Schuldenkrise:Wenn die Griechen ihre Banken stürmen

Weil Griechenland unter dem Sparpaket ächzt und die Wirtschaft stagniert, scheint es utopisch, dass Athen wie vorgesehen nächstes Jahr frisches Geld vom Kapitalmarkt bekommt - und zweifelhaft, ob die Regierung ihre Schulden zurückzahlen kann. Also Schrecken ohne Ende, neue Hilfe von der EU?

Alexander Hagelüken und Claus Hulverscheidt

Manche Ökonomen fordern es schon länger: Griechenland soll aus der Währungsunion austreten, um aus der Schuldenfalle zu kommen und die Euro-Partner nicht übermäßig zu belasten. Weil das Land unter dem Sparpaket ächzt und die Wirtschaft stagniert, erscheint es utopisch, dass Athen wie vorgesehen nächstes Jahr frisches Geld vom Kapitalmarkt bekommt - und zweifelhaft, ob die Regierung ihre Schulden zurückzahlen kann. Also Schrecken ohne Ende, neue Hilfe von der EU?

Doctors, nurses and ambulance staff protest outside the Health Mi

Zusammenstöße in Athen: Griechen protestieren gegen die Sparpolitik ihrer Regierung.

(Foto: dpa)

Womöglich ist eine Rückkehr zur Drachme "das kleinere Übel", findet Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts. Mohamed El-Erian, der für die Allianz über rund eine Billion Dollar Fondsgeld wacht, stellte sich schon im Herbst 2010 eine zweijährige "Auszeit" vom Euro vor. Die Frage ist, ob das Griechenlands Probleme wirklich lösen würde - und was ein Abgang für die ganze Währungsunion bedeuten könnte.

Was bringt eine Rückkehr zur Drachme?

Griechenland könnte seine Zinsen wieder selber bestimmen und die neue alte Landeswährung gegenüber dem Euro und anderen Währungen abwerten. Dadurch lassen sich griechische Produkte auf den Weltmärkten billiger verkaufen. Ifo-Chef Sinn fürchtet, das Land komme anders nicht auf die Beine. Ein reiner Sparkurs könne eine Kürzung von Löhnen und Preisen um 20 bis 30 Prozent erfordern und dadurch das Land "an den Rand eines Bürgerkriegs" bringen. Sinn vergleicht die Situation mit Deutschland Anfang der 30er Jahre, als ein reiner Sparkurs die Depression vergrößerte.

Schlucken die Griechen, dass Erspartes in Drachmen weniger wert ist?

Bestimmt nicht. Die Hellenen dürften die Schalter stürmen, um ihr Geld vor der Währungsreform in Euro abzuheben. Was die griechischen Banken wohl in die Pleite triebe und den deutschen Instituten Verluste bescheren würde, die ihnen Geld geliehen haben. Die Gefahr eines Banken-Runs sieht auch Sinn, der deshalb Euro-Hilfen für diese Geldhäuser fordert. Er argumentiert, ohne Drachme gingen die Banken ebenfalls pleite, weil die Unternehmen der Realwirtschaft ohne Exportchancen ihre Bankkredite nicht zurückzahlen könnten.

Sind außer einem Banken-Run andere Probleme abzusehen?

Auf jeden Fall. Die Regierung muss ihre Schulden von mehr als 300 Milliarden Euro in Euro zurückzahlen. Da die Drachme aber viel weniger wäre als der Euro, würde die Rückzahlung dramatisch teurer. Das Bundesfinanzministerium rechnet in einem internen Papier mit einer Abwertung der Drachme um bis zu 50 Prozent, was die Schulden auf 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts treiben könnte - schwer auszuhalten.

Wie reagieren die Finanzmärkte?

Manche Ökonomen meinen, ein Euro-Austritt mit anschließender Zwangsumschuldung werde eine Panik auslösen, vergleichbar mit der Pleite der Bank Lehman 2008. Spekulanten nehmen weitere Wackelkandidaten wie Portugal oder Spanien ins Visier, die ganze Währungsunion könnte auseinanderbrechen. Andere Wissenschaftler halten das für Panikmache. Auf jeden Fall dürfte Griechenland zehn oder fünfzehn Jahre vom Kapitalmarkt abgeschnitten sein, wenn es seine Schulden nach dem Austritt nicht zurückzahlt.

Kann sich Griechenland keine Finanzhilfe von außen holen?

Von wem denn? Die Europäische Union hätte wenig Veranlassung, einem Land, das gerade ausgetreten ist, finanziell unter die Arme zu greifen. Bliebe der Internationale Währungsfonds (IWF), der jedoch Kredite traditionell nur gegen strengste Auflage vergibt - strengere jedenfalls, als sie die EU-Partner mit Griechenland vereinbart hatten.

Was bedeutet ein Austritt politisch?

Es wäre ein Rückschritt für den EU-Prozeß, der allen Europa-Skeptikern Recht geben würde - auf dem Kontinent selbst, wo es nationalistische Bewegungen gibt, aber auch in den USA und in Asien. Ein Austritt aus der Währungsunion ist in den EU-Verträgen auch gar nicht vorgesehen. Das gesamte Projekt einer Europäischen Union geriete in Gefahr, falls der Euro bröselt. Selbst wenn man davon ausginge, dass ein am Ende übrig bleibendes Kern-Europa rascher gemeinsam vorankäme, wäre die weitere Integration für eine lange Übergangsperiode gestoppt. Kern-Europa wäre zudem anschließend von einer politisch höchst instabilen Peripherie umgeben.

Wenn Athen also doch im Euro bleibt, aber trotzdem ebenfalls einen Schuldenerlass braucht, was passiert dann?

Viele Banken, die Griechenland-Anleihen gekauft haben, würden bei einer Umschuldung in Schwierigkeiten geraten. Zum Beispiel deutsche Geldhäuser, die Forderungen von etwa 26 Milliarden Euro halten, besonders stark sind wohl die angeschlagenen Landesbanken und die Hypo Real Estate engagiert. Noch härter träfe eine Umschuldung die griechischen Banken. Auch die Europäische Zentralbank, die den Geschäftsbanken in großem Stil Griechen-Bonds abgekauft hatte, könnte tief in die roten Zahlen rutschen. Wenn auch die Euro-Staaten Schulden aus dem Hilfsprogramm erlassen, müssten darüber hinaus auch die Steuerzahler in denjenigen EU-Partnerländern bluten, die Griechenland im vergangenen Jahr Geld geliehen haben - allen voran die deutschen.

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