Schuldenkrise in Europa:Wer Berlusconi hilft, rettet den Euro

Trotz des irrlichternden Berlusconi ist die Lage in Italien zwar ernst, aber keineswegs katastrophal - und ein Vergleich mit Griechenland unsinnig. Gegen die ständigen Attacken von den Finanzmärkten gibt es nur eine Lösung: Die italienische Regierung muss sofort strikt sparen und die Euro-Zone dem Land viel Geld zur Verfügung stellen. Ansonsten ist die Gemeinschaftswährung in Gefahr.

Alexander Hagelüken

Jetzt also Italien. Die Zitterprämie für Staatspapiere des Landes ist so hoch geklettert wie noch nie seit dem Abschied von der Lira. Die Krise des ungeliebten Euro verharrt nicht mehr an den Rändern des Kontinents, in Griechenland, Irland oder Portugal. Sie hat sich ins Zentrum gefressen, in die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Währungsunion.

Italian Prime Minister Silvio Berlusconi and Finance minister Giu

Italiens Premierminister Silvio Berlusconi im Palazzo Chigi in Rom.

(Foto: dpa)

Zugleich ist sie in dem Land angekommen, das schon immer die Ängste vieler Bundesbürger vor dem neuen Geld symbolisierte. Die Italiener mit ihrer Schuldenwirtschaft: Gern Urlaubsziel, aber bloß kein Wirtschaftspartner - genau deshalb wollten die Deutschen ihre Mark behalten. Und nun sollen sie auch noch für die Rettung zahlen?

Die Lage ist ernst, kein Zweifel. Italien hat so viel Schulden angehäuft wie sonst nur Griechenland. Nimmt man die Prämien für die Absicherung von Krediten zum Maßstab, halten die Finanzmärkte Kasachstan für den verlässlicheren Schuldner. Trotzdem liegt die größte Gefahr nicht in der italienischen Realität. Sie besteht darin, dass internationale Investoren das Land zum neuen Spielball machen und Europas Regierungen panisch reagieren. Denn Italien ist nicht das nächste Griechenland. Die Situation stellt sich in vielem besser dar als im Ursprungsland der Euro-Krise.

Italien verfügt im Gegensatz zu anderen Staaten Südeuropas über international erfolgreiche Unternehmen, die Aussichten auf Wachstum sind solide - und Wachstum ist das Wichtigste, um Kredite zurückzuzahlen. Das Land erlitt keine Immobilienblase und muss kein riesiges Handelsdefizit finanzieren. Die meisten römischen Staatspapiere halten die Italiener selbst, was das Zerstörungspotential internationaler Spekulanten begrenzt; eine ähnliche Situation wie in Japan, das die höchsten Verbindlichkeiten aller Industriestaaten aufweist, aber überhaupt nicht im Rampenlicht der Investoren ist.

Italien steht keineswegs katastrophal da, falls es die Zeichen der Zeit erkennt und entschieden spart. Die irrlichternde Regierung Berlusconi ist ein Standortnachteil, doch hoffentlich einsichtsfähig genug, das Sparpaket durchzusetzen. Italien hat Schwächen, aber es ist nicht zum Absturz verurteilt - außer Europas Regierungen geben das Land zum Abschuss frei. Wie dramatisch Investoren eine Schuldensituation beurteilen, ist vor allem eine Vertrauensfrage.

Das lässt sich am Beispiel Amerikas sehen. Bezogen auf die Wirtschaftsleistung, drücken die USA fast so hohe Verbindlichkeiten wie Italien - und doppelt so hohe wie Spanien. Doch kein Spekulant attackiert Amerika, weil das als aussichtslos gilt. Deshalb müssen Europas Regierungen mit aller Macht klarstellen, dass eine Spekulation gegen Italien weder gerechtfertigt noch aussichtsreich ist. Dann lässt sich verhindern, dass die Euro-Krise von den Rändern auf Italien und Spanien übergreift und die Währungsunion auseinanderbricht.

Deutschland als Vorbild

Es gibt ein Vorbild für die Rettung vor dem Abgrund. Nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers stützten Amerika und Deutschland ihre Finanzbranche und erstickten jede Panik im Keim. Entscheidend war, dass sie einen dicken Geldkoffer präsentierten und die Kontrolle über die Firmen übernahmen, obwohl Aktionäre und Schönwetter-Ökonomen maulten. Das wäre das Modell für die Lösung der Euro-Krise.

Die Regierungschefs sollten sich am Freitag zu einem Sondergipfel treffen und erklären, dass sie Italien auf jeden Fall mit neuen Krediten versorgen. Das nimmt die Unsicherheit aus dem Markt und entzieht der Spekulation den Boden.

Natürlich müssen die Euro-Partner für diesen Fall viel Geld bereitstellen. Aber es wären eben Garantien und Kredite, die bei normaler Entwicklung zurückfließen, keine verlorenen Mittel. Die enormen Wachstumsgewinne durch den Euro, der den Handel so erleichtert, sind eine solche Anstrengung wert. Und von einer Beruhigung im Euro-Raum profitieren alle.

Wichtig wäre dabei der zweite Punkt, die Kontrolle. Europas Regierungen müssen endlich zusammenfinden. Sie sollten klarmachen, dass sie in allen maroden Euro-Staaten einen Sparkurs durchsetzen, mögen manche Griechen noch so demonstrieren.

Politische Kontrolle bedeutet auch, dass die Regierungen ihre Banken zur Mithilfe verpflichten. Die großen Geldhäuser können einen Schuldenerlass auf griechische Anleihen verkraften und so dem Land ermöglichen, überhaupt aus seinem tiefen Loch zu kommen. Die Verweigerung einer Branche, die in der Finanzkrise vom Steuerzahler gerettet wurde, wirkt wie eine Anmaßung. Alle Geldhäuser sind darauf angewiesen, weiter Geschäfte in den großen EU-Staaten zu machen. Daran sollten die Politiker sie erinnern - erst freundlich, dann unfreundlich. Der Vorstoß des Commerzbank-Chefs für einen Schuldenerlass zeigt, dass manche Banker wissen, was Verantwortung bedeutet.

Was ist die Alternative zur großen Lösung für den Euro? Es wäre ein weiteres Zaudern, es wären hektische Notaktionen. Bald könnte Italien so unter Beschuss kommen, dass seine Schulden unbezahlbar werden. Eine solche Last könnte Europa nicht mehr finanzieren, dafür ist Italien zu groß. Der Euro wäre dann wirklich am Ende.

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