Stadtteile:Ludwigs- und Isarvorstadt

Im Glockenbach-, Schlachthof- und Gärtnerplatz-Viertel wird gelebt, gefeiert und geschlachtet. Unsere Bildergalerien fangen das Vorstadt-Leben ein.

Isarvorstadt: Dorfidyll und Yuppietum Wenn der Westermühlbach plätschert, die Sonne durch die Allee an seinem Ufer leuchtet, wenn Frauchen dort ihre Hunde Gassi führen und alte Männer mürrisch den Radfahrern nachschauen - dann fühlt man sich für ein paar Minuten beschauliche Wegstrecke mitten in München wie auf dem Dorf. Mitten in München: im Glockenbachviertel, im Herzen der Isarvorstadt.

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(Foto: Grafik: SZ)

Zentrum der Schwulen-Gemeinde

Hier wohnen 45.000 Menschen - das ist eine Kleinstadt für sich. Und kaum hat der Spaziergänger das Bach-Idyll verlassen, die Holz-, Westermühl- und Hans-Sachs-Straße erreicht, bekommt er einen Eindruck von der Vielfalt dieses Viertels.

Dorf-Atmosphäre, Yuppietum, Freizeitparadiese und Subkultur gehen ineinander über. Hier ist das Zentrum der Münchner Schwulen-Gemeinde. Es gibt kaum ein Blumengeschäft, kaum einen Friseur, kaum eine Kneipe oder Buchhandlung ohne regenbogenfarbene Gay-Pride-Fahne im Fenster. Es ist ein Amüsier-Viertel mit einer Fülle von Kneipen und Restaurants: feine Steh-Italiener neben rustikalen bayerischen Wirtshäusern, angesagte Clubs neben Abstürz-Eckpinten neben teuren, angesagten Sushi-Lokalen.

Wo der Bauarbeiter keine Brotzeit bekommt

Zu teuer und angesagt sei ihr Revier geworden, beklagen viele alteingesessene Glockenbachviertler. Der Straßenkehrer Franky Eydner zum Beispiel, der hier aufgewachsen ist und seit 18 Jahren sauber macht. Jeder kennt und grüßt ihn. Als Streetworker im wörtlichen Sinn kümmert er sich in Gesprächen um die Nöte der Jugendlichen und wurde durch zwei Film-Dokumentationen des Bayerischen Rundfunks weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Wenn man sich mit ihm über die Veränderungen des Viertels unterhält, wird Franky sauer: "Nur noch reiche Schnösel ziehen her, Familien können sich die Mieten nicht mehr leisten, die Bauarbeiter kriegen nirgends mehr eine Brotzeit, weil nur noch In-Essen verkauft wird."

Der Yuppie-Magnet

Dies ist die Kehrseite des Glockenbachviertels, das mit seiner Zentrumsnähe, seinem Ausgeh-Angebot und durch den "Entmiet"- und Sanierwahn der Hauseigentümer sicher auch in Zukunft ein Yuppie-Magnet bleiben wird.

Die übrige Isarvorstadt ist nicht weniger reizvoll. Da ist der Gärtnerplatz mit seinem neoklassizistischen Staatstheater, einer auffällig schnell wachsenden Anzahl von teuren Boutiquen und hippen Bars und Clubs. Da ist der alte, stillgelegte südliche Friedhof hinter seinen enorm hohen roten Backsteinmauern - wo Pärchen und Familien in Gesellschaft berühmter Toter Picknick machen. Da ist der verkehrsreiche, laute Goetheplatz - wo ruhige, villengesäumte Straßen zum Oktoberfest-Gelände abzweigen. Da ist die Gegend um den Schlachthof - wo die Isarvorstadt zwar schmucklos, aber noch bezahlbar ist.

Wo die Zeit stehen geblieben scheint

Da ist das Dreimühlenviertel mit seinen eindrucksvollen Gründerzeit-Fassaden und wunderschönen Kopfsteinpflastern - wo man in menschenverlassener Morgenfrühe meinen könnte, die Zeit sei stehen geblieben. Da ist die zum Glück noch kaum entdeckte Vergnügungsmeile Ehrengutstraße mit ihren Kneipen, Eisdielen und Terrassencafés - wo sich vor allem die Nachbarschaft trifft, weil lärmende Szene-Nomaden von der mangelhaften Anbindung an den öffentlichen Verkehr abgeschreckt werden. Da ist der von Open-Air-Lokalen gesäumte Roecklplatz mit Springbrunnen, Spielplatz und einem konvex geschwungenen, neubarocken Wohnblock - wo sich abends die Kinder beim Ballspielen austoben. Und da ist natürlich die Isar selbst mit ihren Auen, Kiesbänken und Jogging-Strecken - das Münchner Erhol-Gebiet schlechtin. Dort, spätestens am Flussufer sitzend und in den Sonnenuntergang blinzelnd, ist es wieder da: das idyllische Isarvorstadt-Gefühl.

Schlachthofviertel: Aufwertung droht Wenn man durch die Ruppertstraße oder die Schmellerstraße geht, sieht man immer häufiger Gerüste. Baugerüste. Immer wieder verschwinden graue, unscheinbare Wände hinter blauen Planen. Monate später, wenn die Hüllen fallen, lacht eine helle, rausgeputzte Fassade in die Straße seines Viertels hinein. Noch ist das Quartier, das so nah an der Innenstadt liegt, anders als die anderen Viertel, als Gärtnerplatz oder Glockenbach. Nicht so schick. Normal. Noch normal.

Denn noch gehört das Schlachthofviertel, südwestlich der Münchner City gelegen und etwa zwanzig Minuten Fußweg vom Marienplatz entfernt, zu den Geheimtipps für Wohnungssuchende. Dort sind Mieten oft noch erschwinglich, sind die Yuppies noch nicht zu Hause.

Vertreibung der Alteingesessenen

Ein Refugium für die schlechter Verdienenden? Ein Phänomen, mitten in der Stadt, die Deutschlands höchste Mieten hat? - Wenn man genau hinschaut, kann man auch in dem dicht bebauten Quartier mit seinen etwa 5000 Bewohnern das beobachten, was ein paar hundert Meter weiter schon vor ein, zwei Jahrzehnten eingesetzt hat. Stadtplaner sagen Aufwertung dazu, Alteingesessene nennen es Vertreibung.

Schlachten und wohnen

Das Schlachthofviertel ist ganz untypisch, nicht nur für München. Frank Schröder, Sozialgeograf an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, kennt kein anderes Viertel in einer vergleichbaren deutschen Stadt, das so verschont worden wäre vom üblichen Rausputz. Überall, ob in Hamburg oder Frankfurt, wurden die citynahen Gebiete von der Industrie "befreit".

München macht mit seinem Schlachthof eine Ausnahme: Man will ihn inmitten der Wohnblocks halten. Auf die damit verbundenen Belastungen, vom Geruch bis zum Verkehr, führt Schröder die Ausnahmestellung des nordwestlich angrenzenden Wohnviertels zurück.

Entstehungsgeschichte

Das Leben im Viertel ist eng mit dem Schlacht- und Viehhof und der Großmarkthalle verknüpft. Die Anlagen entstanden zwischen 1878 und 1912 am neuen Südbahnhof, viele Bewohner des Viertels fanden Arbeit dort. Zahllose kleine Zulieferbetriebe siedelten sich an, vom Gewürzhändler bis zum Messerschleifer.

Noch in den siebziger Jahren war es eine eigene Stadt in der Stadt. Das Leben erwachte morgens um fünf, wenn die Wirtshäuser öffneten und die Viehtreiber aus dem Umland mit deftigem Essen versorgten. Das Wirtshaus im Schlachthof war einst Viehbörse. Das Viertel hatte etwas Verruchtes. Man liebte es - oder mied es.

Entzücktes Partyvolk

Als in den achtziger Jahren eine erste Spekulationswelle das Gebiet zu erfassen drohte, versuchte die Stadt dem mit einer Erhaltungssatzung vorzubeugen, um die gewachsene Bevölkerungsstruktur zu retten. Seither ist Luxusmodernisierung tabu. Eine Wunderwaffe gegen Wuchermieten? Nein, heißt es aus dem städtischen Planungsreferat. Allenfalls eine bescheidene Bremse gegen eine allzu rasante Entwicklung. "Mehr nicht." Das Ergebnis ist wahrscheinlich irgendwann dasselbe, ob mit oder ohne Schutz-Satzung, denn auch eine gewöhnliche Sanierung, ohne goldene Wasserhähne oder Swimmingpool, ist so teuer, dass die Miete leicht auf das Doppelte steigen kann. Siehe Gärtnerplatzviertel. Auch dort gilt seit Jahren eine solche Satzung, und dennoch ist das Areal um das gleichnamige Theater heute der In-Bezirk Münchens, geliebt von Kneipengängern und solventen Singles.

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