Société Générale gegen Kerviel:Verräterische E-Mails

Der Skandalhändler Jérôme Kerviel und sein Assistent verbünden sich: Sie behaupten, die Bank Société Générale habe von ihren Fehlspekulationen gewusst.

Michael Kläsgen

Der französische Skandalhändler Jérôme Kerviel, 31, und sein ehemaliger Assistent Thomas Mougard, 24, sind erstmals in den Räumen der Pariser Untersuchungsrichter gemeinsam vernommen worden. Laut ihren Anwälten haben sich die beiden gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber, die französische Großbank Société Générale, verbündet.

Société Générale gegen Kerviel: undefined
(Foto: Foto: AFP)

E-Mails als Bestätigung

Ihrer Argumentation zufolge soll die Bank von den Spekulationen, die Ende Januar zu einem Verlust von knapp fünf Milliarden Euro führten, gewusst oder sie zumindest geduldet haben. Anwesend bei der Anhörung waren auch zwei Anwälte der Société Générale, später kam der Vorgesetzte des Assistenten Mougard hinzu.

Kerviels Anwalt Bernard Benaïem sagte am Donnerstag, er habe konkrete Hinweise für eine Mitwisserschaft der Bank. E-Mails, die zwischen der Controlling-Abteilung, der Buchhaltung und dem Rechnungswesen ausgetauscht worden seien, würden bestätigen, dass die Bank informiert war. So habe ein Buchhalter die Finanzkontrolleure schriftlich gefragt, wie er die Geschäfte Kerviels verbuchen solle. "Wenn das nicht als Beweis reicht, was dann?", so Benaïem.

Er forderte deswegen die Ermittler auf, die Betroffenen vorzuladen. "Für den Chef der Bank mag die Affäre Kerviel beendet sein, es ist aber eher wohl so, dass die Affäre Société Générale erst beginnt", sagte Benaïem. Der Anwalt erwartet, dass die Untersuchungsrichter auch gegen ehemalige Vorgesetzte Kerviels Ermittlungsverfahren einleiten.

Vorgesetzte sollen ein Auge zugedrückt haben

Die Richter hatten im August, nachdem Kerviel seine Anwälte gewechselt hatte und in die Offensive gegangen war, überraschend gegen Mougard ein Verfahren eröffnet. Einem Bericht der Bank zufolge führte er im Schnitt jeden achten Handelsauftrag Kerviels aus, an manchen Tagen mehrere hundert. In dem Bericht bezichtigte die Bank Mougard der Mittäterschaft. Im Mai entließ sie ihn.

Während der Anhörung mit Kerviel soll Mougard dessen Aussage bestätigt haben: Kerviels Vorgesetzte hätten die Augen zugedrückt, wenn dieser Handelsaufträge weit über seinem Limit ausgab. "Er hat an die Echtheit der Operationen geglaubt und gedacht, diese würden von oben kontrolliert", sagte Mougards Verteidigerin Frédérique Beaulieu. Die Anwälte der Bank ließen diese Anschuldigung nicht gelten. Mougard hätte seine Vorgesetzten über Kerviels fiktive Käufe und Verkäufe informieren müssen.

Sieben Stunden Anhörung

Diese Ansicht vertrat auch Salim K., Mougards direkter Vorgesetzter. Mougard habe ihn darauf aufmerksam machen müssen, dass Kerviel mit einer Summe von 50 Milliarden Euro jonglierte, soll dieser gesagt haben. Mougard habe darauf erwidert, seine Aufgabe habe nicht darin bestanden, die Aufträge seines Händlers zu bewerten, zu kontrollieren oder zu verweigern. Nach Auskunft der Bank-Anwälte konnten die Ermittler dieser Argumentation nicht folgen.

Kerviel war zu dem Termin sichtlich unausgeschlafen und unrasiert erschienen. Er nahm mit dreien seiner Anwälte den Haupteingang zum Büro der Ermittler. Mougard wählte die Hintertür, um den Fotografen zu entgehen. Die Anhörung zog sich bis in den Mittwochabend hinein und dauerte sieben Stunden, die Mittagspause nicht mit eingeschlossen. Seit sechs Monaten laufen die Ermittlungen. Bis es zur Anklage und einem Prozess kommt, wird es noch dauern.

Das liegt im Interesse der neuen Anwälte Kerviels. Die Ermittler wollten den Fall bis zum Sommer abgeschlossen haben. Doch die Anwälte Kerviels fordern von ihnen, jeder möglichen Fährte nachzugehen und alle Beteiligten zu vernehmen. Die Ermittler müssen das nicht uneingeschränkt tun. Aber Verfahrensfehler dürfen sie sich auch nicht vorwerfen lassen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: