Staaten in Finanznot:Mit aller Härte gegen die Pleite

Was passiert, wenn Europa seinen Schutzschirm 2013 wieder zurückzieht? Politiker reden kaum darüber - die Angst vor Ärger ist groß. Dabei ist die Idee schon lange festgezurrt. Fragen und Antworten zum Umgang mit Pleitestaaten ab 2013.

Guido Bohsem, Berlin

In der Bundesregierung wird das Thema derzeit nur mit spitzen Fingern angefasst. Kaum jemand will darüber sprechen, wie sich die Bundesregierung den Krisenmechanismus bei Staatspleiten in der Euro-Zone vorstellt, wenn der Schutzschirm 2013 wieder eingefahren wird. Die Sorge vor außenpolitischem Ungemach wiegt tonnenschwer. Dabei ist die Idee schon seit Wochen festgezurrt und in einem streng vertraulichen Arbeitspapier fixiert. Kern der Idee ist es, sowohl den Pleitestaat als auch seine Gläubiger hart ranzunehmen, wenn es zu einer Krise kommt.

Staaten in Finanznot: Künftig sollen sowohl ein Pleitestaat als auch seine Gläubiger hart rangenommen werden, wenn es zu einer Krise kommt.

Künftig sollen sowohl ein Pleitestaat als auch seine Gläubiger hart rangenommen werden, wenn es zu einer Krise kommt.

(Foto: AP)

Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen zu den deutschen Überlegungen.

Warum wird der bestehende Schutzschirm nicht einfach verlängert?

Für ein solches Vorgehen sind vor allem die Staaten, die an den Kapitalmärkten für ihre Kredite derzeit hohe Zinsaufschläge bei den Banken zahlen müssen. Ihre hohen Finanzierungskosten sänken, würden die solventeren Länder wie Deutschland für die Schulden ihrer europäischen Nachbarn garantieren. Ergebnis wäre nämlich ein einheitlicher Zinssatz im Euro-Raum. Niedriger wären die Zinsen dann für die Krisenstaaten, höher für die solventeren Euro-Länder.

Was hieße das für Deutschland?

Eine solche Entwicklung würde zum einen die Zinszahlungen in die Höhe treiben, die für die Staatsverschuldung fällig sind. Weitere Kürzungen in den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden wären unumgänglich. Zugleich entstünde für private Anleger der Anreiz, zu deutschen Kreditkonditionen beispielsweise in Spanien und Irland zu investieren, wo höhere Renditen winken. Das würde zu einem Kapitalabfluss aus der Bundesrepublik führen, was sich auf Dauer negativ auf die Wirtschaftsleistung auswirkt. So war es zwischen 2002 und 2007, wo in Deutschland zumeist Miniwachstum herrschte und Spanien und Irland boomten.

Wie sehen die Alternativen aus

Wie sieht die Alternative aus?

Im Kern zielen die deutschen Vorschläge darauf, dass es unterschiedliche Zinssätze für die Länder der Euro-Zone gibt. Das heißt, wenn Portugal weniger solide wirtschaftet als die Bundesrepublik, müsste das Land auch mehr für seine Staatsanleihen bezahlen. Dies funktioniert aber nur, wenn es für die Kreditgeber, also die Banken, ein höheres Risiko darstellt, in Portugal zu investieren. Deshalb wollen die Deutschen, dass die Banken bei einer Staatspleite entweder ihr Geld nicht sofort oder weniger davon zurückbekommen. Ersteres würde durch eine Verlängerung der Laufzeiten der Kredite erreicht; im zweiten Fall gäbe es einen sogenannten hair-cut, das heißt, dem Staat würde ein Teil der Schulden erlassen. Das ist derzeit nicht möglich. Deshalb schlagen die Deutschen vor, künftig alle Staatsanleihen mit einer Collective Action Clause (Verhandlungsklausel) auszustatten. Diese Regelung ermöglicht es, in Verhandlungen über die Schulden einzutreten. Die Mehrheit der Gläubiger kann dann beschließen, ob es zu einem hair-cut kommt. Die anderen müssen mitmachen. Das ist von Nachteil für die Krisenländer und für die Banken. Auch deshalb stehen Deutschland und Frankreich derzeit so heftig in der Kritik.

Gehen die Staaten dann nicht pleite, weil sie kein Geld mehr bekommen?

Nach der Vorstellung der deutschen Regierung kann das nicht passieren. "Der Mechanismus hat das Ziel, die Refinanzierungsnotwendigkeiten und Schuldenlast des betroffenen Landes auf ein maximal tragbares Maß zu reduzieren", heißt es in dem Arbeitspapier. Das heißt, die Mitgliedsstaaten helfen dem in Schwierigkeiten geratenen Land über die schwerste Zeit, indem sie einen bestimmten Teil der zur Hilfe notwendigen Kredite absichern. Das ist aber mit harten Auflagen für die Krisenstaaten verbunden - nämlich mit einem Sparprogramm, das ihnen von der Europäischen Zentralbank, der europäischen Kommission und dem Internationalen Währungsfonds diktiert wird.

Wann soll das Verfahren beginnen?

2013 ist das Datum für den Start. Die Vorbereitungen sollen nach den deutschen Vorstellungen allerdings bereits 2011 anlaufen. Schon im nächsten Jahr sollen nur noch Staatsanleihen ausgegeben werden, die eine Verhandlungsklausel enthalten. Die Eile ist notwendig, weil der Mechanismus erst dann funktioniert, wenn für einen großen Teil der Staatsanleihen eine Verhandlungsklausel besteht. Ansonsten ist er wirkungslos.

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