Steigender Ölpreis:Kreislauf der Süchtigen

Schlag für die Konjunktur: Der Ölpreis steigt, weil Verbraucher und Hersteller nur auf billiges Benzin und schnelles Geld aus sind.

Andreas Oldag

Innerhalb weniger Monate hat sich der Ölpreis auf fast 70 Dollar je Fass verdoppelt. Die Auguren an den internationalen Rohstoffbörsen rechnen bereits mit einem weiteren Anstieg des Preises auf 85 Dollar je Fass bis Ende dieses Jahres.

Öl, Förderanlage, Venezuela, AP

Öl-Förderanlage in Vernezuela: Förderstaaten diktieren das Geschäft oft über ihre Staatsfirmen.

(Foto: Foto: AP)

Das ist zwar noch weit entfernt vom 147-Dollar-Spitzenwert im Sommer vergangenen Jahres. Doch an den Märkten wetten viele Spekulanten schon wieder auf eine neue Hausse. Steht der Welt der nächste Ölpreisschock bevor - und damit ein längerer Aufenthalt im Jammertal der Konjunktur?

Die Fieberkurve des Öls ist ein Indiz dafür, wie wenig die Verbraucher bereit sind, von ihrer Sucht zu abzulassen. Vor allem im Land der Benzinjunkies, den USA, spulen die Autofahrer inzwischen wieder deutlich mehr Meilen auf den Highways ab. Noch ist der Sprit relativ billig. Doch die gewachsene Nachfrage wirkt sich bereits an den Ölmärkten aus.

Der Rohölpreis steigt. Darüber kann sich nicht nur das Ölförderkartell Opec freuen, sondern auch die Ölindustrie.

Noch immer ist der Ölverbrauch eng an das Wirtschaftswachstum gekoppelt. So entwickelt sich regelmäßig ein typischer Boom- und Crash-Zyklus. Höhere Nachfrage heizt die Preise an. Zudem ist Öl eine begehrte Zockerware. Hedge-Fonds schließen milliardenschwere Wetten mit Öl-Terminkontrakten ab. Das verstärkt die Unberechenbarkeit von Preisbewegungen und führt zu aberwitzigen Spekulationsblasen, die irgendwann platzen.

Im Unterschied zu Finanzprodukten ist Öl allerdings ein endliches Gut. Die Lagerstätten gehen infolge des wachsenden Energiehungers der Welt, insbesondere auch der Schwellenländer wie China und Indien, unaufhaltsam zu Neige. Das sollte die Förderindustrie eigentlich zu einer besonders umsichtigen Investitionsstrategie veranlassen.

Korruption und Schlendrian

Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Jahrelang hat die Branche an der Wall Street nach Geld gebohrt, aber ihr Kerngeschäft - die Exploration und Förderung von Öl - vernachlässigt. Gewinne von "Big Oil" flossen stattdessen in Aktienrückkaufprogramme und Dividendenzahlungen. Die Unternehmen betrieben damit Kurspflege, um ihre renditehungrigen Anleger zufriedenzustellen.´

Und noch immer sitzen Konzerne wie Exxon Mobil auf milliardenschweren Kapitalreserven. Der Ölpreisverfall in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hat die Investitionslust weiter gebremst. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur IEA in Paris gehen die Investitionen in Erschließung und Förderung in diesem Jahr weltweit um 15 bis 20 Prozent zurück. Dabei müsste die Ölwirtschaft in den nächsten 20 Jahren mindestens vier neue Saudi Arabiens erschließen, um die Versorgung zu sichern.

Investitionsmüdigkeit grassiert nicht nur in den Chefetagen westlicher Ölkonzerne. Auch die Staatsfirmen der Förderstaaten scheuen das unternehmerische Risiko, obgleich sie mittlerweile etwa 90 Prozent der Reserven in aller Welt kontrollieren.

Dort sind es allerdings vor allem Bürokratismus, Korruption und Schlendrian, die zu notorischer Misswirtschaft führen. Prototyp ist die staatliche venezolanische Ölgesellschaft PDVSA, in der Seilschaften des Präsidenten Hugo Chavez das Sagen haben.

Das Nachsehen haben die Verbraucher: Sie stehen am Ende einer Kette von kurzsichtigen Investitionsentscheidungen und Öl-Spekulationsgeschäften. Die Konsumenten sind allerdings nicht nur Opfer. Sie können sich aus dem Griff der Öl-Abhängigkeit befreien, wenn sie sich für eine konsequente Entziehungskur entscheiden würden.

Klugerweise sollte der Staat dabei helfen. Er kann durch Steueranreize noch stärker spritsparende Autos fördern. Aber auch die Opec sollte den Konsumenten einen Gefallen tun, wenn sie bei ihrem nächsten Treffen Anfang September in Wien die Preise stabil hält. Eine Preissenkung würde nur die alte Sucht verschlimmern.

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