Stadtplanungs-Experte:Blick zum Park

Deutsches Institut für Urbanistik; Floeting

Holger Floeting ist Wissenschaftler am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. Er ist Herausgeber des Buches "Sicherheit in der Stadt".

(Foto: David Ausserhofer)

Holger Floeting, Wissenschaftler am Deutschen Institut für Urbanistik, beschreibt, wie gute Stadtplanung Kriminalität verhindern könnte und welche Chancen sich bei Neubauprojekten bieten.

Interview von Marianne Körber

Herr Floeting, was verstehen Sie heute unter einer sicheren Stadt?

Sicherheit in den Städten bedeutet nicht nur die Sicherheit vor Terrorismus und Kriminalität, sondern beispielsweise auch den Schutz vor Naturgefahren und technischen Gefahren. Die Frage, wie sicher sich Bürgerinnen und Bürger in ihrer Stadt fühlen, spielt bei Sicherheitsüberlegungen in den Städten eine zunehmend wichtige Rolle, auch wenn die subjektive Einschätzung häufig mit der tatsächlichen Gefahrenlage nicht übereinstimmt.

Werden die Städte durch den zunehmenden Zuzug unsicherer?

Im Grundsatz sind die deutschen Städte sehr sicher, wenn man sie mit vielen anderen Städten in der Welt vergleicht. Orte, die viele Tatgelegenheiten bieten, zum Beispiel weil sie von vielen Menschen besucht werden, haben auch eine höhere Belastung mit entsprechender Kriminalität, etwa durch Taschendiebstahl. In dem Maß, wie Städte durch Zuzug wachsen, kann sich auch die Kriminalität erhöhen. Der Zuzug per se macht die Städte aber nicht unsicherer. Vielmehr können schrumpfende Städte, Leerstand von Gebäuden und verfallende Quartiere Städte unsicherer erscheinen lassen.

Wie kann Stadtplanung zur Erhöhung der Sicherheit beitragen?

Durch die sinnvolle Gestaltung von Gebäuden, Eingangssituationen, Grün- und Freiflächen, Quartierszentren, Bahnhöfen oder Haltestellen. Eine Vielzahl von Maßnahmen der Siedlungsgestaltung kann dazu beitragen: Mauern und Hecken können so gestaltet werden, dass sie den Raum gliedern und dennoch nicht zur Schaffung unübersichtlicher Nischen führen. Die Anordnung der Fenster von Wohnungen kann so gestaltet sein, dass eine informelle soziale Kontrolle dafür sorgt, dass verantwortlich mit öffentlichen Räumen umgegangen wird. Eine sinnvolle Außenbeleuchtung kann die Entstehung von Angst-Räumen verhindern. Die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Planung und Gestaltung bestehender und neuer Quartiere kann genutzt werden, um deren Anforderungen an sichere Stadträume besser zu berücksichtigen. Bauliche und soziale Maßnahmen wie beispielsweise die Einrichtung eines Quartiersmanagements gehen dabei häufig Hand in Hand. Andererseits sollte man sich davor hüten, jeden städtebaulichen Missstand und jeden Nutzungskonflikt zu einem Sicherheitsproblem zu erklären.

Hinkt Deutschland bei der Kriminalprävention anderen Ländern hinterher?

Sicherheit im Stadtquartier ist zu einem wichtigen Thema geworden. Städtebauliche Kriminalprävention spielt dabei aber bisher oft eine untergeordnete Rolle. Wenn man sich darum kümmert, dann werden häufig Anleihen gemacht bei Konzepten des "Crime Prevention through Environmental Design", das aus dem angelsächsischen Raum kommt. In den Niederlanden und in der Schweiz gibt es Ansätze, Fragen der Sicherheit "ganzheitlich" zu behandeln: In Sicherheitsberichten werden verschiedene Aspekte von Sicherheit in der Stadt - von der Entwicklung der Kriminalitätsbelastung bis zu Gefahren, die von der Natur oder von technischen Einrichtungen ausgehen - gemeinsam betrachtet, um zu erkennen, wo Handlungsmöglichkeiten liegen. Sowohl die "gemessene" Sicherheitslage der Stadt als auch die subjektiven Sicherheitswahrnehmungen finden Eingang in die Betrachtungen. Neben der Berichterstattung kann das auch die Funktion erfüllen, unterschiedliche Akteure, die mit der Sicherheit in der Stadt befasst sind, zusammenzubringen.

Wo liegen Gefahren und Chancen bei der Stadtentwicklung?

Wir sollten den Blick nicht vor entstehenden Belastungen der Städte verschließen. Wir sollten aber vor allem die Potenziale nutzen, die sich gerade auch für die Gestaltung sicherer städtischer Räume in wieder wachsenden Städten und vielleicht auch in Räumen ergeben, die bisher von Abwanderung gekennzeichnet waren. Dabei sollten wir versuchen, die Fehler früherer Wachstumsphasen zu vermeiden. Wohnungsneubau bietet zum Beispiel die Möglichkeit, Gestaltungsaspekte von Beginn an einzubeziehen, die der Kriminalprävention dienen. Die Stadtgesellschaft wird nicht erst durch Zuwanderung bunter, sondern ist dies durch demografische Veränderungen und eine Pluralität der Lebensstile schon längst geworden. Stadtentwicklung muss dieser Diversität Rechnung tragen. Wachsende Städte bieten dafür gute Chancen.

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