Selbstgenutztes Eigentum:Nie wieder Grundsteuer zahlen?

Vor dem Bundesverfassungsgericht ist ein Verfahren anhängig, das die Rechtmäßigkeit der Grundsteuer anzweifelt. Ulrike Kirchhoff vom Eigentümerverband Haus & Grund erklärt, wie Eigentümer handeln sollten.

Eike Schrimm

Eigentümer von selbstgenutzten Immobilien zahlen jährlich eine Grundsteuer. Nun ist vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren anhängig, das die Rechtmäßigkeit dieser Steuer anzweifelt. Ulrike Kirchhoff, Vorsitzende des Eigentümerverbandes Haus & Grund Bayern, erklärt, ob und wie Eigentümer noch vor der Urteilsverkündung handeln müssen.

Selbstgenutztes Eigentum: Ulrike Kirchhoff, Vorsitzende des Eigentümerverbandes Haus & Grund Bayern

Ulrike Kirchhoff, Vorsitzende des Eigentümerverbandes Haus & Grund Bayern

(Foto: Foto: Haus und Grund Bayern)

sueddeutsche.de: Das Bundesverfassungsgericht muss zurzeit darüber entscheiden, ob selbstgenutzte Immobilien mit einer Grundsteuer belastet werden dürfen. Wie sollten Eigentümer reagieren, denn sie bekommen die Rechnungen gerade jetzt ins Haus?

Ulrike Kirchhoff: Erst einmal müssen sie unterscheiden, ob sie vom Finanzamt einen Grundsteuermessbescheid oder von der Gemeinde einen Grundsteuerbescheid bekommen haben.

sueddeutsche.de: Wo ist denn der Unterschied?

Kirchhoff: Der Grundsteuermessbescheid wird nicht regelmäßig erlassen. Er kommt nur, wenn ein Grundstück bebaut oder wenn zum Beispiel das Haus ausgebaut worden ist und mehr Wohnfläche gewonnen wurde, wenn sich also die zugrunde liegende Bewertung ändert. Der Grundsteuerbescheid wird dagegen regelmäßig - meist jährlich - verschickt.

sueddeutsche.de: Muss man unterschiedlich auf die zwei Bescheide reagieren?

Kirchhoff: Ja. Hat der Eigentümer einen Grundsteuermessbescheid erhalten, muss er direkt beim Finanzamt Einspruch erheben und beantragen, das Verfahren ruhen zu lassen. Er sollte sich bei der Begründung auf das Verfahren berufen, das unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1644/05 vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist.

Hat der Eigentümer einen Grundsteuerbescheid erhalten, muss er bei seiner Gemeinde Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Auch hier sollte er sich auf das anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht berufen. Dieser Widerspruch hat aber kraft Gesetzes keine aufschiebenden Wirkung, so dass die Behörde also trotz des erhobenen Widerspruchs vollstrecken kann. Deshalb muss noch ein Aussetzungsantrag nach Paragraph 80, Absatz vier der Verwaltungsgerichtsordnung bei der Behörde oder nach Paragraph 80, Absatz fünf beim Verwaltungsgericht gestellt werden.

sueddeutsche.de: Soll der Eigentümer gleichzeitig eine Aussetzung der Vollziehung beantragen?

Kirchhoff: Dies sollte er im Falle eines Widerspruchs gegen den Grundsteuerbescheid tun. Da der Grundsteuermessbescheid keine Zahlungsaufforderung enthält, ist es in diesem Fall nicht nötig.

sueddeutsche.de: Muss man eine Frist beachten?

Kirchhoff: Auf jeden Fall muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides Widerspruch erhoben werden.

sueddeutsche.de: Wie wird wohl die Gemeinde beziehungsweise des Finanzamt auf den Widerspruch oder auf den Einspruch reagieren?

Kirchhoff: Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie geben dem Widerspruch oder dem Einspruch nicht statt. Dann muss der Eigentümer entweder vors Gericht ziehen und klagen oder er zahlt die Grundsteuer. Unseren Mitgliedern raten wir, dass sie sich in diesem Fall mit unseren Rechtsanwälten in Verbindung setzen, um die weitere Vorgehensweise zu planen und um dann die Erfolgsaussichten realistisch einschätzen zu können.

Die zweite Möglichkeit ist, und von dieser Reaktion gehen wir aus, dass sie den Widerspruch oder den Einspruch akzeptieren und das Urteil des Bundesverfassungsgericht abwarten. Die ersten Oberfinanzdirektionen haben bereits einen entsprechenden Erlass bezüglich der Grundsteuermessbescheide erlassen.

sueddeutsche.de: Wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts positiv für den Eigentümer ausfällt, bezieht sich das Urteil rückwirkend auf schon bezahlte Grundsteuern?

Kirchhoff: Nein. So ein Urteil würde bedeuten, dass zukünftig keine Grundsteuer mehr erhoben werden darf auf selbstgenutzte Immobilien. Außer man hat der Grundsteuer 2006 schon widersprochen oder Einspruch erhoben, dann müsste man schon von 2006 an keine Grundsteuer mehr zahlen.

sueddeutsche.de: Heißt das, Eigentümer von selbstgenutzten Immobilien müssen dann nie wieder Grundsteuer zahlen?

Kirchhoff: Das Urteil gilt für die Grundsteuer in der jetzigen Ausgestaltung. Und diese Steuer belastet einen erwarteten, theoretisch erzielten Ertrag. Da jedoch aus der selbstgenutzten Immobilie kein Ertrag erwirtschaftet wird, belastet die Steuer die Substanz des Vermögens und widerspricht der Eigentumsgarantie des Artikel 14 des Grundgesetzes. Aber sehr wahrscheinlich ist, dass das Gesetz so angepasst wird, dass eine Grundsteuer auf selbstgenutzte Immobilien wieder erhoben werden darf.

sueddeutsche.de: Mieter profitieren nicht davon, wenn die Grundsteuerpflicht aufgehoben wird?

Kirchhoff: Nein. Das Urteil bezieht sich nur auf selbstgenutztes Eigentum. Der Vermieter wird also weiterhin die Grundsteuer zu 100 Prozent an den Mieter weitergeben.

sueddeutsche.de: Wann wird das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich eine Entscheidung treffen?

Kirchhoff: Die Klage wurde 2005 eingereicht. Es könnte schon im nächsten Jahr ein Urteil gefällt werden, aber vielleicht kommt es auch erst 2007.

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