Spielhallen:Kontrollverlust in der Daddelhölle

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In den mehr als 10.000 Spielhallen werden Milliardenbeträge erwirtschaftet. Doch das Geschäft ist in Gefahr: Die Bundesländer wollen einschreiten, weil viele Betreiber sich überhaupt nicht um die Vorgaben scheren.

Klaus Ott

Wer um Geld spielt, um das Glück zu erzwingen, der hat schon verloren. Nirgendwo ist das besser beschrieben als in Fjodor Dostojewskis Roman Der Spieler. Im fiktiven deutschen Kurort Roulettenburg verfallen die Hauptfiguren des russischen Schriftstellers dem Rausch des Spiels und verzocken ihr Vermögen. Dostojewski, der von 1821 bis 1881 lebte, kannte das Gefühl. Er war selbst ein leidenschaftlicher Spieler gewesen.

Eigentlich ist der Bund für die privaten Spielstätten zuständig, doch der hat bislang wenig gegen Auswüchse getan. Nun wollen die Länder den Betrieb von Automaten-Hallen erschweren. (Foto: dpa)

Weitaus nüchterner sind die Gefahren der Jagd nach dem schnellen Geld in einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium zusammengefasst. Das Ministerium hat Deutschlands Spielhallen, in denen sogenannte Daddel-Automaten zum Zeitvertreib locken, wissenschaftlich untersuchen lassen. Das Ergebnis der noch unter Verschluss gehaltenen Expertise ist erschreckend.

Die Hälfte der befragten Besucher gab an, sie hätten "die Kontrolle über das Spielen verloren". Und knapp ein Viertel der Leute erklärte sogar, sie müssten sich in ihrem Leben finanziell "sehr einschränken", weil viel Geld für die Automaten draufgehe. Seit Ende April liegen die Ergebnisse vor, doch erst demnächst sollen sie veröffentlicht werden. Gerade noch rechtzeitig vor einem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit den Regierungschefs der Bundesländer am 15. Dezember in Berlin, bei dem auch über strengere Auflagen für Spielstätten geredet wird. Wissenschaftler wie der Bremer Suchtforscher Gerhard Meyer hatten bereits gemutmaßt, die Bundesregierung wolle die Studie noch länger zurückhalten, um die Automatenindustrie zu schonen.

Die Daddel-Industrie erwirtschaftet in den mehr als 10.000 Spielhallen Milliardenbeträge, doch nun ist ihr Geschäft gefährdet. Die Bundesländer wollen einschreiten, und dafür liefert ihnen die Studie für das Wirtschaftsministerium neue Gründe. In 40 von 50 untersuchten Spielhallen wurden die Vorgaben nicht eingehalten. Teils fehlten Informationen über den Spielerschutz, teils waren die Geräte nicht ordnungsgemäß aufgestellt.

"Innerer Spieldrang"

Eine Testperson, die Probleme simuliert habe, sei nicht vom Zocken abgehalten, sondern zum Weitermachen ermuntert worden: Schließlich sei doch "ein baldiger Gewinn zu erwarten", heißt es in dem Ende April abgelieferten Bericht. Auch von Ordnungsämtern gebe es Hinweise auf eine "Reihe von Verstößen". Die 447 befragten Spieler rundeten das Bild ab. Die Mehrzahl von ihnen gab an, sie versuchten ihr Glück an den Automaten, um verlorenes Geld zurückzuholen, oder eines "inneren Spieldranges" wegen. Oder, um Geld zu verdienen. Genauso gut könnte man versuchen, mit Lotto seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Eigentlich ist der Bund für die privaten Spielstätten zuständig, doch der hat bislang wenig gegen Auswüchse getan. Nun wollen die Länder den Betrieb von Automaten-Hallen erschweren (allerdings auch, um ihre eigenen Angebote wie Lotto und die Kasinos zu schützen). Suchtforschern wie Meyer geht das , was geplant ist, nicht weit genug. Gewinne und Verluste an den Automaten müssten drastisch reduziert werden, damit aus dem Glücksspiel wieder ein Unterhaltungsspiel werde, wie früher am Flipper. Paul Gauselmann, Deutschlands Spielhallen-König, der einen Konzern mit Milliardenumsätzen betreibt, ist entsetzt. Die geplanten Eingriffe seien "unverhältnismäßig und rechtswidrig". Es sei doch besser, die Spielhallen nähmen Gäste mit Problemen "an die Hand", statt sie im Internet mit seinen vielen Glücksspielangeboten "ihrem Schicksal zu überlassen", sagt Gauselmann. Klaus Ott

© SZ vom 02.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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