Schnelles Bauen:Eins, zwei, drei: Fertighaus

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Eigenheim für 66 500 Mark: Quelle-Fertighaus vom Typ 100 aus dem Jahr 1965, heute zu besichtigen im VR-Freilichtmuseum Kommern. (Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern)

In Musterausstellungen zeigen Firmen, was heute alles machbar ist.

Von Stefan Weber

Sven Gauter kann sich noch gut erinnern, wie das war Mitte der Siebzigerjahre. Damals war er im Teenager-Alter und seine Eltern wollten bauen. So unternahm die Familie sonntags gelegentlich einen Ausflug der besonderen Art: Es ging in eine der Musterhausausstellungen, die damals in einigen Regionen Deutschlands aus dem Boden schossen. Die Hersteller von Fertighäusern wollten Bauinteressenten zeigen, dass es eine Alternative zum konventionellen Stein-auf-Stein-Bau gibt. Und so begannen sie, ihre aus vorgefertigten Teilen erstellten Häuser in kleinen Siedlungen zu präsentieren. Hübsch umrandet von viel Grün, ansprechend möbliert und gut erreichbar an einer Autobahn gelegen. "Als Kind fand ich diese Ausstellungsbesuche ziemlich langweilig", erinnert sich Gauter. Heute ist es sein Job, ein solches Fertighaus-Universum zu managen.

"Die Bauherren möchten sehen und fühlen, ehe sie sich entscheiden."

Gauter steht am großen, geschwungenen Tresen des Empfangsgebäudes der "Fertighaus Welt" Wuppertal. Es ist kurz vor elf Uhr, ein Mittwoch. Gleich eröffnet "Europas modernste Haushausstellung", wie sich das Gelände nicht unbescheiden nennt. Hier in unmittelbarer Nähe der A 46 zeigen 20 Fertighaushersteller, was die Branche vor allem in Sachen Energieeffizienz kann: Alle Objekte sind Plus-Energie-Häuser, die mehr Strom und Wärme aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen als sie verbrauchen. 70, 80 Besucher, schätzt Gauter, werden heute in die Ausstellung kommen. Drei Euro kostet der Eintritt, Paare zahlen fünf Euro. An Wochenenden ist es deutlich voller in der Fertighaus Welt, vor allem sonntags. "Dann sind auch schon einmal 500 oder gar 600 Besucher auf dem Gelände." Mit der festen Absicht, ein Haus zu kaufen, kommen freilich die wenigsten. Neun von zehn Gästen, so schätzt der Verkäufer eines dort vertretenen Hausherstellers, der nicht genannt werden möchte, kommen, um sich Anregungen zu holen, für eine Umgestaltung ihres Bades oder ihrer Küche. "Oder, sie machen lediglich einen Ausflug." Knapp 50 000 Menschen besuchen jährlich die Fertighaus Welt Wuppertal. Stimmt die Beobachtung des Verkäufers, kommen immerhin 5000 echte Bauwillige. Von denen wiederum wird am Ende etwa jeder Zehnte einen Kaufvertrag unterschreiben.

"Hausausstellungen sind das wichtigste Vertriebsinstrument der Hersteller. Die Bauherren möchten sehen und fühlen, ehe sie sich entscheiden", sagt Achim Hannott vom Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF). 18 große Musterhaussiedlungen gibt es in Deutschland, die meisten südlich des Mains - hier haben Fertighäuser mehr Fans als im Norden der Republik. In Baden-Württemberg wird jeder vierte Neubau aus vorgefertigten Elementen erstellt. Im bundesweiten Durchschnitt kommen die Fertighausbauer auf einen Marktanteil von gut 16 Prozent - Tendenz stark steigend. In fünf Jahren, schätzt Hannott, wird die Branche 20 Prozent des Marktes besetzen.

Warum interessieren sich immer mehr Bauwillige für Fertighäuser? "Weil sie alle Leistungen aus einer Hand erhalten und weil sie schnell ins eigene Haus wollen. Zudem sind Fertighäuser Energiesparhäuser", sagt Gauter. Da sämtliche (meist aus Holz bestehenden) Bauteile wie Wände und Dach vorproduziert aus der Werkhalle kommen, müssen sie auf dem Baugrundstück nur noch zusammengesetzt werden. Das geht oft innerhalb eines Tages. Dagegen werden Massivhäuser aus Materialien wie Beton, Holz oder Stein auf der Baustelle von Grund auf erstellt. Das erfordert natürlich mehr Zeit. "Ein höheres Tempo legen die Fertighaushersteller jedoch nur unmittelbar auf der Baustelle hin. Einschließlich der Planung und Vorproduktion, sind sie oft nicht wesentlich schneller", beobachtet Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherrn, einer Verbraucherschutzorganisation im Bauwesen.

Fertighäuser sind hellhöriger, leichter entflammbar und anfälliger für Schädlingsbefall als konventionell erstellt Bauten - mit diesen Argumenten der Massivhaus-Lobby aus den Siebziger- und Achtzigerjahren müssen sich die Verkäufer von Kampa, Schwörer, Huf und all den anderen Anbietern heute immer seltener befassen. "Bauherren, die sich näher damit beschäftigen, wissen, dass das heute nicht mehr gilt", sagt Gauter. Die Branche habe sich deutlich weiterentwickelt. Ein Beleg dafür ist aus seiner Sicht die Tatsache, dass die meisten Versicherungen Fertighäuser zu gleichen Konditionen versichern als Massivhäuser. Richtig ist aber auch, dass einige Banken bei der Finanzierung von Fertighäusern besonders vorsichtig agieren. Aus ihrer Sicht haben Fertighäuser in puncto Langlebigkeit Nachteile; zudem sei eine Verwertung mitunter schwieriger, weil manche Menschen nach wie vor Vorbehalte gegen Fertighäuser hätten. Und, so erzählen Baufinanzierungsexperten, es gebe häufig Nachfinanzierungsbedarf, weil die von den Herstellern genannten Festpreise manche wichtige Leistung nicht enthielten.

Inzwischen hat Gauter an diesem Morgen gut ein Dutzend Besucher empfangen. Er fragt stets nach der Postleitzahl des aktuellen Wohnorts - und erhält so einen guten Überblick, welche Anreise die Interessenten auf sich nehmen. 100, 150 Kilometer sind keine Seltenheit. Die meisten bleiben knapp drei Stunden, dann geht es mit einem Stapel voller Prospekte auf die Heimreise. Nur wenige haben sämtliche 20 Häuser von innen gesehen. "Schon nach zehn Objekten schwirrt vielen der Kopf", sagt der Ausstellungsmanager.

"Viele lassen sich gutgläubig von den Versprechungen der Verkäufer einlullen."

Worauf die Interessenten achten? "Auf Technik, die hilft, Geld zu sparen", sagt ein Verkäufer von Nordhaus. Statt einer Designer-Badewanne für 8000 Euro investierten die Hauskäufer lieber in eine Photovoltaik-Anlage. Auch sei mehr Wohnfläche gefragt. Ein Haus in der Größe von 110 oder 120 Quadratmetern sei heute kaum noch zu verkaufen.

Bis ein Vertrag unterschrieben ist, vergehen oft mehrere Monate. Viele kommen zwei-, dreimal in die Ausstellung und schauen sich beim favorisierten Hersteller sogar die Fertigung an, ehe sie sich entscheiden. Dennoch macht Reinhold-Postina die Erfahrung, dass sich Hauskäufer nicht intensiv genug mit dem Vorhaben auseinandersetzen: "Viele lassen sich gutgläubig von den Versprechungen der Verkäufer einlullen." Sie rät, den Kaufvertrag von einem Architekten oder einer unabhängigen Instanz prüfen zu lassen. Viele Bauherren könnten nicht sicher beurteilen, ob der aufgerufene Festpreis auch der tatsächlich zu zahlende Endpreis ist. "Für die Verträge gibt es keine verbindlichen Vorgaben. Ist der Aushub mit dabei? Ist das Haus ans öffentliche Netz angeschlossen? Das handhaben die Anbieter bei ihren Preisangaben unterschiedlich", betont die Verbraucherschützerin.

Um die Energiesparvorgaben zu erfüllen, bauten die Hersteller nach ihren Beobachtungen mitunter überdimensionierte Geräte. Weil manche Bauherren diese aber nicht zu bedienen wüssten, verpufften viele der angepriesenen Sparpotenziale. Sie rät Interessenten, sich von den Fertighausherstellern Referenzen nennen zu lassen. "Dann sollte man diese Adressen abklappern und nachfragen, ob wirklich alles so toll geklappt hat, wie es im Prospekt steht."

Inzwischen ist es Mittag in der Fertighaus Welt Wuppertal. Einige Besucher verlassen bereits wieder das Gelände. Auf dem Weg zur Autobahn kommen sie an dem Verwaltungsgebäude eines Bauunternehmens vorbei. Der hat seit Kurzem einen Schriftzug an seiner Fassade anbringen lassen. Darauf heißt es in großen Lettern "Lieber ein Massivhaus". Gauter nimmt's sportlich: Vor Konkurrenz, sagt er, haben die Fertighausbauer keine Angst.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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