Rösler: Gesundheitsreform:Ein bisschen Kopfpauschale

Auftritt Rösler - der Gesundheitsminister präsentiert seine Reform und macht deutlich: Die Ärzteschaft kann ihm mal den Buckel runterrutschen. Wer ihn deshalb für einen Kämpfer gegen die Gesundheitslobby hält, der irrt. Die Zeche zahlt der Versicherte.

Thorsten Denkler, Berlin

Das wird die Ärzte in Deutschland nicht freuen, was ihnen Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) mitzuteilen hat. Die Ärzteschaft nämlich hat große Hoffnungen in die schwarz-gelbe Bundesregierung gesetzt. Mehr Geld, transparentere Bezahlung, weniger Bürokratie im Gesundheitswesen. Manche hatten ihre Patienten sogar offensiv zur Wahl der FDP aufgerufen. Weil es dann angeblich allen besser ginge.

Rösler

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hat seine Gesundheitsreform vorgestellt.

(Foto: dpa)

Wir Ärzte sind eine wichtige Klientel der FDP, dachten die Weißkittel - zumindest bis heute. Bis Philipp Rösler im großen Saal der Berliner Bundespressekonferenz auftritt.

Es gebe 300.000 Ärzte in Deutschland, sagt Rösler lächelnd. Die hätten kaum gereicht, um den Wahlerfolg der FDP von 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl zu erklären. Und heute gelte eben: Selbst wenn alle 300.000 Ärzte nicht mehr FDP wählten, "lassen sich die jetzigen Umfragewerte nicht erklären". Mit anderen Worten: Die Ärzteschaft kann ihm offenbar mal den Buckel runterrutschen. Eine Rolle, in der er sich gefällt.

Wer aber Rösler für einen Kämpfer gegen die Gesundheitslobby hält, der irrt. Das zeigt auch Röslers Finanzierungsgesetz für die gesetzliche Krankenversicherung, das er heute vorstellt. Es ist das größte und folgenreichste Gesetz, das Rösler bisher auf den Weg gebracht hat. In zwei Gesetzen hat er schon den Arzneimittelmarkt reformiert - in der Hoffnung, so die Pharma-Kosten in den Griff zu bekommen.

Doch Rösler kann wieder nur einen Bruchteil dessen umsetzen, was er sich als FDP-Mann vorgestellt hat. Er wollte einen schnellen und deutlichen Einstieg in die Kopfpauschale. Jene Art der Krankenkassenfinanzierung also, bei der am Ende der Personalchef genau so hohe Krankenversicherungsbeiträge zahlt wie der Pförtner.

Kopfpauschale, das ist inzwischen ein Igitt-ibääh-Wort unter Regierungspolitikern. Es klingt verdächtig nach "unsozial". Sie sagen lieber: einkommensunabhängiger Krankenversicherungsbeitrag.

Nicht die erhoffte Geschwindigkeit

Ein bisschen davon soll auch kommen. In Zukunft sollen alle Kostensteigerungen im Gesundheitswesen über eine Kopfpauschale aufgefangen werden, die jede Krankenkasse für ihre Versicherten separat festlegen kann. Röslers Traum: Irgendwann haben die Kopfpauschalen in ihrer Bedeutung den prozentualen Beitragssatz abgelöst.

Losgehen soll es aber frühestens ab 2012. Und zunächst werden die Zusatzbeiträge wohl so gering ausfallen, dass eine nachfolgende Regierung das System relativ zügig wieder zurückbauen könnte. Darauf hat vor allem die CSU geachtet, die mit allem was sie hat gegen die Kopfpauschale kämpft.

Das schmerzt Rösler. Darauf angesprochen, wo er sich nicht habe durchsetzen können, antwortet er: Dass die "Geschwindigkeit der Veränderung leider nicht die ist, die ich mir wünschen würde". Ein Gesundheitssystem mit unterm Strich 80 Millionen Versicherten lasse sich eben nicht von heute auf morgen umstellen.

Rösler muss Finanzlöcher stopfen

Stattdessen muss er das machen, was alle seine Vorgänger und zuletzt Vorgängerinnen auch schon machen mussten: Finanzlöcher stopfen. Im kommenden Jahr wären es nach seiner Rechnung elf Milliarden Euro gewesen. Die Pharmaindustrie, Ärzte und Krankenhäuser müssen ein bisschen leiden, den Löwenanteil für das kommende Jahr berappen aber die Versicherten. Der pauschale Beitragssatz soll von 14,9 auf 15,5 Prozent steigen, der Anteil der Arbeitgeber aber ist bei 7,3 Prozent festgeschrieben.

Rösler nennt die kräftige Erhöhung etwas verklärend eine Rückführung des Beitragssatzes. Das meint er zeitlich. Vor 2009 habe der Beitragssatz schließlich auch schon bei 15,5 Prozent gelegen. Mit der gleichen Begründung könnte er auch eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf das Niveau von 1998 fordern. Damals lag er bei 53 Prozent. Da aber die FDP ja nur Steuer-, aber keine Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen hat, geht das natürlich nicht.

"Alternativlos" - aber suboptimal

Für Rösler ist seine Reform keine "Jahrhundertreform". Das Wort habe er "ganz bewusst" nicht in den Mund genommen. Das wäre auch eher schwer zu vermitteln. Es hagelt von allen Seiten Kritik. Egal wer gefragt wird, jeder hat etwas auszusetzen: Arbeitgeber, Gewerkschaften, Patientenvertreter, die Gesundheitswirtschaft.

Rösler ficht das nicht an: "Wenn man Kritik nicht aushalten würde, dann wäre das Amt des Bundesgesundheitsministers - ich würde mal sagen - suboptimal." Dass seine Reform suboptimal sein könnte, drauf kommt Rösler nicht. Für ihn ist sie "alternativlos", sagt er. Dabei gäbe es noch andere Möglichkeiten, mehr Geld ins System zu bringen, als über eine Beitragssatzerhöhung oder Kopfpauschalen.

Zum Beispiel, indem alle Einkommensarten zur Beitragsberechnung hinzugezogen werden. So fordert es zumindest einhellig die Opposition. Rösler schüttelt irritiert den Kopf: "Das wäre ja das Bürgerversicherungsmodell." Richtig, aber was Rösler jetzt durchaus zugeben könnte: Das wäre zumindest eine Alternative, von der er behauptet, dass es sie nicht gibt.

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