Riester-Rente:Sparer verschenken Milliarden Euro

Viele Menschen riestern, doch viele von ihnen wissen überhaupt nicht, was die Zusatzrente bietet. Nach SZ-Informationen kassieren zwei von drei Anlegern nicht die volle oder gar keine Zulage. Verbraucherschützer halten die Sparer für überfordert - und kritisieren die Banken.

Thomas Öchsner

Millionen Sparer lassen sich bei der Riester-Rente Geld vom Staat entgehen. Sie sparen bei der geförderten Altersvorsorge nicht genug und können die staatlichen Zulagen deshalb nicht vollständig ausschöpfen. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Verbraucherschützer sehen sich deshalb in ihrer Kritik bestätigt, dass viele Bürger mit der richtigen Nutzung der Riester-Rente überfordert sind.

Studie: Riester-Rente oft nicht besser als ein Sparstrumpf

Riester-Rente: Wer weniger einzahlt, erhält auch entsprechend weniger Zuschüsse vom Staat.

(Foto: dpa)

Eine entscheidende Grundregel ist dabei zu beachten: Die volle Förderung, also 154 Euro Grundzulage plus 185 Euro pro Kind im Jahr, erhält nur, wer vier Prozent seines sozialversicherungspflichtigen Vorjahreseinkommens investiert - abzüglich der vom Staat gezahlten Zulagen. Wer weniger einzahlt, erhält auch entsprechend weniger Zuschüsse vom Staat. Und die gelten als der attraktivste Teil der Riester-Rente. Sie sollen mit dazu beitragen, die Versorgungslücke zu schließen, die durch die Absenkung des Rentenniveaus entstanden ist. Das Bundesfinanzministerium schreibt deshalb in seiner Antwort auf die Linken-Anfrage: "Sozialpolitisch ist hierbei die Frage relevant, wie viele geförderte Personen eine vollständige oder teilweise Zulagenförderung erhalten haben."

Zwei Jahre können sich Sparer Zeit lassen, die Zulagen zu beantragen. Das Riester-Jahr 2008 ist deshalb abgeschlossen. Für 2009 bleiben dafür nur noch wenige Tage bis Silvester. Die Zulagen für 2010 lassen sich bis Ende 2012 beantragen, wobei die Faustregel gilt: Je früher der Antrag weggeschickt ist, desto eher gibt es Geld auf dem Vorsorgekonto - und damit Zins und Zinseszins. Die Antwort des Finanzministeriums zeigt nun, dass viele Bürger die Grundregeln der Riester-Rente nicht beachten.

So wurden 2008 gut 9,2 Millionen geförderte Personen gezählt - bei mehr als 12 Millionen Riester-Verträgen. Mehr als zwei Millionen Sparer haben die Zulage also nicht einmal betragt. Und von denjenigen, die dies erledigten, erhielten lediglich 61,8 Prozent oder 5,7 Millionen die volle Zulage. Der Rest schöpfte die Förderung nicht aus.

Die vorläufigen Zahlen für die noch nicht abgeschlossenen Riester-Jahre sehen nicht besser aus: 2009 lag die Anzahl der Verträge bei knapp 13,3 Millionen, gefördert wurden bis jetzt 9,8 Millionen, davon nur 57,7 Prozent mit voller Grundzulage. Und 2010 entfallen auf fast 14,4 Millionen Verträge bislang 9,2 Millionen Personen mit Förderung, von denen wiederum 58,1 Prozent die volle Grundzulage kassierten. Damit kassieren ungefähr zwei von drei Sparern keine oder nicht die volle Zulage. Das Finanzministerium gibt auch an, dass bereits 15 Prozent der Verträge ruhen, also die Sparer keine Beiträge mehr einzahlen. Außerdem ist der Antwort zu entnehmen, dass von den etwa zwei Millionen geförderten Personen im Riester-Startjahr 2002 bis 2006 nur 70 Prozent durchgehend vorgesorgt haben.

"Miserable Beratungsqualität"

Edda Castelló, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg, sagt: "Die Zahlen zeigen, dass viele Menschen mit den Riester-Verträgen überfordert sind." Sie schafften es nicht, Jahr für Jahr den Eigenbeitrag so anzupassen, dass sie stets die volle Förderung bekommen.

Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, führt dies vor allem auf die "miserable Beratungsqualität" zurück. Den Vertretern und Anlagevermittlern in den Versicherungen und Banken gehe es darum, "ihre Produkte zu verkaufen". Den Kunden Jahr für Jahr bei der richtigen Nutzung weiter zu beraten, sei dagegen nicht lukrativ. Hinzu komme, dass vielen Menschen erst einigen Jahren nach Vertragsabschluss klar werde, dass sie sich die eigenen Sparbeiträge in der maximal erforderlichen Variante gar nicht leisten könnten oder dass ihnen jemand ein zu teures Produkt aufgeschwatzt habe.

Scharfe Kritik kommt auch von Matthias Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linken. Der Abgeordnete hält die Vertragszahlen von nun fast 15 Millionen Riester-Verträgen für "trügerisch". Da viele ihre Zulagen gar nicht beantragen und oder nicht voll ausschöpfen, könnten sie auch nicht mit der Riester-Rente die "politisch willkürlich gerissene Versorgungslücke im Alter schließen", sagt er.

Birkwald ist überzeugt, dass die staatlichen Subventionen in der gesetzlichen Rentenversicherung besser aufgehoben wären. Und die sind inzwischen beträchtlich, wie die Zahlen des Ministeriums zeigen: Von 2002 bis 2010 schüttete der Staat elf Milliarden Euro als direkte Zulagen aus. Eine Milliarde ging über die Steuer an die Versicherten. Die Riester-Sparer selbst zahlten 25,5 Milliarden Euro an Beiträgen. Birkwald sagt: Für die Versicherer, auf die der größte Anteil der Verträge fällt, "ist die Riester-Rente auf jeden Fall ein Goldesel".

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