Schlafstörungen:Augen zu und durch? Schön wär's

Schlaf

Eine erholsame Nachtruhe ist wichtig für das Wohlbefinden und die Gesundheit. Manchmal liegt es an Kleinigkeiten, die einen am Ein- oder Durchschlafen hindern, etwa an falschen Temperaturen oder einer unpassenden Matratze. Doch nicht immer kommt man der Ursache so leicht auf die Spur.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Es gibt viele Ursachen für eine unruhige Nacht, etwa ein Problem in der Wohnung oder eine Krankheit. Spezialisierte Mediziner können oft weiterhelfen.

Von Felicitas Witte

Wieder wird der Mann durch heftigen Juckreiz am ganzen Körper geweckt. Es ist so schlimm, dass er sich am liebsten die Haut aufkratzen möchte. Am nächsten Morgen fühlt sich der 44-Jährige wie gerädert. Seit Monaten gehe das schon so, erzählt er später dem Allergologen Peter Schmid-Grendelmeier am Uni-Spital Zürich. "Alle paar Tage wache ich durch den quälenden Juckreiz auf, das ist fürchterlich." Wolle er dann ins Bad gehen, werde ihm oft schwindelig. Wenn das so weitergehe, verliere er noch seinen Job.

Ziemlich erstaunt ist er, als der Experte wissen will, in welchem Stockwerk er wohne. Unter dem Dach, aber was habe das damit zu tun? Doch Schmid-Grendelmeier hat einen Verdacht, den Tests bestätigen: Der Mann ist allergisch gegen Taubenzecken, die in der Nähe von Taubennestern leben und nachts durchs offene Fenster ins Schlafzimmer gelangen. Beißen die Zecken zu, löst das bei den Betroffenen allergische Reaktionen aus: Juckreiz, Schwindel und im schlimmsten Fall einen Kreislaufzusammenbruch.

"Das Schlafzimmer sollte so gestaltet sein, dass man sich aufs Zubettgehen freut."

"Zu Hause lauern viele Ursachen, warum jemand nicht schlafen kann", sagt Christian Baumann, Leitender Schlafmediziner am Uni-Spital Zürich. "Je nach Art und Schweregrad des Problems und der individuellen Situation kann das mehr oder weniger schlimme Folgen haben." Häufig klagen Patienten, sie fänden wegen Lärm keinen Schlaf: Das schreiende Baby nebenan, die Leute unten in der Kneipe, rumpelnde Lastwagen oder die Nachbarin, die oben immer mit Stöckelschuhen umherläuft. Manchen stört die weiche Matratze, andere das helle Licht, weil der Partner es nicht dunkel haben möchte. Immer wieder klagen auch Menschen über Schlafstörungen, die ihren Partner zu Hause pflegen oder Eltern, deren Babys keine Ruhe finden.

In einer Umfrage des Robert-Koch-Institutes gab jeder Dritte an, während der vergangenen vier Wochen unter Insomnien gelitten zu haben, das heißt, sie konnten nicht gut ein- oder durchschlafen. "Wir sprechen dann von Insomnien, wenn sich die Betroffenen tagsüber dadurch schlecht fühlen", erklärt Baumann. "Sie sind ständig müde, gereizt oder depressiv, können sich nicht mehr konzentrieren und bekommen Probleme im Job."

Ursache ist oft psychischer Stress, zum Beispiel wenn sich der Partner von einem trennt, man im Job gemobbt wird oder für ein Examen lernen muss. "Nach Abklingen des Stresses geht der Betroffene aber weiterhin mit der dunklen Vorahnung ins Bett, dass er diese Nacht auch wieder schlecht schlafen würde", erklärt Baumann. "Diese Vorahnung führt wieder zu einer Stressreaktion, welche den Schlaf dann auch tatsächlich stört." Ein Teufelskreis beginnt. Das kann auch passieren, wenn man ständig darauf horcht, ob der Säugling wieder anfängt, zu weinen, oder ob die Dame mit den Stöckelschuhen schon nach Hause gekommen ist.

"Der Leidensdruck ist für viele Patienten sehr groß, vor allem auch weil sich viele Ärzte damit nicht richtig auskennen", sagt Peter Young, Chef-Schlafmediziner an der Uniklinik Münster. Es sei aber wichtig, sorgfältig nach der Ursache zu suchen. "Wir können zwar die Schlafstörung nicht 'wegmachen', aber in den meisten Fällen die Situation für den Betroffenen enorm verbessern." Schlafe jemand so schlecht, dass er tagsüber ständig müde, ausgelaugt und unkonzentriert ist, und dauert das länger als zwölf Wochen, rät Young zum Besuch bei einem Schlafmediziner. Ursachen für Schlafstörungen gibt es noch Dutzende mehr: Depressionen, Angststörungen, Schilddrüsen-Überfunktion, das Restless-Legs-Syndrom, bei dem man nachts ständig ein Brennen oder Nadelstiche an den Beinen fühlt, die Narkolepsie mit schwerer Tagesschläfrigkeit, chronische Schmerzen, Neurodermitis, Medikamente oder Atemprobleme sind nur einige von vielen.

Schnarcher nerven, und bei manchen ist das Schnarchen krankhaft: Sie haben ein Schlafapnoe-Syndrom. Mehr als vier Prozent der Männer und mehr als zwei Prozent der Frauen leiden darunter. Beim Schlafen in Rückenlage entspannt sich die Muskulatur im Rachenbereich und die Zunge fällt nach hinten. Bei Leuten mit dem Syndrom verschließt sich dann die Luftröhre. Verschlimmernd wirken Alkohol und Beruhigungsmittel. Es kommt zu Atemstillständen, der Sauerstoffgehalt des Blutes fällt ab, das Gehirn reagiert mit einer Weckreaktion und der Betroffene schnappt nach Luft.

Oft erinnert er sich selbst nicht daran, dafür schrecken aber Partnerin oder Partner aus dem Schlaf auf. "Ein Schlafapnoe-Syndrom macht die Betroffenen nicht nur tagsüber total müde und unkonzentriert, sondern erhöht auch das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall", sagt Maritta Orth, Geschäftsführende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. "Und sie gefährden nicht nur sich selbst, sondern auch andere." So verursachen Menschen mit Schlafapnoe-Syndrom mehr als doppelt so häufig einen Unfall am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr.

Die Therapie von Schlafstörungen hängt von der Ursache ab: Menschen mit Schlafapnoe-Syndrom hilft zum Beispiel oft - auch wenn sie lästig ist - eine Beatmungsmaske. Gegen Depressionen gibt es Psychotherapie und Medikamente, und der Mann mit der Taubenzecken-Allergie hat Notfall-Allergietabletten bekommen, falls er wieder einmal gebissen wird. "Bei vielen Patienten können wir ganz gute Therapieerfolge erzielen", sagt Schlafmediziner Baumann.

Viel Wert legen die Schlafmediziner auf Schlafhygiene: "Das Schlafzimmer sollte so gestaltet sein, dass man sich aufs Zubettgehen freut", sagt Orth. "Einer braucht die Matratze hart, der andere weich, manche brauchen eine kuschelige Daunendecke, andere nur ein dünnes Laken - Hauptsache ist, man fühlt sich wohl." Manche belastet schweres Essen am Abend oder wenn sie zu später Stunde Kaffee oder Tee trinken. Das Schlafzimmer sollte nicht wärmer als 21 Grad sein und möglichst ruhig. Um gut zu schlafen, müsse man auch seinen "psychischen Keller" aufräumen, sagt Peter Falkai, Chef-Psychiater an der LMU München. "Probleme angehen und Konflikte mit seinen Mitmenschen lösen - dann kann man auch bei Kinderschreien und Stöckelschuhen schlafen." Schlafen solle keine Bürde sein, sondern Freude machen, sagt er. Bei einem seiner Patienten hätten sich die Schlafstörungen gebessert, nachdem er sein Bett zu einer "Spielwiese" gemacht habe: ein gutes Buch, einige Zeitschriften, ein leckeres Getränk, angenehmer Geruch und warmes Licht. "Mit der Spielwiese hat er aufgehört, sich über seine Schlafstörungen zu ärgern und die Angst vor dem Einschlafen verloren", erzählt Falkai und rät: Die Schlafstätte nett herrichten, sich einen Schlafengeh-Rhythmus angewöhnen und versuchen, sich nicht über die Schlafstörungen zu ärgern oder Angst vor ihnen zu bekommen. "Dann klappt es auch mit dem Schlafen. Und laden Sie lieber die Dame mit den Stöckelschuhen zum Abendessen ein, als dass Sie aus Ärger über sie nicht schlafen können."

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