalllösungen

Asmussen zufolge gibt es außerdem Überlegungen, den Markt für Kreditversicherungs-Geschäfte (Credit Default Swaps, CDS) auf eine neue Grundlage zu stellen. Hinter dem technischen Kürzel verbirgt sich ein globales Marktvolumen von gigantischen 60.000 Milliarden Dollar. Bisher schließen Banken CDS-Geschäfte bilateral ab, wobei das Risiko besteht, dass einer der Partner ausfällt. Asmussen zufolge wird daran gedacht, stattdessen einen geregelten transparenten CDS-Börsenhandel zu etablieren. Damit soll neuen Risiken im Weltfinanzsystem vorgebeugt werden.

Bei der akuten Krisenbewältigung setzt Deutschland dagegen auf nationale Ansätze und Einzelfall-Lösungen für ins Trudeln kommende Banken. Asmussen begrüßte zwar das milliardenschwere Rettungspaket für die britische Bankenbranche, das die Regierung von Gordon Brown am Morgen bekanntgegeben hatte. Er unterstrich aber: "Jedes Land muss so reagieren, wie es seinem Finanzsektor angemessen ist." Brown forderte dagegen die anderen G7-Länder auf, ähnliche nationale Garantien für ihre Banken aufzulegen. Für den Interbanken-Handel sollten die G 7 gemeinsam garantieren.

Die japanische Regierung rechnet trotz der Differenzen mit einem starken Signal der G 7 zur Stabilisierung der Märkte. Ein Regierungssprecher sagte in Tokio, Japan werde im Kreis der G 7 darauf dringen, dass notfalls auch öffentliche Gelder zur Rekapitalisierung von kippenden Banken eingesetzt würden. Mit der Finanzkrise werden sich voraussichtlich noch in diesem Jahr auch die Regierungschefs der sieben führenden Wirtschaftsmächte und Russlands (G8) befassen. Asmussen sagte, daran sollten auch die großen Schwellenländer teilnehmen.

Auf der nächsten Seite: Steinbrücks Acht-Punkte-Plan im Detail.

Acht-Punkte-Plan für den Finanzmarkt

In einem Brief an seine Amtskollegen schlägt Steinbrück einen Acht-Punkte-Plan vor, der wirksame Regeln für mehr Stabilität auf den Finanzmärkten enthält:

1. Finanzinnovationen sollen transparent werden: Banken sollen verpflichtet werden, innovative Instrumente in ihre Bilanzen aufzunehmen. Damit unterlägen sie den Vorschriften für die Kapitalmärkte.

2. Als Konsequenz aus der Liquiditätskrise und dem Einfrieren des Interbankengeschäfts sollen rasch genau quantifizierte Liquiditätspuffer eingeführt werden.

3. Manager sollen für Fehlentscheidungen gerade stehen. Steinbrück schlägt internationale Standards für eine stärkere persönliche Haftung der Finanzmarktakteure vor. Diese soll sowohl ihrer unternehmerischen als auch der gesellschaftlichen Verantwortung Rechnung tragen.

4. Die Gehalts- und Prämiensysteme in der Finanzbranche sollen auf den Prüfstand. Steinbrück will gemeinsame Standards finden, etwa ein internationaler Verhaltenskodex für eine verantwortungsvolle Geschäftsführung, der von Unternehmen übernommen werden sollte.

5. Die G-7 sollten ihre Frühwarnkapazitäten stärken: Der Internationale Währungsfonds (IWF) und das Forum für Finanzstabilität (FSF) sollen enger zusammenarbeiten. IWF und FSF könnten einen gemeinsamen jährlichen Bericht zur Stabilität auf den Finanzmärkten vorlegen.

6. Das sogenannte Short Selling (Leerverkäufe) soll verboten werden. Beim Short Selling wetten Anleger auf sinkende Kurse eines Unternehmens, um von fallenden Börsenkursen zu profitieren. Dies ist nicht illegal, in Deutschland aber bis Jahresende für bestimmte Aktien untersagt.

7. Banken sollen für ausgegebene Kredite mehr Verantwortung übernehmen und diese nicht mehr vollständig verbriefen können. Steinbrück schlägt einen Eigenbehalt von 20 Prozent vor.

8. Steinbrück strebt eine engere Zusammenarbeit der nationalen Finanzaufsichtsbehörden an. In Europa sei einer weiteren Harmonisierung der Aufsicht in Arbeit: "Einen entsprechenden Prozess sollten wir auch auf internationaler Ebene rasch einleiten", heißt es in seinen "Verkehrsregeln" abschließend.

Über seine Vorschläge will Steinbrück mit seinen Kollegen der G-7-Staaten auf der bevorstehenden Herbsttagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds in Washington diskutieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: