Schiedsstellen:Streit um die Schlichter

Nach einem Gesetzesentwurf sollen Gerichtsverhandlungen bald überflüssig werden. In der Immobilienbranche sorgt das für Diskussionen.

Von Simone Gröneweg

Die Klagen über langwierige Verfahren und überlastete Gerichte nehmen zu. In Zukunft will der Staat darum Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmen günstiger und schneller regeln. Die Initiative dazu stammt aus Brüssel. Das Ziel: Schiedsstellen für alle Branchen.

Kunden sollen diese Einrichtungen außergerichtlich und kostenlos anrufen können, wenn sie mit einem Kauf oder einer Dienstleistung unzufrieden sind und der Gang vor ein Gericht angesichts der Forderung zu aufwendig wäre. Das sogenannte Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, kurz VSBG, soll also eine Lücke füllen.

In der Immobilienbranche sorgt der Entwurf zum Gesetz jedoch für Diskussionen. Es gibt offenbar noch etliche ungeklärte Punkte. Das geplante Gesetz lasse sich leider nicht in allen Fällen auf Wohneigentümergemeinschaften anwenden, kritisiert zum Beispiel Gabriele Heinrich, Geschäftsführerin des Verbraucherschutzverbandes Wohnen im Eigentum e.V. (WiE).

"Für Wohnungseigentümer ist der vorliegende Entwurf problematisch, denn er geht davon aus, dass Konflikte aus einem Verbrauchervertrag stets einen Verbraucher und ein Unternehmen betreffen", erklärt sie. Das sei bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) aber zu kurz gegriffen. Es existiere ein Dreiecksverhältnis zwischen dem einzelnen Eigentümer, der Gemeinschaft und dem jeweiligen Unternehmen, sagt Heinrich. Verbraucher sind also sowohl die einzelnen Wohnungseigentümer als auch die Eigentümergemeinschaft.

Lieber vorbeugen

Kommt es bei Bauprojekten zu Streitigkeiten, entstehen meist hohe Kosten, und der Bau verzögert sich schnell. Um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, sollte im Bauvertrag die Option einer Schlichtung oder einer Mediation enthalten sein, rät die Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht. Schon im Vertrag kann festgelegt werden, wer vermitteln soll. In einer Mediation erarbeitet eine neutrale dritte Person gemeinsam mit den Konfliktparteien eine Lösung. In einer Schlichtung schildern die Parteien dem Vermittler nur die Sach- und Streitsituation, er macht daraufhin einen Einigungsvorschlag oder einen abschließenden Schlichterspruch. Wird dieser von allen akzeptiert, ist er bindend. Ansprüche lassen sich dann vor Gericht nicht mehr geltend machen. dpa

"Schließt die Gemeinschaft einen Vertrag mit einem Unternehmen, ist der einzelne Eigentümer verpflichtet, die Maßnahme und die Kosten mitzutragen", erklärt Heinrich. Wenn es Streit über den Inhalt eines solchen Verbrauchervertrages gebe, müsse er eine Schiedsstelle anrufen können, und zwar bevor er gegen den WEG-Beschluss klage, fordert sie.

Diese Möglichkeit würde den Zweck der europäischen Richtlinie erfüllen und die Zahl der WEG-Gerichtsprozesse um etwa 30 bis 40 Prozent reduzieren, prognostiziert Verbraucherschützerin Heinrich. In Deutschland existieren etwa eine Million Eigentümergemeinschaften mit mehr als neun Millionen Eigentumswohnungen. Allein im Jahr 2012 gab es laut WiE mehr als 28 000 WEG-Verfahren an deutschen Amtsgerichten, 2004 waren es noch knapp über 20 000. Die Zahl der Gerichtsverfahren steigt, der Wunsch nach alternativen Methoden zur Streitbeilegung ist groß - schon wegen der Kosten, die diese Gerichtsverfahren mit sich bringen.

Beim Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) äußert man sich trotzdem skeptisch, wenn es um das geplante Verbraucherstreitbeilegungsgesetz geht. Der Verband lehnt die speziellen Schlichtungsstellen sogar ab.

"Zu den häufigsten Streitigkeiten zählen Anfechtungen von WEG-Beschlüssen", sagt Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbandes. Und die müssten vor Gericht verhandelt werden, meint er. Das liege daran, dass anfechtbare Beschlüsse laut WEG-Gesetz so lange gültig seien, bis sie durch rechtskräftige Urteile für ungültig erklärt würden. "Damit bieten außergerichtliche Verfahren bislang keine Alternative", sagt Kaßler.

Landgericht Regensburg; Mollath-Prozess

Deutsche Amtsgerichte - hier das in Regensburg - sind oft überlastet. Das liegt auch an der steigenden Zahl der Klagen von Wohnungseigentümern.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die meisten Probleme bereiten Beschlüsse der Wohneigentümergemeinschaft

Nicht nur das, die Experten vom DDIV sehen weitere Probleme für die Branche. "Die Eigentümergemeinschaft benötigt vorab eine sogenannte Schlichtungsvereinbarung, der alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben und die Bestandteil der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung ist", erklärt Kaßler. Ansonsten könne man gar keinen Schlichter anrufen, erläutert er. Außerdem sei strittig, ob ein einzelner Wohnungseigentümer, der seine Wohnung vermiete, überhaupt als Verbraucher anzusehen sei, ergänzt er. Für die komplette Wohnungseigentümergemeinschaft hat es keine Auswirkungen, wenn sich darunter einzelne unternehmerische Vermieter befinden. Sobald ein privater Verbraucher darunter sei, gelte sie als Verbraucher, erklärt Kaßler.

Beim BVI Bundesfachverband der Immobilienverwalter e.V. ist man ebenfalls skeptisch, sieht aber Handlungsbedarf. Der Verband hat darum ein Projekt zur Schlichtung von WEG-Streitigkeiten ins Leben gerufen. Jeder der sieben BVI-Landesverbände verfügt über mindestens einen Mediator. Dabei handelt es sich um Verwalter, die während einer Mediatoren-Ausbildung gelernt haben, Konflikte zu analysieren und die passenden Interventionen abzuleiten.

"Wir haben dieses Projekt initiiert, um die kräftezehrenden und kostspieligen Gerichtsverfahren zu reduzieren", sagt BVI-Geschäftsführerin Sandra Bohrisch. Ob sich diese geplante Mediation überhaupt mit dem neuen Gesetz vereinbaren lässt, ist bislang unklar. "Wir kennen weder die Kriterien noch den genauen Gesetzestext und wissen noch nicht, wie das Gesetz überhaupt im Detail angewendet werden soll", betont Bohrisch.

Eigentlich sollte die entsprechende EU-Richtlinie bis zum 9. Juli umgesetzt werden. Den Termin konnte Deutschland jedoch nicht einhalten. Für Ende September ist eine Anhörung zum geplanten Gesetz geplant - Bedenken und Kritik gibt es schließlich zur Genüge.

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