Robert Hiscox:Ein Mann für alle Fälle

Robert Hiscox versichert das Leben von Superreichen. Er ist ein Zyniker, der die Provokation schätzt. Und: Er liebt komplizierte Fälle - Kunstsammlungen, Terrorismus, Entführungen. Eine Begegnung in München.

Catherine Hoffmann

Alles hier im Hotel Königshof wirkt so zurückhaltend, vornehm und gediegen, auch Robert Ralph Scrymgeour Hiscox, 68. Mit seiner sanften Stimme und dem eleganten Anzug ist Hiscox der perfekte Repräsentant seiner Branche. Doch der Eindruck trügt.

Robert Hiscox: Robert Hiscox kann nicht glauben, dass irgendjemand Versicherungen für langweilig hält.

Robert Hiscox kann nicht glauben, dass irgendjemand Versicherungen für langweilig hält.

(Foto: oH)

Der Chairman des britischen Versicherungsunternehmens Hiscox ist keiner dieser diplomatischen Manager, die stundenlang reden und doch nichts sagen. Hiscox schätzt die Provokation und nennt sich selbst einen Zyniker. Seinem Erfolg hat die direkte Art nicht geschadet. Hiscox ist kein Allerweltsversicherer, die Firma ist weltweit bekannt für Spezialversicherungen; das Spektrum reicht vom Schutz von Kunstsammlungen über Hilfe bei Kidnapping bis zur Manager-Haftpflicht.

"Wir sind immer dorthin gegangen, wo es Schwierigkeiten gab, Krieg, Terrorismus, Entführungen", erzählt der Manager bei einem Besuch in München über sich und seine Partner. "Wenn ein Geschäft schwierig war, liebten wir es." Robert Hiscox kann nicht glauben, dass irgendjemand Versicherungen für langweilig hält, für ihn sind sie ein mindestens ebenso großes Abenteuer wie die Großwildjagd, die er in seiner Freizeit gern betreibt.

Um Hiscox' Begeisterung zu verstehen, muss man mehr als 300 Jahre zurückgehen in die Geschichte, ins Jahr 1688. Damals trafen sich betuchte Geschäftsleute im Londoner Kaffeehaus Lloyd's, um zu zocken. Die Schifffahrt war damals das größte wirtschaftliche Wagnis und abgesehen von Staatsanleihen und Immobilien eine der wenigen Möglichkeiten, Geld anzulegen. Wer nicht unter die Piraten gehen wollte, um Schiffe zu kapern, der wettete eben darauf, dass die Seefahrer heil von ihren Beutezügen zurückkehrten. Ging ein Schiff allerdings unter, so war die Wette verloren: Der Schiffseigner wurde entschädigt mit dem Geld der Spekulanten. Aus dieser Wettbörse entstand der älteste Versicherungsmarkt der Welt.

Lloyd's war ein kaufmännisches Kuriosum. Ob Tina Turners Beine, Björn Borgs Schlagarm, ob Ölplattformen, Großraumflugzeuge oder Satelliten - nichts blieb unversichert auf diesem Marktplatz. Das Risiko deckten ausschließlich Privatleute ab. Sie hafteten mit ihrem gesamten Vermögen, in Erwartung hoher Renditen. Nichts war verboten, alles erlaubt - solange sich nur genügend Reiche zur Wette bereitfanden.

So ist es noch immer, als Robert Hiscox 1965 ins Geschäft seines Vaters Ralph einsteigt. Der Junior macht das kleine Lloyd's-Syndikat bald zu einer großen Versicherungsgesellschaft, die heute an der Börse notiert ist. Nach dem Tod seines Vaters übernimmt er 1970 das Geschäft mit damals zehn Angestellten und steigert den Wert auf zuletzt 1,6 Milliarden Pfund (1,9 Milliarden Euro). "Wir haben alles unterschrieben, es gab keine Regeln, nur unsere Intuition", erzählt Hiscox heute. "Es war großartig."

Wer gewöhnliche Policen abschließt, Feuer- oder Hausratversicherungen verkauft, der weiß, wie oft es brennt und wie oft eingebrochen wird. Wer aber den ersten Jet - er heißt "Comet 1" - versichert, der hat keine Ahnung, wie groß die Gefahr ist, dass er abstürzen wird. "Wir haben das Risiko völlig falsch eingeschätzt - zu unseren Gunsten", sagt Hiscox, der sich noch heute über die "phantastischen Gewinne" freut. Wer konnte schon ahnen, dass Flugzeuge so sicher sind?

Andere Geschäfte gehen dagegen gründlich schief, eine Deckung für Ölpipelines beispielsweise wird zum Debakel. Solche Flops, meint Hiscox, seien aber kein existentielles Problem, solange das eigene Geschäft nur groß und vielfältig genug sei.

Also greift er zu, wann immer sich eine neue Gelegenheit bietet. 1967 fängt er an, die Adeligen und Reichen zu versichern, ihre Villen, Feriendomizile, Oldtimer, Yachten, Privatflugzeuge, Antiquitäten, Kunstsammlungen, alles, was gut und teuer ist. In der Versicherungsagentur um die Ecke würde man vermutlich die Augenbrauen hochziehen, wenn die Kundin einen 100000 Euro teuren Ring aus dem Skilift fallen lässt. Bei Hiscox schickt man einen Suchtrupp los - und zahlt, weil das Stochern im Schnee erfolglos blieb. Hier gilt der Grundsatz: Je vermögender ein Kunde ist, desto besser. Denn die Wohlhabenden sorgen sich um ihre Sicherheit, sie lieben, was sie besitzen, sie wollen keine ungebetenen Gäste in ihrem Haus haben und schalten zuverlässig die Alarmanlage ein. "Solche Leute zu versichern, ist wirklich einfach", schwärmt der Brite, der selbst nicht zu den Armen zählt. Mit seiner Frau Lady Julia Meade lebt Hiscox auf einem Anwesen in Marlborough in der Grafschaft Wiltshire und nennt eine veritable Kunstsammlung sein Eigen.

Lange Zeit besaß Hiscox ein lukratives Monopol auf Luxuspolicen, heute ist der Versicherer hier immer noch führend. Die Briten war auch die Ersten, die Entführungs- und Lösegeld-Policen anboten. Auch Schiffe, die durch den Golf von Aden fahren, wo somalische Piraten regelmäßig Lösegeld erbeuten, stehen auf Wunsch unter Hiscox' Schutz.

Das Geschäft lief gut, bis Konkurrenten Hiscox' Preise um 50 Prozent unterboten und die Piraten plötzlich ihre Forderungen verdoppelten. Immerhin: Hiscox ist immer noch im Geschäft, so mancher Konkurrent, der allzu optimistisch kalkulierte, musste aufgeben. Inzwischen versichert Hiscox nur noch sehr hohe und schnelle Schiffe, die nicht so einfach zu entern sind. Manchmal schreckt aber auch der Brite vor einem Geschäft zurück. Ein Kunde wollte einmal den Transport von Killerwalen im Flugzeug versichern, davon ließen seine Leute dann doch die Finger. Niemand wusste, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Orca beim Flug stirbt.

Heute erzielt Hiscox mit 1100 Mitarbeitern rund 1,7 Milliarden Pfund Prämieneinnahmen. Neben dem Mutterhaus in Großbritannien gibt es Niederlassungen in zehn Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, USA und Bermuda. Dass der Aktienkurs von Hiscox auf Höchstkurs notiert, ist vor allem der Rückversicherung zu verdanken, die für das Unternehmen eine tragende Rolle spielt, insbesondere Hurrikan-Policen. Die Anleger glauben, dass nach all den Naturkatastrophen in den letzten Monaten die Prämien und der Gewinn bald kräftig steigen werden. Hiscox kann sich für das Rückversicherungsgeschäft dennoch nicht begeistern, sein Herz schlägt eindeutig für die Erstversicherung. "Auf Bermuda zu sitzen und große Wetten darauf abzuschließen, wo der Wind bläst, ist nichts für mich", sagt Hiscox.

Seine große Leidenschaft gilt der Kunst - und Kunstversicherungen. Bei Hiscox lassen sich Superreiche den Jackson Pollock im Wohnzimmer gegen Kunstraub versichern und Museen wie die Londoner Tate Gallery Meisterwerke von William Turner. Hiscox beschäftigt eigens Kunstdetektive, die nach gestohlenen Gemälden und kunstsinnigen Kriminellen fahnden. Der Appetit der Sammler ist gewaltig, russische Oligarchen und chinesische Neureiche kaufen, was gefällt und jagen die Preise nach oben.

Das freut den Versicherer Hiscox - denn mit den Preisen steigen die Prämien, die seine Kunden zahlen müssen; und es ärgert den Sammler Hiscox. "Ich sah den Konjunkturabschwung und die Bankenkrise kommen", erzählt er. Hiscox war flüssig, um zuzuschlagen, wenn die Preise nur tief genug gefallen sein würden. "Ich war zu gierig", bedauert er heute. Statt wie erhofft um 50 sind die Preise nur um 30 Prozent eingebrochen, bald ging es wieder aufwärts, und Hiscox verpasste den Einstieg.

Entmutigen lässt er sich von solchen Rückschlägen nicht, Hiscox kauft munter weiter - Damien Hirst, Ed Ruscha und Candida Höfer - für sich, seine fünf Söhne und bislang sechs Enkelkinder. Übrigens war Hiscox nie scharf darauf, dass der Nachwuchs in sein Geschäft einsteigt. "Ich will nicht, dass Hiscox als Familienbetrieb gesehen wird", sagt er. "Hiscox soll eine Leistungsgesellschaft bleiben."

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