Spielhöllen:"Die Leute jagen ihren Verlusten hinterher"

In den Spielhallen müssen viele Automaten ausgetauscht werden: Sie versprechen Gewinne, die gar nicht zulässig sind - und auch nicht ausgeschüttet werden.

Klaus Ott

München - Die ersten Kunden kommen schon am Vormittag, und manche von ihnen bleiben ziemlich lange. Vielerorts wird ihnen ein "Casino-Feeling" versprochen, mit Gewinnen, die sich angeblich auf mehrere tausend Euro belaufen können. Das lockt die Zocker in die gut 8.000 Spielhallen in Deutschland. Attraktive Zahlenwetten, die "Spannung bis zum letzten Punkt" versprechen, sollen die Besucher an die Automaten fesseln. Je länger sie dort verweilen, desto mehr Geld setzen sie ein. Das lässt Umsätze und Erträge der Branche steigen, bei den Automatenherstellern ebenso wie bei den Betreibern der Spielhallen.

Spielhölle
(Foto: Foto: ddp)

Seit einiger Zeit hat dieser Teil der Glücksspielszene aber ein großes Problem. Das für die Spielhallen zuständige Bundeswirtschaftsministerium ist zu der Erkenntnis gelangt, mit dem "Casino-Feeling" werde es dort arg übertrieben.

Die Vorschriften erlauben maximal 500 Euro Gewinn pro Stunde, doch an vielen Automaten wird über die angezeigten Bonuspunkte der Eindruck erweckt, man könne bis zu 6000 Euro oder noch mehr einstreichen. 100.000 Punkte sind 1000 Euro, und Geräte mit 600.000 Punkten mittlerweile keine Ausnahme mehr, sondern eher die Regel.

Das Wirtschaftsministerium hat deshalb eine Anweisung erlassen, wonach künftig nur noch Automaten zugelassen werden dürfen, die maximal 100.000 Punkte anzeigen. Formal halten sich die privaten Spielhallen-Betreiber und Automaten-Produzenten an Recht und Gesetz, indem sie nicht mehr als 500 Euro die Stunde auszahlen.

Aber die Werbung mit den höheren, wenn auch nur "gefühlten" Gewinnquoten könne den Spielanreiz erheblich verstärken, heißt es in der Anordnung des Ministeriums. Dieser Fehlentwicklung müsse begegnet werden. Sonst werde die Abgrenzung zu den gut 80 staatlich betriebenen und kontrollierten Spielbanken verwischt. Hier, in den echten Casinos, seien Einsätze und Gewinne "unbeschränkt" möglich, notierte das Ministerium.

Paul Gauselmann, Gründer und Inhaber der gleichnamigen Unternehmensgruppe aus Nordrhein-Westfalen, macht den österreichischen Konkurrenten Novomatic für den Konflikt verantwortlich.

Vor 50 Jahren hat Gauselmann als Automatenaufsteller begonnen und seitdem einen Konzern mit 5500 Mitarbeitern geschaffen, der mit Glücksspielgeräten und Spielhallen weltweit eine Milliarde Euro umsetzt. "Automatenkönig" wird der 73-jährige Westfale in Deutschland genannt, der wohl mehr Einfluss in dieser Branche hat als jeder andere Unternehmer. Er leitet den Verband der Deutschen Automatenindustrie.

Gauselmann sagt, sein Konzern habe lange Zeit Geräte mit maximal 100.000 Gewinnpunkt in den Markt gebracht. Doch dann habe die Novomatic-Tochter Löwen Entertainment Geräte mit bis zu 600.000 Punkten angeboten und 45.000 Stück davon ausgeliefert. "Wir mussten nachziehen, damit wir nicht den ganzen Markt mit Bildschirmgeräten verlieren." Man habe aber nur 5000 solcher Automaten vertrieben.

Gauselmanns Gruppe und Löwen Entertainment sind die größten Automaten-Produzenten in Deutschland. Bei Novomatic heißt es, man habe keine Geräte verkauft, die 6000 Euro Gewinn pro Spiel suggerierten. Auf jedem Löwen-Automat stehe, dass maximal 500 Euro erlaubt und möglich seien. Ein Novomatic-Sprecher sagt, man werde sich an die "Vorgaben der Behörden halten" und die Geräte beziehungsweise deren Software austauschen, die nicht den neuen Zulassungsbedingungen entsprächen.

Bis Ende 2010 sollen die Spielhallen nach den Vorgaben des Wirtschaftsministeriums die inkriminierten Automaten auswechseln, deren Zahl Fachleute auf mehr als 100.000 Stück schätzen. Das ist eine großzügig bemessene Übergangsfrist, aber mehr sei nicht möglich, glaubt man im Ministerium.

Die jetzt aufgestellten Geräte seien offiziell zugelassen, weil der tatsächliche Höchstgewinn wie vorgeschrieben 500 Euro pro Stunde betrage, auch wenn mehr suggeriert werde. Wolle man die fraglichen Automaten sofort verbieten, könne das zu "Entschädigungsansprüchen" führen, steht in einem Papier des Ministeriums. Bis das Problem gelöst ist, wird es Jahre dauern.

So lange sind also weiterhin Automaten im Einsatz, die Professor Gerhard Meyer von der Universität Bremen als "besonders suchtgefährdent" bezeichnet. Meyer ist einer der bekanntesten Wissenschaftler auf dem Gebiet. Die Regierung hat ihn gerade zu einem Expertengespräch über Glücksspielrecht eingeladen, bei dem es auch um Spielhallen geht.

Die Gefahr, den Automaten zu verfallen, steige mit den vermeintlichen Gewinnen, warnt Meyer. "Die Leute jagen ihren Verlusten hinterher, wenn sie glauben, sie könnten mehrere tausend Euro herausholen." Um das Problem an der Wurzel zu packen, müssten die an den Geräten möglichen Gewinne und Verluste "auf kleine Beträge begrenzt werden".

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