Sparkassen:Die Mission heißt Überleben

Seit mehr als 200 Jahren gibt es Sparkassen, damit auch einfache Leute Geld anlegen können. Heute kämpfen die öffentlichen Banken gegen Milliardenbelastungen.

Thomas Fromm und Alexander Hagelüken

Der Hauptredner war nicht gekommen, um den Gastgebern einfach nur zu schmeicheln. Natürlich hatte Horst Köhler, einst Sparkassen- und heute Bundespräsident, beim großen Festakt zum 200ten Jubiläum seines ehemaligen Arbeitgebers einen Haufen positiver Worte in seinen Redetext gepackt. Nah am Bürger seien die Sparkassen, nah an der Wirtschaft und verantwortungsvoll. Dann aber verteilte Köhler ein paar Ohrfeigen.

Sparkasse, Getty

Die Sparkassen sollten einst die Welt ein bisschen besser machen

(Foto: Foto: Getty)

Er kritisierte die Milliardenverluste der Landesbanken, an denen die Sparkassen maßgeblich beteiligt sind. Und er beklagte mit Blick auf die Ursachen der Finanzkrise, auch öffentliche Banken hätten sich vom Zeitgeist infizieren lassen: "Manche Sparkassenvorstände haben die Bodenhaftung verloren".

Fast einzigartig

Dabei waren die Gründer dieser auf dem Erdball relativ einzigartigen Bankenart einst angetreten, um den Zeitgeist zu ändern - und, ja, um die Welt ein bisschen besser zu machen. 1778 gründeten liberale Hamburger Bürger die "Ersparungscasse der Allgemeinen Versorgungsanstalt", 1801 startete in Göttingen die erste Kommune eine Bank.

Ziel war es, ärmeren Schichten erstmals das Sparen zu ermöglichen. Dienstboten, Tagelöhner oder Seeleute sollten ein paar Mark zurücklegen, um gegen die Unbillen des Lebens und des Alters besser geschützt zu sein. Das Geld sicher auf die Bank, vor Diebstahl besser geschützt als unterm Kopfkissen, und mit Zinsen dazu.

Städte und Gemeinden, durch die Reformen des preußischen Reichsfreiherrs vom Stein selbstständiger geworden, gründeten die Sparkassen nicht ohne Eigennutz. Wenn die Armen Geld ansparten, fielen sie schließlich seltener der staatlichen Fürsorge zur Last.

Obendrein begannen die öffentlichen Banken schon damals, lokale Firmen mit Krediten zu versorgen, ohne dabei immer den Gewinn zu maximieren - eine Funktion, die Politiker heute noch schätzen. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es eine regelrechte Gründungswelle für Sparkassen, die bis zu den Napoleonischen Kriegen von 1809 dauerte. Dieses Datum ist der ziemlich konstruierte Grund, warum der Verband dieses Jahr das Jubiläum "200 Jahre Sparkassen begeht".

Über die Jahre verbreitete sich in Deutschland das Modell einer Bank, die von Kommunen getragen wird und auch andere Ziele verfolgt als den Gewinn. In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts führten die Sparkassen bargeldlose Lohnzahlung ein. Bis dahin hatten die meisten Deutschen kein Girokonto, es gab echte Lohntüten mit echten Scheinen. Auf dem Land gab es für die meisten Deutschen kaum Alternativen zur Sparkasse, höchstens noch Volksbanken.

Zurück zur Sparkasse

In den vergangenen Jahren geriet das System Sparkssen unter Druck. Private Banken expandierten aufs Land. Direktbanken boten häufig höhere Zinsen für Guthaben und niedrigere Gebühren. Und die EU-Kommission kappte Privilegien, die Landesbanken und Sparkassen bares Geld brachten.

Erst mit der Finanzkrise kamen die öffentlichen Institute wieder in die Offensive. Es war in den Tagen nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers im September 2008. Plötzlich wurden die Schlangen vor den Schaltern der Sparkassen-Filialen länger und länger.

Von heute auf morgen war sie da, diese Angst, die die Kunden zuhauf zur alten Tante trieb. Gestern noch komplizierte Anlageprodukte bei einer großen Privatbank, heute wieder Sparkonto bei der Stadtsparkasse. Allein zwischen Ende September und Mitte Oktober stiegen die Einlagen bei Sparkassen um mehr als eine Milliarde Euro.

In der durch hemmungsloses Zocken ausgelösten schwersten Krise seit dem Krieg wirkten Bankenwieder sympathisch, bei denen die maximale Gewinnerzielung nicht im Zentrum steht - und bei denen jeder Bürger ein Konto bekommt und viele lokale Firmen einen Kredit. Sparkassen sind nach dem Staat auch der größte Förderer von Kultur und Sport.

Wann der Mythos von der unfehlbaren Sparkasse kippte

In der Finanzkrise kamen aber auch die Probleme der Sparkassen zum Vorschein. Der Mythos von der sauberen, unfehlbaren Sparkasse kippte im März diesen Jahres. Damals wurde bekannt, dass die Sparkasse Südholstein kurz vor dem Kollaps stand - und durch den Sicherungsfonds des Sparkassen- und Giroverbandes Schleswig-Holstein finanziell gestützt werden musste. Schuld war nicht nur die heimische Landesbank HSH Nordbank.

Schuld waren offenbar vor allem millionenschwere Abschreibungen und Wertberichtigungen im Zuge der Finanzkrise. An die 130 Millionen Euro sollen der kleinen Sparkasse damals gefehlt haben - eine enorme Summe für ein Institut, das sich eigentlich auf das Privatkundengeschäft zwischen Pinneberg, Segeberg und Neumünster konzentrieren soll. Es gehört zu den ehernen Gesetzen der öffentlichen Institute, dass jede einzelne Sparkasse im Notfall für die andere einsteht, um die Einlagen der Kunden nicht zu gefährden.

Zur großen Familie gehören die regionalen Sparkassenstützungsfonds, die Landesbanken, die Landesbausparkassen. Einer für alle, alle für einen. Unkalkulierbar wären die Folgen, wenn gleich mehrere Sparkassen auf einmal gestützt werden müssten.

Zum Beispiel, wenn wie von der Bundesregierung geplant, die Sparkassen als Miteigentümer der Landesbanken für deren Risiken aufkommen müssten. Pläne der Bundesregierung, die riskanten Wertpapierbestände der angeschlagenen Landesbanken in eine sogenannte Bad Bank zu verfrachten und im Gegenzug die Eigentümer für alle weiteren Probleme haften zu lassen, stoßen nicht umsonst auf heftigen Widerstand der Sparkassen.

Geschäfte mit 50 Millionen Kunden - alles könnte im Treibsand der Landesbanken untergehen. Bundespräsident Köhler hatte den Sparkassenchefs am Dienstag nicht umsonst einen Ratschlag mitgebracht: "Konzentrieren Sie sich vor allem auf ihre Kunden", rief er ihnen zu. Das klang programmatisch - im 200. Jahr der Sparkassen aber auch wie eine ernste Warnung.

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