Schuldenkrise in Europa:Süße Droge Euro-Bonds

Sind Euro-Bonds Teufelszeug oder die letzte Rettung in der Schuldenkrise? Die gemeinsamen Anleihen sind umstritten. Kanzlerin Merkel sperrt sich dagegen - dabei haftet ihre Regierung doch längst für die Pleitiers des Kontinents. Und im Unterschied zu den bisherigen Modellen gibt es bei den Euro-Bonds sogar Ideen, wie sie funktionieren könnten.

Catherine Hoffmann

Das Bangen um den Euro bringt ein Gefühl zurück, das schon erloschen zu sein schien. So wenig die Deutschen einst ihre D-Mark für die gemeinsame Währung hergeben wollten, so wenig wollen sie heute ihre Bundesanleihen gegen Euro-Bonds tauschen. In Wirtschaft und Politik ist die kollektive Verschuldung umstritten. Die einen halten sie für Teufelszeug, die anderen warnen vor ihrer Dämonisierung. Tatsächlich steckt der Teufel im Detail.

Der amerikanische Finanzinvestor George Soros ist überzeugt, dass nur gemeinsame Anleihen den Euro retten können. "Deutschland und die anderen Länder mit AAA-Anleiheratings müssen einem wie auch immer gearteten Euro-Bond-Regime zustimmen", schrieb der Spekulant kürzlich im Handelsblatt. "Andernfalls bricht der Euro zusammen." Der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Hans-Werner Sinn, wettert gegen die süße Droge Euro-Bonds: "Das Zusammenwerfen der Schulden macht die Lasten nicht kleiner." Auch Berlin sperrt sich dagegen, für die Verbindlichkeiten anderer Euro-Staaten geradezustehen.

Tatsächlich haftet Deutschland aber längst für die Schulden der Peripherie-Staaten: Können Griechenland, Irland und Portugal ihre Notkredite nicht zurückzahlen, muss der deutsche Steuerzahler einspringen. Auch die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank bergen ein Risiko, für das am Ende der Steuerzahler haftet. Ist nun also die Zeit reif für gemeinsame Schuldtitel - oder nicht?

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ist zwar kein Freund der Euro-Anleihen, er sieht sie aber als letztes Mittel, das helfen könnten, die Staatsschuldenkrise zu überwinden - allerdings nur, wenn die Wähler dahinter stehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wissen: Sie können die Euro-Anleihen nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einführen, am Montagmorgen, kurz bevor die Börse in Tokio eröffnet. Ohne demokratische Legitimation dürften auch die Finanzmärkte schwer zu überzeugen sein, dass die von ihnen spöttisch "E-Bonds" genannten Papiere als Stabilitätsanker der Währungsunion taugen können.

Die Anforderungen an gemeinschaftliche Anleihen sind hoch: Sie müssen die Regierungen disziplinieren im Umgang mit Einnahmen und Ausgaben. Sie müssen den Märkten Zuckerbrot und Peitsche an die Hand geben, um korrektes Verhalten zu belohnen und Sünden zu bestraften. Sie sollten spekulative Attacken abwehren, vor Ansteckungsgefahren schützen und den Euro stärken. Und wenn immer noch ein Wunsch offen bliebe, so sollten die Euro-Anleihen starken wie schwachen Staaten helfen.

Ökonomen haben verschiedene Modelle entwickelt, die diesen Ansprüchen in unterschiedlichem Maße genügen. Sylvester Eijffinger von der Universität Tilburg hat sie in einem Papier für das Europäische Parlament zusammengefasst. Der bekannteste Entwurf stammt von Jacques Delpla und Jakob von Weizsäcker. Sie schlagen vor, dass die 17 Euro-Länder Schulden nur bis zur Obergrenze von 60 Prozent ihrer jeweiligen Wirtschaftsleistung per E-Bond finanzieren dürfen. Schulden, die über das Maastricht-Limit hinausgehen, muss jedes Land auf eigene Kosten stemmen - zu entsprechend höheren Zinsen, die der Markt diktiert.

"Gleiche Qualität, hohe Liquidität"

Delpla und Weizsäcker versprechen, dass die Euro-Anleihen im Vergleich zu Bundesanleihen "gleiche Qualität, höhere Liquidität" liefern würden, da die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls sehr gering sei. Umso höher wären die Ausfallrisiken für die nationale Anleihen. Anleger würden für das Risiko hohe Renditen fordern - ein Anreiz für verschuldete Staaten, ihre öffentlichen Kassen zu sanieren. Für etliche Mitgliedsstaaten wäre die zusätzliche Schuldenaufnahme einfach zu teuer.

Eine andere Lösung schlägt Wim Boonstra vor, Chefökonom der holländischen Rabobank. Eine neue, unabhängige Schuldenagentur solle Euro-Anleihen herausgeben und das Geld den Euro-Mitglieder leihen, allerdings nicht zu einem einheitlichen Zinssatz: Wer mehr Schulden und ein höheres Haushaltsdefizit als Deutschland und Frankreich aufweist, soll mehr zahlen. Die Belastung nimmt automatisch zu, wenn sich die Haushaltslage verschlechtert. Ob das Modell funktioniert, hängt stark von der Glaubwürdigkeit der Finanzagentur ab. Die Märkte können einzelne Schuldenstaaten nicht mehr durch höhere Zinsen strafen.

Weniger radikal ist die Empfehlung der Wissenschaftler Paul De Grauwe und Wim Moesen. Im Zentrum steht eine EU-Institution wie die Europäische Investitionsbank (EIB), die Euro-Anleihen herausgibt. Die Mittel sollen den Mitgliedstaaten entsprechend ihrer Kapitalanteile an der EIB zugeteilt werden. Die Verzinsung dieser Euro-Anleihe soll dem (gewichteten) Durchschnitt der nationalen Staatsanleihen entsprechen.

Um jede Form der Umverteilung zu verhindern, sollte jede nationale Regierung aber jenen Zins auf die Zuteilung entrichten, den sie bei ihren national begebenen Schuldtiteln zu zahlen hat. Trittbrettfahrer hätten es mit De Grauwe und Moesen besonders leicht, die auf Kosten anderer weiter Schulden machen.

Ein Grundproblem der Euro-Anleihen bleibt allen Dreien: Am Ende haften die nationalen Steuerzahler für ein fremdes Land, auf dessen Verbindlichkeiten und Einnahmen sie nicht zugreifen dürfen. Es braucht schon sehr viel Vertrauen in die institutionellen Rahmenbedingungen, um dem zuzustimmen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: