Schatzsucher:Das Rätsel der goldenen Buddha-Statue

Lesezeit: 4 min

Ein Schlosser entdeckt japanisches Raubgold auf den Philippinen - später verschwindet der Schatz in den dunklen Kanälen des Marcos-Regimes.

Silvia Liebrich

Im Sommer 1970 sieht sich Roger Roxas am Ziel seiner Träume. Nach wochenlangem Graben stößt der philippinische Schlosser auf ein unterirdisches Labyrinth, in dem er jenen Schatz vermutet, den japanische Truppen hier vor Ende des Zweiten Weltkrieges versteckt haben.

Das japanische Raubgold. Vergrößern Sie die Grafik mit einem Klick aufs Bild. (Foto: Grafik: SZ)

Der Schatz ist Teil einer wertvollen Beute, die aus dem Raubzug Japans durch zwölf asiatische Länder stammt. Obwohl sich Roxas bemüht, wenig Aufsehen zu erregen, bleiben die Aktivitäten auf dem Krankenhausgelände von Baguio, einer Stadt im Nordosten der Hauptinsel Luzón, nicht unbemerkt. Diskret verfolgt auch die Geheimpolizei von Diktator Ferdinand Marcos das seltsame Treiben. Roxas schöpft zunächst keinen Verdacht.

Seine erste Erkundung der Gänge verläuft enttäuschend. Alles, was er und seine Helfer finden, sind ein paar alte Gewehre und Munition. Dann stoßen sie auf ein menschliches Skelett in einer zerschlissenen japanischen Soldatenuniform. Nun ist ihnen klar: Sie sind auf der richtigen Spur. Es dauert noch einmal ein paar Tage, bis sie eine im Boden eingelassenen Betonplatte öffnen können. Der Durchbruch in den Raum darunter gibt zunächst den Blick auf eine goldene Buddha-Statue frei, mindestens einen Meter hoch und eine Tonne schwer. Daneben sind Dutzende von Holzkisten bis an die Decke gestapelt. Als Roxas eine von ihnen öffnet, findet er darin 24 massive Goldbarren. Daraus schließt er, dass auch die anderen Kisten damit voll sein müssen, wie er knapp 30 Jahre später in einem Prozess zu Protokoll gibt. Doch woher stammen diese Schätze?

Rückblende: Im Sommer 1945 geht die Schlacht im Pazifik in ihre entscheidende Phase. Die von Amerika angeführten Alliierten-Truppen treiben die japanischen Kräfte in die Enge. Noch aber sind sich die Befehlshaber des Inselstaates sicher, dass sie die annektierten Philippinen halten können. In der Nähe von Baguio kommen in einer Juni-Nacht hochstehende japanische Militärs, Prinz Chichibu, der Bruder von Kaiser Hirohito, Bergbauingenieure und Angestellte an einem höchst ungewöhnlichen Ort zusammen. Es wird gefeiert, in einem eben erst fertiggestellten unterirdischen Tunnelsystem, inmitten von Unmengen an Gold, Edelsteinen und Kunstschätzen. Der Schnaps fließt in Strömen.

Wirklichkeit und Legende

Als Prinz Chichibu und seine engsten Vertrauten den Stollen um Mitternacht verlassen, schöpft keiner der Anwesenden Verdacht. Kurz darauf erschüttert eine Serie von Explosionen das Gelände. Das letzte von 175 geheimen Verstecken, die in den vorhergehenden Monaten weit verstreut über die Philippinen angelegt wurden, ist damit verschlossen. Der Eingang zum Labyrinth liegt begraben unter einem Berg von Schutt, ebenso wie die letzten unliebsamen Zeugen einer Geheimoperation, die vom Kaiserhaus und einer kleine Führungselite gesteuert wird. Sie planen, die Schätze nach Kriegsende in aller Ruhe wieder zu bergen, wenn sich die Lage beruhigt hat.

Ob sich das beschriebene Ereignis in den letzten Kriegstagen wirklich so zugetragen hat, was davon Wirklichkeit, was Legende ist, lässt sich heute kaum überprüfen. Doch es gibt Zeugen, die der Sprengung in Baguio entkommen, darunter ein philippinischer Junge, der Prinz Chichibu als Laufbursche diente. Er schildert die Vorkommnisse später den amerikanischen Enthüllungsjournalisten und Buchautoren Peggy und Sterling Seagrave, die das Geschehen mit Hilfe von Aussagen vieler Zeitzeugen und historischen Dokumenten rekonstruierten.

Tatsache ist jedoch, dass der Raubzug Japans stattgefunden hat. Die systematische Plünderung, bei der das Vermögen von Banken, Unternehmen, Privathaushalten, religiöser Stätten, ja sogar der Unterwelt beschlagnahmt wurde, begann Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Angriff auf China und Korea. Welche Reichtümer dabei entwendet wurden, lässt sich kaum abschätzen, weil der größte Teil bis heute als verschollen gilt. Es dürfte sich aber um ein kaum vorstellbares Vermögen handeln, angesammelt in den beraubten Ländern im Laufe von Jahrhunderten.

Was der Schlosser Roxas ein Vierteljahrhundert später in dem dunklen Verlies vorfindet, ist vermutlich nur ein winziger Bruchteil davon. In einem spektakulären Zivilprozess vor dem Obersten Gerichtshof Hawaiis wird der Wert seines Fundes knapp 30 Jahre später dennoch auf 22 Milliarden Dollar taxiert. Doch die Richter sind auf Schätzungen angewiesen, weil das Gold verschwunden bleibt. Was der Schlosser zunächst für den Glücksfall seines Lebens hält, endet für ihn beinahe in einem Desaster, dessen Details in der 70-seitigen Urteilsbegründung beschrieben werden. Einem Papier, das sich stellenweise wie die Vorlage für einen Agententhriller liest.

Flucht vor dem Terror

Roxas, der nach 1945 in den Besitz einer Schatzkarte mit dem Lageplan der Geheimkammer gelangt, ist besessen davon, das Versteck zu finden. Als es ihm schließlich gelingt, birgt er zunächst nur den Buddha und einige Goldbarren. Weiter kommt er nicht. Als Roxas den Fund unter der Hand verkaufen will, entpuppen sich die potentiellen Abnehmer als Spitzel des philippinischen Diktators Marcos.

Roxas wird verhaftet, gefoltert, sein Haus durchsucht und die Funde beschlagnahmt. Trotzdem lässt er nicht locker, fordert lautstark sein Recht. Er bezichtigt Marcos sogar öffentlich des Diebstahls, was ihm mehrere Jahre Gefängnis einbringt. Nach seiner Entlassung flüchtet er mit seiner Familie vor dem Terror des Regimes aufs Land. Doch er gibt den Schatz nicht verloren und verklagt den Diktator nach dessen Entmachtung im Jahr 1986 auf Schadenersatz.

Einwohner von Baguio beschreiben im Prozess, wie Soldaten nach Roxas Inhaftierung das Krankhausgelände absperren und "wochenlang" Kisten aus den unterirdischen Gänge bergen. Ihr Inhalt landet vermutlich in den privaten Tresorräumen des Diktators, wo ihn andere Beobachter kurz darauf zu sehen bekommen. Einer von ihnen ist Robert Curtis, ein amerikanischer Unternehmer aus Nevada, der ebenfalls im Prozess als Zeuge auftritt. Er erhält von Marcos den Auftrag, eine Raffinerie zum Einschmelzen von Gold zu bauen. Der Diktator prahlt damit, dass er im Besitz von so viel Edelmetall sei, dass er damit die Finanzmärkte destabilisieren oder gar einen neuen Weltkrieg beginnen könnte.

Knapp einem Attentat entgangen

Curtis äußert Zweifel. Da führt ihn Marcos ins Untergeschoss seines Sommerpalastes, in einen großen Raum, der bis unter die Decke mit Goldbarren gefüllt ist. Sie tragen asiatische Stempelzeichen, die dem Edelmetallexperten völlig unbekannt sind. Ihm fällt auch eine ungewöhnlich große goldene Buddha-Statue auf, die der von Roxas beschriebenen gleicht. Curtis wird klar, worum es geht. Was er da vor sich hat, ist nicht philippinischen Ursprungs und vermutlich Raubgut. Will Marcos den Schatz verkaufen, muss er seine Herkunft durch Einschmelzen verschleiern. Curtis nimmt den Auftrag trotzdem an und entgeht nach Fertigstellung nur knapp einem Attentat.

Als der Diktator 1986 gestürzt wird, sind seine Tresore und die der Nationalbank leer. Das Gold ist verschwunden, wie auch der größte Teil des philippinischen Volksvermögens, nach dem Fahnder bis heute auf verborgenen Auslandskonten suchen. Das Verfahren vor dem hawaiianischen Gericht zieht sich mehrere Jahre hin. Sowohl Roxas als auch Marcos erleben sein Ende nicht mehr.

Doch der Prozess wird von Angehörigen des Schlossers und Marcos Witwe Imelda fortgeführt. Sie wird schließlich 1998 anstelle des Diktators zu einem Schadenersatz von 22 Milliarden Dollar verurteilt. Die Richter kommen zu dem Schluss, dass die von Roxas gefundene Goldmenge Ende der 90er Jahre ungefähr so viel wert gewesen wäre. Für Roxas Erben erweist sich der Erfolg jedoch als Phyrrhussieg. Wie viele andere Opfer des Marcos-Regimes warten auch sie bis heute auf die Überweisung einer Entschädigung.

© SZ vom 22.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: