Sozialwohnungen:Starke Partner

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Kommunen setzen auf Bündnisse mit Unternehmen, um preisgünstigen Wohnraum zu schaffen.

Von Rainer Müller

Sozialwohnungen haben ein schlechtes Image", sagt Stefan Ferber, Leiter des Wohnungsamtes von Köln. "Das liegt an den Großwohnsiedlungen der Siebzigerjahre. Man denkt dann an Köln-Chorweiler oder ähnliche Viertel." Dieses Image wollen viele Stadtverwaltungen und Landesregierungen ändern. "Sozialer Wohnungsbau kann auch hohe Qualität bedeuten, was Architektur und Standard angeht", betont Ferber. "Heute sind wir deutlich weiter als in den Sechziger- oder Siebzigerjahren."

So sieht das auch Eva-Marie Schneider-Robl, Geschäftsführerin der mittelständischen Baufirma Köln-Projekt. "Geförderter Wohnungsbau muss nicht auf den letzten Euro ausgelutscht werden", stellt Schneider-Robl fest. Viele Bauherren würden im Bereich der Sozialwohnungen bewusst billig bauen und an Qualität und Gestaltungsanspruch sparen. "Unsere Häuser bieten hingegen Qualität wie im Wohneigentum. Wohnungen und ihr Umfeld tragen dazu bei, dass sich Menschen in die Gesellschaft eingebunden fühlen - oder eben auch nicht", führt sie aus. Köln-Projekt ist seit der Gründung im Jahr 1996 auf Sozialwohnungen und Immobilien im Sozialbereich spezialisiert. Markenzeichen vieler Anlagen ist die individuelle Architektur.

Auf einem alten Fabrikgelände im Stadtteil Kalk eröffnete Köln-Projekt 2014 eine Anlage mit sieben geförderten Wohneinheiten und sozialen Einrichtungen. In den Außenanlagen erinnern ausrangierte Industriewalzen an die Vergangenheit des Geländes. Das farbenfrohe Gebäude hat mit den monotonen "Wohnmaschinen" in den Vorstädten Kölns und anderswo nichts mehr gemein.

Den Begriff "Wohnmaschine" hat Le Corbusier geprägt - er bezeichnet den von dem schweizerisch-französischen Architekten entwickelten Gebäudetyp für urbanes Wohnen.

Architektonisch und stadtplanerisch liegen Welten zwischen den isolierten Bauten von einst und den Vorhaben von heute: Dafür stehen Beispiele wie die Sozialwohnungen im bevorzugten Kölner Stadtteil Müngersdorf, die Köln-Projekt derzeit baut. Und im Frankfurter Europaviertel errichtet die Firma Sahle Wohnen aus Greven (Nordrhein-Westfalen) die "Helenenhöfe" - mit Wohnungen für fünf Euro Kaltmiete je Quadratmeter. Selbst in Hamburgs nobler Hafencity sollen in den kommenden Jahren verstärkt geförderte Wohnungen errichtet werden. Die Otto Wulff Bauunternehmung und die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille feierten kürzlich am Lohsepark Richtfest für ein bunt gemischtes Quartier mit Arztpraxen, Kitas, einem Restaurant, frei finanzierten Eigentums- und Mietwohnungen, aber auch ungefähr 30 Sozialwohnungen.

In Großstädten wie Hamburg hat jeder zweite Haushalt Anspruch auf eine Förderung

In Köln, Hamburg, Berlin und anderen Großstädten hat jeder zweite Haushalt Anspruch auf eine geförderte Wohnung. Die Kölner Stadtverwaltung wirbt bewusst um Investoren in diesem Bereich, etwa auf der Kölner Immobilienmesse, die am morgigen Samstag, 25. April, stattfindet. "Es geht ja nicht um ein Randgruppenthema", erklärt Wohnungsamtsleiter Ferber, "sondern um die Mitte der Gesellschaft, um die Krankenschwester, den Handwerker, um ganz normale Familien."

Auch die Politik hat das Problem erkannt. Nordrhein-Westfalens Landesregierung rief daher 2013 gemeinsam mit den großen Verbänden der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft das freiwillige "Bündnis für Wohnen" ins Leben. Ziel ist die Schaffung von bezahlbarem, aber auch energieeffizientem und altersgerechtem Wohnraum. Circa 800 Millionen Euro stellt das Düsseldorfer Bauministerium dafür jährlich zur Verfügung.

Zudem werden mit einigen Städten Zielvereinbarungen getroffen: So hat sich Köln verpflichtet, jedes Jahr für 1000 neue Sozialwohnungen zu sorgen. Dazu wurde eine 30-Prozent-Quote festgelegt: Größere Projekte werden nur noch genehmigt, wenn mindestens 30 Prozent der Wohnfläche in Sozialwohnungen entstehen. Auch für Münster gibt es eine solche Zielvereinbarung, für Düsseldorf und Dortmund sollen sie in diesem Jahr noch getroffen werden.

Ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen haben in den vergangenen zwei Jahren auch Schleswig-Holstein, Berlin, Bremen und zuletzt auch das Bundesbauministerium vergleichbare Bündnisse ins Leben gerufen. Als Vorbild dient das "Bündnis für das Wohnen", das Hamburg schon seit 2011 erprobt. Die bisherigen Ergebnisse können sich sehen lassen: Jährlich werden mehr als 6000 Wohnungen fertiggestellt. Ein Drittel aller Neubauvorhaben muss Fördermittel in Anspruch nehmen und dafür Belegungs- und Mietpreisbindungen eingehen. Sonst wird keine Baugenehmigung erteilt. Im Wahlkampf hatte die jetzt weiter regierende Landes-SPD diese Erfolgsbilanz gebetsmühlenhaft wiederholt. Bezahlbares Wohnen ist längst ein politisch entscheidendes Thema.

In Köln hat sich die Anzahl fertiggestellter Sozialwohnungen in jüngster Zeit etwa verdreifacht

Das Baurecht zur Durchsetzung sozialer Ziele in der Wohnungspolitik ist effektiv, funktioniert aber nur in Städten mit hohem Investitionsdruck wie Hamburg oder Köln. Ohne diesen Druck werden die üppigen Fördermittel eher verhalten abgerufen. Von den 800 Millionen Euro, die Nordrhein-Westfalen jährlich für das Wohnraumförderprogramm zur Verfügung stellt, nahmen Investoren 2014 nur 520 Millionen in Anspruch. Bauminister Michael Groschek sieht die Ursache in der "historischen Niedrigzinsphase". Dennoch hätten vor allem Köln, Düsseldorf und Aachen - die teuersten Städten Nordrhein-Westfalens - "die Trendwende" geschafft. In Köln etwa stiegen die Fertigstellungen innerhalb von zwei Jahren von 175 auf immerhin 609 geförderte Wohnungen im vergangenen Jahr an.

Dabei schlagen sich viele der neuen Fördermöglichkeiten erst zeitverzögert in Genehmigungen und Fertigstellungen nieder, wie Stefan Ferber erklärt. "Aber es lässt sich schon heute beobachten, dass sich Projektentwickler verstärkt mit Wohnungsbauunternehmen zusammentun, die Wohnungen auch halten und betreiben." Sahle Wohnen beispielsweise hält bundesweit knapp 24 000 Wohnungen, darunter 14 000 öffentlich geförderte. Jüngst kamen 114 Wohnungen im Kölner Stadtteil Westhoven dazu - eröffnet hat die Wohnanlage Michael Groschek persönlich, Nordrhein-Westfalens Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr. Sozialwohnungen stehen wieder auf der politischen Agenda.

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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