Run aufs Gold:"Die spinnen alle"

"Eigentlich wollen die nur ihr Geld loswerden": Mit müffelnden Euro-Bündeln tauchen Menschen beim Münzhändler auf, um diese in Gold zu tauschen. Der Verkäufer hat so etwas noch nie erlebt.

H. Freiberger

Das sind die Dialoge, die in diesen Tagen geführt werden. "Ja, hab' ich da, ich hab' eine neue Lieferung bekommen", sagt Münzhändler Gebhard Klotz ins Telefon. "Wie viele wollen Sie denn? 100 Maple Leaf Silber, eine Unze? Kein Problem, kostet 22,50 Euro das Stück. Bei 50 Stück sind es 23 Euro, bei zehn 24 und bei zwei 25. Hab' ich alles da, Originaldose. Können Sie gleich vorbeikommen, ich halt' die fest."

Gold, Foto: Reuters

Die Firma "Gold to go" eröffnete vor kurzem in Abu Dhabi einen Goldautomaten. Bald sollen sie auch in deutschen Städten stehen.

(Foto: Foto: Reuters)

Gebhard Klotz sammelt seit über 50 Jahren Münzen, seit 30 Jahren beschäftigt er sich beruflich damit, im Mai will der 63-Jährige in Rente gehen, aber so etwas hat er noch nicht erlebt. Er ist der Leiter des Euro-Souvenir-Ladens im Fuß des EZB-Turms in Frankfurt, in dem auch Notenbankchef Jean-Claude Trichet zurzeit dramatische Stunden erlebt. "Die Leute kaufen wie wild, die spinnen alle", sagt Klotz.

"Kerle, sollst du etwa auch..."

Seit etwa zwei Wochen rennen sie ihm die Türe ein, 20 bis 25 Leute kommen täglich. Goldmünzen hat er schon keine mehr, nur noch Silber ist lieferbar. Er persönlich glaube ja nicht, "dass sie unsere Währung kaputtgehen lassen" und dass es eine Inflation geben wird "in dem Sinne, wie es mal war". Klotz meint die Zeit um 1923. In einer seiner Glasvitrinen liegt eine sehr große Münze aus dieser Zeit, auf der "1 Billion Mark" steht. "Dafür bekam man am Ende gerade ein Brot, bei der Währungsreform wurde sie in eine Reichsmark getauscht", sagt er.

Bis vor wenigen Wochen kamen nur Sammler in den Laden, die sich für solche Münzen interessierten. Jetzt aber registriert Klotz eine ganz neue Klientel: Jene Leute, die Angst um ihr Erspartes haben. "Eigentlich wollen die nur ihr Geld loswerden." Manche bringen Scheine, die sauber zu Bündeln verpackt sind und müffeln. "Das ist Schwarzgeld, das im Keller oder auf dem Dachboden lag, das wollen sie jetzt in Gold umtauschen."

Wenn man selbst nicht gefestigt wäre, dann wäre es direkt beängstigend, meint der Händler. "Ich hab' mich auch schon dabei ertappt, wie ich mich gefragt hab': Kerle, sollst du etwa auch..." Aber dann habe er den Gedanken schnell wieder verworfen. Nein, er will sich nicht von der Panik anstecken lassen.

Gold - "nahe am Körper"

Was Klotz erfahren hat, berichten Edelmetall-Händler im ganzen Land. Seit die Griechenland-Krise eskaliert, hat der Ansturm aufs Gold begonnen. "Es ist momentan nicht mehr schön, ich werde derart mit Bestellungen überrannt, dass ich schon fürchten muss, leergekauft zu werden", sagt Michael Männer vom Handelshaus Goldfox in Ingolstadt. "Es gibt nicht mehr viele Shops, die noch Gold- und Silbermünzen liefern können. Ich habe derzeit etwa 40 Prozent mehr Anfragen als Anfang des Jahres", sagt Hans-Bernhard Müller von Münzen Müller im oberbayerischen Buxheim.

Thomas Geissler, Vorstand der Internet-Verkaufsplattform goldsupermarkt.de berichtet, dass sich sein Umsatz in den vergangenen Wochen verzwanzigfacht hat. "Er liegt jetzt täglich im mittleren einstelligen Millionenbereich." Geissler prognostiziert, dass "die Deutschen bald wieder einen bestimmten Teil ihres Vermögens, vielleicht drei bis fünf Prozent, in Gold angelegt haben werden, so wie unsere Väter und Großväter - und zwar nahe am Körper, nicht im Bankschließfach".

Geissler hat gerade in Abu Dhabi ein Pilotprojekt gestartet: Er hat einen Automaten aufgestellt, an dem Kunden Goldplättchen von einem Gramm ziehen können. Vor einem Jahr gab es in Frankfurt schon einen Modellversuch. Bald sollen die Automaten in mehreren deutschen Städten stehen. "Die Entwicklung der letzten Zeit ist unserem Geschäft nicht abträglich", sagt er. Für ihn war der entscheidende Tag der vergangene Donnerstag, als Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Fernsehen an der langfristigen Zahlungsfähigkeit Griechenlands zweifelte. Am Tag darauf hätten sich die Bestellungen im Internet "drastisch beschleunigt".

Angst vor dem "absoluten Absturz"

Auch beim Münzhändler Klotz im Euro-Tower war der vergangene Freitag der umsatzstärkste Tag. "Da sind wir nachts noch rumgefahren, damit wir wieder Ware hereinbekommen", sagt er. In dieser Woche habe sich der Ansturm dann zumindest ein bisschen beruhigt. Aber sie kommen immer noch.

Eine Viertelstunde nach dem Anruf taucht der Herr auf, der sich vorher nach den Silbermünzen erkundigte. Mittleres Alter, Anzug, Krawatte, Mantel, Regenschirm. Er kauft 50 Stück Maple Leaf für 1175 Euro und zahlt mit Kreditkarte. "Sie sind zwar zwei Euro teurer als im Internet, aber egal", sagt er zum Händler Klotz. Der Mann arbeitet bei der Commerzbank und nutzt die Mittagspause, um Silbermünzen zu kaufen. "Das ist für den Fall, dass es mal zum absoluten Absturz kommt", sagt er.

Wenn die Währung nichts mehr wert sei, werde er für Silbermünzen beim Bäcker und Metzger immer noch etwas bekommen. Sieht er die Zukunft wirklich so düster? "Das ist einfach ein Bauchgefühl von mir", sagt er, er habe eine Frau und zwei Kinder, gerade erst ein Haus gebaut und 200.000 Euro Schulden. Viel könne er ohnehin nicht investieren, aber nun habe er das Gefühl, etwas getan zu haben, "Stichwort Verantwortungsbewusstsein für die Familie".

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