Sarkozy und die Schuldenkrise:Le Triple-A, c'est moi!

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Ist Frankreich das nächste Industrieland, das aus dem Club der AAA-Länder fliegt? Inzwischen wird die Kreditwürdigkeit des Landes offen infrage gestellt. Alles scheint am seidenen Faden zu hängen, der Euro, die Weltfinanzen - und die Wiederwahl von Präsident Sarkozy. Doch genau diese Situation will der Instinktpolitiker für sich nutzen.

Michael Kläsgen, Paris

Und der französische Präsident? Bricht auch er seinen Urlaub ab? Seinen Finanzminister pfiff Nicolas Sarkozy schon zurück nach Paris, seinen Wirtschaftsberater auch. Aber er selbst? Nein. Denn das könnte den falschen Eindruck erwecken, er fürchte, die Schuldenkrise könnte auf Frankreich überschwappen. Also bleibt er und telefoniert. Mit Obama, mit Merkel und all den anderen, "bis der Akku schlapp macht". Dieses Bild ist es, das der Elysée-Palast vermitteln will: Der Präsident ist auf dem Quivive, er hat alles im Griff, auch unten am Cap Nègre am Mittelmeer, in der Residenz seiner Schwiegereltern.

Telefonieren, bis der Akku schlapp macht: Nicolas Sarkozy will das Bild vermitteln, dass er auch in der Schuldenkrise alles im Griff hat. (Foto: AFP)

Trotzdem. Auch Sarkozy ist "beunruhigt" - nicht nur wegen den USA, Italien und Spanien. Frankreich ist das schwächste Glied in der Kette derjenigen Länder mit der besten Bonitätsnote AAA, das hat sich inzwischen herumgesprochen. Die Kreditwürdigkeit Frankreichs wird jetzt offen diskutiert und infrage gestellt. Zweifel machen schon seit Monaten die Runde, jetzt brechen sie sich Bahn: Stephen Jen, der Chef des Hedge Funds SLJ Macro Partners sagt: "Frankreich ist das nächste Industrieland, das die Bestnote AAA verliert". Philippe Delienne von Convictions Asset Management in Paris ergänzt: "Wir stehen am Abgrund, wir sind das schlechteste der AAA-Länder."

Pimco, der größte Staatsanleihenhändler der Welt, spielt längst die Folgen des Szenarios durch: "Es ist kaum vorstellbar, dass S&P nicht auch noch mindestens ein weiteres Mitglied des immer kleiner werdenden Klubs von Ländern mit AAA-Rating herabstuft", sagt Pimco-Chef Mohamed El-Erian. "Wenn das beispielsweise einen Staat wie Frankreich trifft, dann droht das die ohnehin fragilen europäischen Bemühungen noch schwieriger zu machen." Der Chef-Ökonom des europäischen Ablegers der US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P), Jean-Michel Six, wiegelte am Wochenende noch ab: "Der Ausblick für Frankreich ist stabil", wiederholte er.

Frankreich wäre nicht Frankreich, würde es darauf gelassen reagieren, jedenfalls offiziell. Ohnehin weilen gerade viele Franzosen wie ihre Präsident in den Ferien. In Deutschland würden die Schwarzmaler mit ihren düsteren Prophezeiungen groß herauskommen. In Frankreich versinken sie im Kleingedruckten der Wirtschaftspresse. Höchstens das nicht enden wollende Steigen der Immobilienpreise in Paris lässt sich als Zeichen der allgemeinen Beunruhigung interpretieren. Misst man den Erregungsgrad an der Lautstärke in den Talkshows oder an der Größe der Schlagzeilen in den Zeitung tendiert er gegen null. Nicht mal zwischen den Parteien wird über die Schuldenkrise gestritten.

Die französische Präsidialdemokratie hat für die Regierenden Vorteile. Paris verordnet Baldrian und es herrscht Ruhe. Das war im Atomland Frankreich schon nach der Katastrophe von Fukushima so.

Andererseits sind es Situationen wie diese, die den Instinktpolitiker Sarkozy erst richtig munter machen: Alles scheint am seidenen Faden zu hängen, die Weltfinanzen, das Triple A für Frankreich und seine Wiederwahl in neun Monaten. "Die Verschärfung der Krise trägt dazu bei, sein Profil als Staatsmann zu schärfen", sagt ein Berater. So zynisch es klingen mag: Die Krise, das ist seine Chance. Rückblick auf 2008: Die US-Bank Lehman Brothers fiel, aber der Euro-Retter Sarkozy stieg auf wie Phoenix aus der Asche. Das könnte auch dieses Mal gelingen, aber nur wenn Frankreich in den Fleischwolf der Märkte gerät.

Doch die scheinen sich gerade richtig einzuschießen. "Frankreich ist definitiv eines der Länder mit dem schwächsten Kenngrößen für öffentliche Finanzen", sagt Maria Malas-Mroueh von der Ratingagentur Fitch. Das Gesundheits- und Rentensystem ist hochverschuldet. Sarkozy stemmte zwar eine Rentenreform, diese fiel aber im Vergleich zu anderen europäischen Ländern halbherzig aus.

Im Herbst muss das Land nun den Haushalt für das Wahljahr 2012 festzurren. Frankreich muss sparen. So wollen es die Märkte. Aber Sarkozy riskiert dann mit den Folgen dieser Politik in den Wahlkampf gehen zu müssen, etwa mit steigender Arbeitslosigkeit. Sarkozy hat sich einen Trick ausgedacht, mit dem er der sozialistischen Opposition die Verantwortung für die Schulden, die er angehäuft hat, in die Schuhe schieben will. Er will eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in die Verfassung schreiben, der die Sozialisten zustimmen müssen. Verweigern sie sich, brandmarkt er sie als Schuldenmacher.

© SZ vom 09.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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