Shoppingmalls:Im Kaufrausch

Lesezeit: 4 min

Hamburg gehört zu den attraktivsten Städten Europas, für Bewohner, Touristen und auch für Investoren. Professionelle Anleger aus dem In- und Ausland stecken viel Geld in Geschäfts- und Wohnhäuser, Immobilien wechseln häufig die Eigentümer. (Foto: Fabian Bimmer/Reuters)

Investoren mögen Handelsimmobilien: Eingekauft wird schließlich immer. In Hamburg ist das Angebot aber so groß, dass die Zentren an Attraktivität verlieren. Die Stadt streitet darüber, wie viele Projekte sie verkraften kann.

Von Sabine Richter

Das Einkaufsquartier, das Unibail-Rodamco bis 2021 im südlichen Überseequartier in Hamburg errichten will, hat außergewöhnliche Dimensionen. Etwa 200 Läden mit insgesamt 80 500 Quadratmetern Verkaufsfläche auf drei Ebenen sollen hier entstehen, dazu drei Hotels, 500 Wohnungen, Büros und ein Kreuzfahrtterminal. "Wir schaffen hier eine Einkaufserlebniswelt für Hamburg, die es so noch nicht gibt, dazu acht- bis zehntausend Quadratmeter Gastronomieflächen, wo es ebenfalls viel Neues und Besonderes geben wird", sagte Ulrich Wölfer, bis vor Kurzem Entwicklungsvorstand von Unibail-Rodamco Deutschland. Die Händler in der Hamburger Innenstadt befürchten allerdings Geschäftseinbußen. Das Beispiel ist typisch für deutsche Städte: Vor allem angesichts des wachsenden Onlinehandels wird darüber diskutiert, wie viel neue Verkaufsflächen eine Stadt verkraften kann.

Der Trägerverbund Innenstadt, in dem sich die Gewerbetreibenden und Grundeigentümer aus Hamburgs Zentrum organisieren, befürchtet einen Umsatzrückgang von 15 Prozent, wenn das Einkaufsquartier 2021 eröffnet wird. "Die benachbarte Elbphilharmonie wird viele Hamburg-Touristen anziehen. Ich glaube, die gehen in das neue Shoppingcenter und kommen gar nicht mehr in die Kern-City", sagt Andreas Bartmann, Präsident des Einzelhandelsverbandes Nord. "Deshalb ist es jetzt die große Aufgabe, eine attraktive Laufachse zwischen diesen Arealen zu schaffen, um die Hafencity städtebaulich wie ökonomisch an die Innenstadt anzuschließen." Auch aus der Bevölkerung und Anwohnern der Hafencity formiert sich Widerstand gegen die Bebauung.

In kaum einer anderen Stadt sind so viele Läden geplant wie in Hamburg

Geplant war alles einmal anders. Hamburg hat Unibail vor allem bei der Größenordnung Zugeständnisse gemacht. Denn das südliche Überseequartier, Sorgenkind der Stadt, lag jahrelang brach, mehrere geplante Entwicklungen scheiterten. Im Masterplan Hafencity aus dem Jahr 2000 waren ursprünglich nur 40 000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche vorgesehen, jetzt sind es 80 500 Quadratmeter. Und bezüglich der Architektur hatte noch im Dezember 2014 Bürgermeister Olaf Scholz versichert, dass man sich "kein geschlossenes Shoppingcenter, keine klimatisierte Mall, sondern eine offene Straße, ein richtiges Stück Stadt, das 24 Stunden am Tag geöffnet ist" wünsche. "Jetzt sieht es so aus, als bekämen wir ein weitgehend geschlossenes Shoppingcenter in einer städtebaulichen Großstruktur", klagt Iris Neitmann, Architektin und Sprecherin der Initiative Lebenswerte Hafencity.

Im Verlauf des B-Plan-Verfahrens habe es insgesamt 245 Einwände zu den Planungen von Bürgern, Verbänden und Bauträgern gegeben. Die Behörde habe alle zurückgewiesen, sagt Neitmann. Eine Fachtagung brachte nun erstmals Bürger, Politiker, Projektentwickler und Architekten zusammen. Immerhin scheine die Forderung nach einer Sonderregelung zur Sonntagsöffnung - vor allem für die Gäste der Kreuzfahrtschiffe - vom Tisch zu sein. "Noch ist nicht alles beschlossen, es gibt noch Verhandlungsspielraum", sagt Neitmann. Allerdings sind die Planungen weit vorangeschritten, die Vorweggenehmigungsreife für den neuen Bebauungsplan-Entwurf Überseequartier 15 liegt vor. Der Antrag für die Baugrube wurde bereits genehmigt, der erste Spatenstich soll laut Unibail-Rodamco bald erfolgen.

In Hamburg spielt der Einzelhandel traditionell eine große Rolle. Und wohl keine andere deutsche Großstadt verzeichnet derzeit mehr Bauaktivitäten in seinen City-Luxuslagen. Derzeit entstehen (oder sind kürzlich fertig geworden) etliche Projekte mit einem Investitionsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Geschätzte 25 000 Quadratmeter werden auf dem Neuen Wall und in seiner Nachbarschaft errichtet. Dazu tragen die Kaisergalerie (3400 Quadratmeter), die Stadthöfe (5000 Quadratmeter), der Alte Wall (10 000 Quadratmeter) und die Überarbeitung des Ex-Thalia-Standorts bei.

Die Einzelhandelsfläche in der Innenstadt Hamburgs beträgt derzeit laut Handelskammer gut 345 000 Quadratmeter. Mit den neuen Projekten, die nun auf den Markt kommen, erhöht sich die Verkaufsfläche der Hamburger Innenstadt samt Hafencity bis zum Jahr 2021 um ein rundes Viertel.

Es sei eine Herausforderung, für die neu entstehenden Flächen Mieter zu finden, sagt City-Managerin Brigitte Engler. Deshalb soll Hamburg international verstärkt als Shoppingmetropole beworben werden. "Je mehr Touristen kommen, desto höher ist die Kaufkraft und die Attraktivität für internationale Modelabel, die bisher in der Hansestadt nicht vertreten sind."

Dafür wird das traditionsreiche Alsterhaus für etwa 180 Millionen Euro von prominenten Architekten wie Rem Koolhaas, John Pawson und Jan Kleihues zu einer "neuzeitlichen Einkaufsikone, die für Touristen ein Muss" ist, gemacht. Und wenige Gehminuten entfernt entsteht in der Europa-Passage am Ballindamm die größte Gastro-Fläche der Stadt, ein 16-Millionen-Euro-Projekt, das auch sonntags geöffnet wird und ein Magnet für die Innenstadt sein soll.

Der Markt hat sich gedreht: Die Mieten für Ladenflächen sinken

Ein Experte für Einkaufsmagneten ist auch Peter Maßmann, früher 15 Jahre lang Vermietungsspezialist bei ECE. In St. Pauli entwickelte er die Rindermarkthalle, eine Art Markthalle mit Nahversorgungsfunktion, die den Europäischen Innovationspreis bekommen hat und in Hamburg Kultstatus genießt. Es dürfe nicht am Bedarf vorbei gebaut werden, sagt Maßmann. In der Innenstadt sei die Grenze bereits erreicht. "Wenn das so weitergeht, dann werden wir in ein paar Jahren in den Eins-b-Lagen der Innenstadt sichtbare Leerstände haben, außerdem werden die Mieten aufgrund des Überangebots purzeln."

"In der City haben wir schon jetzt ein großes Überangebot", bestätigt Andreas Bartmann vom Einzelhandelsverband Nord. Die Anzahl der Geschäfte stehe in keiner Relation zu dem, was die Kaufkraft hergebe. Viele in der Kern-City wollten aus ihren Läden raus, weil das Mietniveau so hoch sei. "Vor fünf Jahren sind von vielen Vermietern noch Mieten aufgerufen worden, die sich jetzt angesichts sinkender Umsätze und der Kostenentwicklung nicht mehr rechnen und bei der Neuvermietung nicht mehr zu generieren sind".

"In einigen Lagen der Hamburger Innenstadt gingen 2016 sowohl die Mietpreisforderungen als auch die erzielbaren Mieten für Einzelhandelsflächen erstmals seit Jahren zurück", leitet Grossmann & Berger seinen soeben erschienenen Marktbericht ein. Angesichts der Umsatzeinbußen des stationären Einzelhandels durch das wachsende Online-Geschäft sei der Kurswechsel vieler Vermieter mehr als überfällig.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: