Schwarzbauten in Kroatien:Ein Traum in Trümmern

An der kroatischen Adriaküste geht's vielen Häuschenbesitzern an den Kragen: Einst ohne Baugenehmigung hochgezogen, werden diese Domizile jetzt konsequent abgerissen.

Eckhard Tollkühn

Eine halbe Million illegal gebauter Häuser gibt es in Kroatien und bisher hat das auch kaum jemanden gestört. Das Bauen ohne Genehmigung hat hier eine lange Tradition. Da es vielerorts keine Bebauungspläne gibt, können auch keine offiziellen Baugenehmigungen ausgestellt werden. Während des Jugoslawienkrieges sind viele Menschen mittellos geworden, andere dagegen zu viel Geld gekommen.

Dieser Wohlstand und oftmals auch Korruption und Kungeleien in den Amtsstuben haben seit Mitte der neunziger Jahre nicht selten zu einem unansehnlichen Wildwuchs an der kroatischen Adria geführt. Dem will die Regierung jetzt einen Riegel vorschieben. Nicht nur das: Die schlimmsten Bausünden sollen dem Abrissbagger zum Opfer fallen.

Aus heiterem Himmel

Wer in Kroatien zu nah am Wasser gebaut hat, dem kommen jetzt buchstäblich die Tränen. Die Maßnahmen der Behörden kamen freilich nicht aus heiterem Himmel. Trotz gewisser Vorwarnungen spielten sich dramatische Szenen ab, als die ersten Abrissbagger anrückten. Auf der Insel Vir, nördlich der Stadt Zadar, umgab sich ein empörter Hausbesitzer mit Propangasflaschen und drohte sich, in die Luft zu sprengen. Erst als ein Regierungsbeamter ihm zusicherte, sein Haus werde verschont, wenn er nachweislich keine andere Bleibe habe, ließ man den Abbruch sein.

Erika Vukovic aus Stuttgart besitzt ein halbfertiges Ferienhaus in Koziak an der Südküste, etwa hundert Meter vom Meer. Sie war von der ersten Abrissphase nicht betroffen, muss aber weiter bangen, weil in der zweiten Phase auch Häuser ohne Baugenehmigung ins Visier genommen werden, die bis zu 200 Meter vom Strand stehen. Erika Vukovic erinnert sich, wie um halb fünf morgens die Bagger anrückten und die Polizei das Gelände abriegelte. Auf dem Meer sei sogar ein Boot der Küstenwache in Position gegangen.

24 Stunden Zeit für den Auszug

"Es war eine Katastrophe. Man hatte keine Ahnung. Abends hatten die Nachbarn noch den Rasen gemäht. Die waren wie am Boden zerstört. Die hatten nur 24 Stunden, um auszuziehen. Das waren wunderschöne Häuser, das tut einem in der Seele weh. Das einzige was noch steht, sind der Zaun und der Grill. Keine Schutthaufen, nichts. Alles weggeräumt. Das ist einfach nicht gerecht", beklagt sich Vukovic.

Auf Vir wurden inzwischen 50 Häuser, allesamt Feriendomizile, zerstört. 18 davon gehörten Ungarn und Slowenen. In Rogoznica, wo im September mit dem Abriss von 130 Häusern begonnen wurde, ist man etwas nachsichtiger vorgegangen als auf Vir. Fünf Tage hatten dort die Bewohner Zeit, ihr Mobiliar auszuräumen. Trotzdem traten 19 der betroffenen Hausbesitzer in den Hungerstreik. Sie gaben erst auf, als der Bürgermeister und der gesamte Gemeinderat aus Protest gegen das Zagreber Diktat abtraten.

Damit verloren die Streikenden ihre direkte Zielscheibe. Die Stadtoberen, so behaupten sie, hätten ihnen nämlich versprochen, dass aus ihrem Ackerland, Bauerwartungsland und bald darauf Bauland werde. Also wurde eifrig drauflos gebaut. Kritisch wurde es allerdings schon vor zwei Jahren, als ein neues Gesetz eine baufreie Zone 70 Meter vom Strand festlegte. Bis zu dem Zeitpunkt standen aber schon Hunderte von Schwarzbauten unmittelbar am Wasser.

Abrisskosten: 500 Euro pro Quadratmeter

Nach dem Abriss bittet die Regierung die Geschädigten streng zur Kasse und berechnet ihnen für den Abbruch und die Räumung des Schutts 500 Euro pro Quadratmeter, das Zehnfache der Kosten die ein privat bestellter Unternehmer verlangen würde. Die Differenz soll die Schwarzbauer zum Handeln zwingen.

Tatsächlich reißen viele ihre Häuser jetzt selbst ab, um Kosten zu sparen. Insgesamt sollen 700 Gebäude in Rogoznica dem Erdboden gleichgemacht werden. Einige der Betroffenen wehren sich mit Klagen gegen die Regierung. Sie werfen ihr "unlauteres Geschäftsgebaren" vor. Es könne nicht angehen, dass die Behörden Steuern, Strom- und Wasserrechnungen einkassierten und Jahre später die Gebäude für illegal erklärten.

Kein Wunder, dass sich die verantwortliche Politikerin Marini Matulovic-Dropulic, Ressortchefin für Bauwesen und Umweltschutz in Zagreb, heftigen Attacken ausgesetzt sieht. Sogar kriminelle Drohungen gegen sie und ihre Tochter gibt es. Von dem Plan, Ordnung in den Bau-Wildwuchs ihres Landes zu bringen, will sich die Politikerin dennoch nicht abbringen lassen. Nur bei Familien, die in illegalen Häusern leben und sonst keine Bleibe haben, soll Gnade vor Recht ergehen.

Die neue Konsequenz, mit der jetzt gegen Bausünder vorgegangen wird, ist nicht zuletzt eine Folge der Brüsseler Auflagen für einen Beitritt Kroatiens in die EU. Bis Ende des Jahres soll ein nationaler Bebauungsplan auf dem Tisch liegen, auf den Kommunen wie Bauherren schon lange gewartet haben. In den Supermärkten von Vir und Rogoznica finden sich Aushänge, die "fast neue" Spülbecken, Herde oder Duschwannen anpreisen. Aber Käufer finden sich wenige.

Auch die Immobilieninvestoren halten sich verständlicherweise zurück. Für ausländische Investoren ist die Abrissaktion ein zweischneidiges Schwert: Einerseits wünschen sie sich klare Verhältnisse, einen ökologisch vertretbaren Bebauungsplan und eine faire Rechtsprechung, andererseits fürchten sie aber auch die Unberechenbarkeit, die bei dieser Aktion offenkundig wird.

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