Schuldenkrise in Europa:Euro-Finanzminister verschieben Hilfen für Griechenland

Athen muss weiter zittern: Die Euro-Partner wollen Griechenland nach den Worten von Eurogruppen-Chef Juncker nicht fallenlassen, verzögern jedoch die nächste geplante Kredittranche. Der Aufschub kommt überraschend, denn bislang hieß es, ohne neue Hilfsgelder sei das Land Mitte Oktober pleite.

Die Hängepartie um Griechenland geht weiter, die Euro-Finanzminister lassen den strauchelnden Partner zappeln. Eine Entscheidung über die Auszahlung der nächsten Kredittranche an das pleitebedrohte Land wird verschoben. "Ich habe das für den 13. Oktober geplante Ministertreffen abgesagt", verkündete Jean-Claude Juncker.

Der Grund dafür sei, dass die Expertengruppe ihren Bericht über die Sparfortschritte Athens bis dahin nicht fertig haben werde, sagte der Vorsitzende der Eurogruppe. Einige Minister hatten zudem Zweifel am Sparwillen Athens durchblicken lassen. Die nächste Tranche soll nun nicht Mitte des Monats, sondern laut Juncker erst "im Laufe des Oktobers" ausgezahlt werden.

Derzeit ist die sogenannte Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Athen. Von ihrer Einschätzung der Lage machen die Euro-Länder die Freigabe der acht Milliarden Euro schweren Rate abhängig. Athen muss strikte Auflagen für die Hilfsgelder erfüllen, kann aber das vereinbarte Sparziel beim Haushaltsdefizit in diesem Jahr nicht einhalten.

Der Aufschub der nächsten Tranche kommt überraschend. Bislang hatte es geheißen, ohne neue Hilfsgelder sei das hochverschuldete Land bereits Mitte Oktober pleite. Griechenland benötige aber erst im November frisches Geld, hieß es nun.

Juncker betonte unterdessen, im Kreis der Minister habe sich niemand dafür ausgesprochen, Griechenland kein Geld mehr zu leihen und das Land pleitegehen zu lassen. "Wir werden alles tun, um das zu verhindern", sagte der Eurogruppen-Chef. "Niemand hat sich für einen Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone ausgesprochen. Ich kann alle solche Gerüchte verneinen."

Eine Einigung erzielten die Finanzminister unterdessen bei einer anderen Streitfrage: Die Euro-Länder können für neue Hilfskredite an Griechenland künftig ein Sicherheitspfand verlangen. Besonders Finnland hatte darauf gedrängt.

Der Chef des Euro-Krisenfonds EFSF, Klaus Regling, sagte, diese Möglichkeit stehe allen Geldgebern offen. "Aber es muss ein Preis dafür gezahlt werden", betonte er. Staaten, die ein Pfand erhielten, bekämen scharfe Auflagen, um das Sicherheitspfand möglichst unattraktiv zu machen. EU-Währungskommissar Olli Rehn sprach von einer "fairen und ausgewogenen Lösung".

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dringt einem Zeitungsbericht zufolge derweil auf klare Regeln für eine geordnete Insolvenz hochverschuldeter Staaten der Euro-Zone. Rösler habe bereits Eckpunkte für ein Verfahren erarbeiten lassen, die in den Vertragsentwurf über den permanenten Krisenmechanismus ESM einfließen sollen, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf einen Brief von Röslers Staatssekretär Stefan Kapferer an Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen.

"Das Ziel eines solchen Restrukturierungsverfahrens muss es sein, dass ein angeschlagenes Land, das sich aus eigener Kraft nicht mehr helfen kann, seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zurückerlangt und gestärkt aus dem Restrukturierungsprozess herauskommt", zitiert die Zeitung aus dem Brief. "Mit Blick auf die angestrebte Resolvenz des betroffenen Landes kann deshalb auch von einem Resolvenzverfahren gesprochen werden." Dies solle nicht dazu führen, dass ein Land pleitegehe, sondern dass es wirtschaftlich wieder "fit" werde. Wenn ein Land seine Schulden nicht mehr tragen könne, müsse ein festgelegtes Verfahren beginnen, heißt es in dem Papier nach Angaben der Zeitung weiter. Gegebenenfalls müsse es dabei eine partielle Einschränkung von Souveränitätsrechten in Kauf nehmen. Das Verfahren müsse ein unabhängiges Gremium führen, das die Verhandlungen zwischen Schuldnerstaat und Gläubigern organisiert und überwacht.

Griechenland will nicht der Sündenbock sein

An diesem Dienstag wollen nun die Finanzminister der 27 EU-Staaten über die Lage im pleitebedrohten Griechenland beraten, das seine Sparziele für das laufende Jahr verfehlen wird. Die Minister wollen zudem eine Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes beschließen, die ab Januar 2012 gelten soll. Das Europaparlament hatte bereits zugestimmt. Außerdem wollen die Kassenhüter schärfere Regeln für den gigantischen außerbörslichen Handel mit Derivaten und Kreditausfallversicherungen auf den Weg bringen.

Jean-Claude Juncker listens to Evangelos Venizelos during an eurozone finance ministers meeting in Luxembourg

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos (links) im Gespräch mit Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker: Die Auszahlung der nächsten Kredittranche wurde verschoben.

(Foto: REUTERS)

Bereits am Vortag hatten die Finanzminister der 17 Euro-Länder sieben Stunden lang über die Situation Griechenlands diskutiert. Dabei rückte die Umsetzung des zweiten Hilfspakets trotz des zeitlichen Aufschubs näher. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die Minister der Euro-Staaten in Luxemburg auf eine Lösung im Streit um Sicherheiten. Die Euro-Länder können für neue Hilfskredite an Griechenland künftig ein Sicherheitspfand verlangen, vor allem Finnland hatte darauf gedrängt.

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos wehrte sich unterdessen gegen Schuldzuweisungen. "Griechenland ist ein Land mit strukturellen Problemen, aber nicht der Sündenbock der Euro-Zone", sagte Venizelos, Athen erfülle die Auflagen der internationalen Geldgeber. Kurz zuvor hatte er mitgeteilt, das Sparziel für das laufende Jahr zu verfehlen. Das Haushaltsdefizit werde statt der vereinbarten 7,6 nun 8,5 Prozent betragen.

Im Gegenzug für das 110 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm von Europäern und Internationalem Währungsfonds muss Athen strenge Auflagen einhalten. "Die Troika beschäftigt sich ja mit der Frage, was angesichts der aktuellen Zahlen in Griechenland die Empfehlungen sind, und diesen Bericht warten wir ab, das ist der Sinn", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

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