Schwimmende Häuser:Alles im Fluss

In London leben immer mehr Einwohner auf Hausbooten, weil Immobilien an Land zu teuer sind. In Deutschland ist das Wohnen auf dem Wasser eher eine architektonische Spielerei. Das Interesse steigt.

Von Sabine Richter

Die in schwindelerregende Höhe gestiegenen Londoner Wohnungspreise bescheren einer ganz anderen Branche eine spektakuläre Renaissance. Vom Immobilienboom profitieren die traditionellen Bootswerften in Nordengland, die auf Kanalboote spezialisiert sind - und derzeit komplett volle Auftragsbücher haben. Denn so manche Londoner sparen sich die teure Miete in der Stadt und ziehen auf ein Hausboot um. Besonders sparsame Flussbewohner setzen auf das sogenannte constant cruising, das heißt, sie fahren ohne festen Liegeplatz auf den Kanälen herum.

Auch in vielen anderen Städten wie Kopenhagen oder Amsterdam sind Wohnboote eine durchaus gebräuchliche Wohnform. In Amsterdam, der Welthauptstadt für Hausboote, soll es circa 2600 schwimmende Eigenheime geben. In den Niederlanden ist das Wohnen auf dem Wasser allerdings auch eine Notwendigkeit, denn Bauland ist rar.

Die Deutschen entdecken die Standortvorteile von Wasserhäusern - Hausboote mit eigenem Motor oder sogenannte Floating Houses, moderne, nicht manövrierfähige Bauten auf dem Wasser - zumeist unter anderen Vorzeichen für sich. Hier geht es eher um neue, attraktive Wohnformen. Die Stadt der tausend Hausboote wollte Hamburg werden. Das Leben auf dem Wasser in Hamburg sollte schon vor zehn Jahren eine feste Größe im Kanon bürgerlicher Wohnformen bilden. Die Vision entstand im Rahmen des Konzepts für die "Wachsende Stadt". 2005 trat im Stadtbezirk Mitte der erste Hausboot-Lotse sein Amt an, 2006 gab der Senat im Hochwasserbassin Hammerbrook und am Eilbekkanal die ersten Liegeplätze für Hausboote frei. Von einer schwimmenden Perlenkette war die Rede, 75 Stellplätze sollten hier erschlossen werden. An dem Architektenwettbewerb beteiligten sich 400 Büros.

Die Verwaltung kam aber mit ihren Vorschlägen für nutzbare Wasserflächen nicht nach. Auch die rechtliche Situation ist schwierig. Experten schätzen, dass es in ganz Hamburg derzeit gerade mal 45 offiziell genehmigte Hausboote gibt. Viel größer ist allerdings die Zahl der "grauen Lieger", die von den Behörden geduldet werden. Inzwischen hat das Thema wieder Fahrt aufgenommen, zumindest als Ankündigung. Hamburg will in puncto Wohnen auf dem Wasser deutscher Vorreiter werden. Die zahlreichen Wasseranlagen sollen konsequent weiterentwickelt, zahlreiche neue Liegeplätze erschlossen werden, kündigte Andy Grote, Bezirksamtschef von Hamburg-Mitte an.

Viele Häuser werden auch als Ferienimmobilien vermietet

Der Hamburger Eilbekkanal ist mit zehn Häusern eine bereits etablierte Hausbootlage. Hier haben sich nicht nur Singles und jüngere Paare angesiedelt, sondern auch Familien und Senioren. Zu den Booten gehört unter anderem die Peißnitz von Eigner Henning Bossow, ein altes DDR-Wohnschiff, das zu einem außergewöhnlichen Altersruhesitz umgerüstet wurde. Die jüngste Hausbootlage, für die der Senat Baurecht geschaffen hat, ist der Victoriakai auf dem Mittelkanal in Hamburg-Hammerbrook. Sieben schwimmende Häuser liegen hier, Bauherr ist die Bremer Floating Homes GmbH. Die Häuser sehen weder nach Flussfahrerromantik noch nach einem Bootskörper aus, sondern mit ihren großen, hellen und 2,80 Meter hohen Räumen nach schicker und sehr moderner Architektur. Sie bieten 115 Quadratmeter Wohnfläche und ein 58 Quadratmeter großes "Skydeck" und werden in drei Grundvarianten zu Preisen ab knapp 570 000 Euro angeboten. Enthalten ist die Steganlage, die Dalbensetzung und die Erschließung an das Wasser- und Stromnetz. Etwa fünf Euro pro Quadratmeter überdeckter Wasserfläche kommt pro Jahr an Pacht hinzu. Der Entwurf stammt vom Hamburger Architekten Martin Förster, gebaut wurden sie in den Docks der Harburger Jöhnk-Werft. "Auf Wunsch lassen sich auch schwimmende Terrassen, Gärten oder Pools hinzufügen", sagt Tanja Kürten von Floating Homes. Wer so ein schwimmendes Einfamilienhaus erwirbt, bekommt dazu auch 130 Quadratmeter Landgrundstück. Hier steht unter anderem ein gemeinschaftliches Versorgungshaus für Hausanschlüsse und Müllbehälter. Von den sieben schräg zueinander liegenden Hausbooten der Floating Homes GmbH in Hammerbrook sind inzwischen drei verkauft zum Wohnen auf Dauer, vier sollen als Ferienhäuser vermietet werden. Für den Preis bekommt man auch ein Einfamilienhaus in ordentlicher Wohnlage, allerdings nicht die Nachbarschaft von Ente und Blässhuhn und den Blick auf das von Bäumen umsäumte Wasser.

"Das Interesse an schwimmenden Häusern ist riesig", sagt Martin Förster, der schwimmende Architekturen für unterschiedlichste Nutzungen entwickelt hat und Kommunen wie Projektentwickler berät. Auf internationalen Bauausstellungen, zuletzt auf der IBA in Hamburg, ist Wohnen auf dem Wasser regelmäßig ein Thema. In den Großstädten sind Grundstücke für frei stehende Einfamilienhäuser Mangelware - mit ein Grund, weshalb sich anspruchsvolle Bauherren gern aufs Wasser locken ließen.

Die Rechtslage ist unübersichtlich, viele Fragen sind noch ungeklärt

In dem kleinen, feinen Marktsegment tummelt sich inzwischen eine Reihe von Anbietern mit interessanten architektonischen Konzepten. Seit mehr als 13 Jahren verwirklicht das Berliner Unternehmen floating houses den Traum vom Leben am Wasser. Bisher hat die Firma nach eigenen Angaben circa 50 Projekte realisiert. Das Goitzsche Resort im Leipziger Seenland ist eins der Vorzeigeprojekte des Unternehmens, neun Hausboote und zehn schwimmende Häuser liegen hier. Ein Wasserhaus mit zwei Schlafräumen kostet inklusive Wassergrundstück und sonstigen Kosten 470 000 Euro. Das Ferienhaus zum Herumfahren, ein als Sportboot zertifiziertes Hausboot mit 60-PS-Motor, gibt es ab 162 000 Euro. "Das Thema kommt langsam aus dem Nischendasein heraus", sagt Geschäftsführer Ulf Sybel, "aber die Wohnträume auf den Wellen sind nicht einfach umzusetzen". Sybel schätzt, dass es in Deutschland nur 200 "offizielle" schwimmende Häuser und Hausboote gibt, die meisten werden von Eigennutzern oder Investoren als Ferienimmobilien erworben und liegen auch in entsprechenden Gebieten. Für 100 bis 250 Euro am Tag könnten sie in der Hauptsaison vermietet werden, so Sybel. Liegeplätze kosten ab 1300 Euro pro Jahr. "Dass maritime Wohnprojekte in den größeren Städten nur langsam vorankommen, liegt daran, dass zu wenig Flächen für dauerhaftes Wohnen ausgewiesen werden", klagt Sybel.

Der Kampf um Liegeplätze und die Genehmigungsverfahren ist mühselig, die Rechtslage ist unübersichtlich. Die Behörden tun sich schwer, einheitliche Regeln zum Umgang mit Hausbooten und ihren Bewohnern zu finden. Dies beginnt bereits bei der Einstufung: Sind die Häuser Sportboote mit weniger als 25 Metern Länge, festverankerte Boote oder fahrende Modelle? Wasserrechtliche Fragen oder der Zuweg werfen ebenfalls Fragen auf. Baurecht, Versicherung, Finanzierung oder steuerliche Behandlung machen das Thema so komplex, dass es mittlerweile schon einen Hausbootkongress gibt. Der nächste findet, passend zu den Ambitionen der Stadt, im Juli in Hamburg statt.

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