Richtiges Timing:Mit warmer Hand

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Inhaber sollten frühzeitig klarstellen, welches ihrer Kinder das Unternehmen bekommt.

Von Harald Freiberger

Wolfram Theiss, Erbrechtsexperte bei der Münchner Kanzlei Noerr, erzählt gern die Geschichte von einem 80-jährigen Unternehmer, der mit seinem Testament zu ihm kam. "Schauen Sie mal rein, ob alles passt", habe er ihn aufgefordert. Das Testament hatte der Mann vor Jahren abgefasst. "Als ich es geprüft habe, bin ich erschrocken", sagt Theiss. Wäre der Mann gestorben, hätte es für seine Firma eine Katastrophe bedeutet: Es wäre eine hohe Erbschaftsteuer angefallen, weil sich das Erbschaftsteuerrecht in der Zwischenzeit geändert hatte und das Unternehmen nicht die Voraussetzungen für eine Verschonung von der Erbschaftsteuer erfüllt hätte.

Den Fall erzählt Theiss immer, wenn es ihm darum geht, seine wichtigste Erkenntnis zu vermitteln: "Die Unternehmensnachfolge sollte nie allein durch ein Testament geregelt werden." Eine Firma sollte "mit warmer Hand" übergeben werden. Ein wichtiger Grund dafür sei die Erbschaftsteuer, die von der Politik häufig geändert werde. Man wisse nicht, was gelte, wenn der Tod eintritt. Übergebe man die Firma noch zu Lebzeiten an ein Kind, könne man alles steuerrechtlich optimieren.

Die letzte Änderung im Erbschaftsrecht gab es im Juli 2016. Seitdem gelten verschärfte Regeln, wie Erben von Firmen von der Steuer verschont werden: Unter anderem müssen sie das Unternehmen sieben Jahre lang erhalten, die Lohnsumme darf im Durchschnitt nicht sinken, dann sind sie voll von Erbschaftsteuer befreit; wird das Unternehmen über fünf Jahre fortgeführt und 80 Prozent der Lohnsumme erreicht, gibt es eine Verschonung von 85 Prozent. Verkaufen sie aber das Unternehmen oder entlassen im großen Stil Mitarbeiter, schlägt die Erbschaftsteuer voll zu.

Es gibt noch einen anderen Grund, warum ein Firmeninhaber noch zu Lebzeiten übergeben sollte: "Nur so kann er sehen, ob der vorgesehene Nachfolger überhaupt geeignet ist, das Unternehmen zu führen, und notfalls noch eingreifen", sagt Theiss. Hinzu komme, dass Mittelständler oft eine eigene Art haben, das von ihnen aufgebaute Unternehmen zu führen. Nicht selten haben sich verkrustete Strukturen herausgebildet, an die sich die Mitarbeiter gewöhnt haben. Will der Nachfolger diese aufbrechen, stößt er auf Widerstände. Solange der Gründer noch lebt, kann er helfen, den Übergang mitzutragen und reibungsloser zu gestalten.

"Die Führung abzugeben, ist ein Kontrollverlust, den man gleitend angehen sollte."

"Die Führung des eigenen Unternehmens abzugeben, ist ein Kontrollverlust, den man schrittweise und gleitend angehen sollte", sagt Frank Schuck, ebenfalls Anwalt bei der Kanzlei Noerr. Der richtige Zeitpunkt, um damit zu beginnen, ist nach Ansicht der Anwälte mit etwa 55 Jahren. Wichtig ist auch das Alter der Kinder: Wenn sie ihre Ausbildung beendet haben, stellt sich die Frage, ob und wie sie in das Unternehmen des Vaters eintreten. Es gibt mehrere Methoden, sie langsam heranzuführen: "Ideal ist es, wenn sie ein Studium absolviert haben, das sie im eigenen Unternehmen gebrauchen können, und Erfahrungen bei anderen Unternehmen gesammelt haben", sagt Theiss.

Zeigt sich nach einiger Zeit, dass ein Kind geeignet ist, die Nachfolge anzutreten, kommt der wichtigste Schritt: "Das Kind sollte auch von der Inhaberseite her eingebunden werden und Anteile an dem Unternehmen erhalten", sagt Theiss. Wenn das nicht geschehe, habe es nur den Status eines Fremdmanagers, was nicht gerade die Motivation fördere. Dies ist auch der Zeitpunkt, da es gilt, die Nachfolge vertraglich von mehreren Seiten her zu regeln: "Das Wichtigste ist, dass klar ist, wer die Nachfolge antritt, und die Ansprüche der anderen Erben so zu regeln, dass sie dem Unternehmen nicht schaden", sagt Theiss.

Zwei zentrale Punkte im Erbrecht können eine Firma sogar in ihrer Existenz gefährden: der Anspruch der Abkömmlinge und des Ehepartners auf einen Pflichtteil und der Anspruch des Ehepartners auf den Zugewinn, falls es keinen Ehevertrag gibt, der dies ausschließt. Der Wert des Unternehmens geht in die Erbmasse ein. Bei zwei Kindern und einem Ehepartner erhält jedes Kind ein Achtel und der Ehepartner ein Viertel des Gesamterbes als Pflichtteil. Die Ehefrau hat zudem Anspruch auf Beteiligung an dem Zuwachs des Wertes, den das Unternehmen im Laufe der Ehe gewonnen hat; gerade bei einem mittelständischen Unternehmen, das vom Erblasser gegründet wurde, ist das nicht selten der gesamte Wert. Bestehen die anderen Erben auf das, was ihnen rechtlich zusteht, muss der Firmenerbe sie auszahlen; die Beträge können so hoch sein, dass sie das Unternehmen in seiner Existenz gefährden. Entweder es fließt sehr viel Liquidität ab, oder die Firma muss sogar verkauft werden - was wiederum dazu führt, dass der Nachfolger nicht von der Erbschaftsteuer verschont bleibt. Zudem muss er auf den Verkaufserlös Einkommensteuer zahlen.

"Die wichtigste Regelung, um Streit zu vermeiden, ist es deshalb, die Erben, die das Unternehmen nicht führen sollen, zu einem Verzicht auf den Pflichtteil zu bewegen und den Zugewinnausgleich zu Lebzeiten zu regeln", sagt Schuck. Meist geschehe dies, indem die Erben einen finanziellen Ausgleich für den Verzicht erhalten. Es gebe auch die Möglichkeit, ihnen Anteile an dem Unternehmen zu überschreiben. Sie profitieren dann künftig von dem Gewinn. "Das Sagen aber sollte nur der Firmenerbe haben, wenn ihm andere reinreden können, geht das meist nicht gut", sagt Schuck.

Wichtig ist auch, dass Testament und Gesellschaftsvertrag angeglichen werden. Bei Personengesellschaften wie einer GmbH & Co. KG geht das Gesellschaftsrecht vor dem Erbrecht. Nur wer laut Gesellschaftsvertrag Gesellschafter werden darf, kann dies auch tatsächlich werden.

Und wie sieht eine gelungene Übergabe aus? "Wenn das am besten geeignete Kind die Nachfolge antritt, Ehepartner und andere Kinder nicht unzufrieden sind und der alte Inhaber sein Unternehmen in guten Händen weiß und nur noch Golf spielen geht", sagt Theiss.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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