Rettungsfonds: Axel Weber:Ein Schirm variabler Größe

750 Milliarden Euro stehen bereits zur Rettung maroder Staaten bereit. Es könnte allerdings auch mehr werden, sagt Bundesbank-Chef Axel Weber - und belastet mit solchen Worten den Euro.

Martin Hesse, Michael Kläsgen und Marcel Kammermayer (Video)

Axel Weber ist ein Mann mit Prinzipien. Zu den Grundsätzen, die er bis an die Grenze zur Sturheit verteidigt, ist die Unabhängigkeit der Bundesbank von der Politik. Jetzt mischt er sich in die Politik ein. Erst deutete er am Mittwochabend in Paris an, die EU-Staaten könnten den 750 Milliarden schweren Euro-Rettungsschirm aufstocken. Dann versuchte er im Adlon die Ängste wieder einzufangen, die er mit seinen Aussagen an den Märkten ausgelöst hatte. Es sei extrem unwahrscheinlich, dass der Rettungsfonds aufgestockt werden müssen.

Schon jetzt seien 85 Prozent der gesamten Staatsschulden Irlands, Griechenlands, Portugals und Spaniens durch Hilfszusagen gedeckt, es fehlten also selbst bei einem Komplettausfall der Schulden nur 140 Milliarden Euro. "An diesen 140 Milliarden Euro wird der Euro nicht scheitern", sagte Weber.

Der deutsche Notenbankchef, der am Donnerstag Nachmittag im Adlon auftrat, entscheidet zwar nicht darüber, ob der Rettungsfonds aufgestockt wird, das tun die EU-Regierungen. Aber Weber hat eine eigene Agenda. Die Europäische Zentralbank (EZB), deren Führungsgremium Weber angehört, trägt derzeit mit dem Aufkauf von Staatsanleihen in großem Stil wesentlich zur Rettung der hoch verschuldeten Peripheriestaaten bei. Doch lieber heute als morgen möchte die EZB sich aus dem direkten Krisenmanagement zurückziehen. Sie sieht es als Sache der Politik an, sich gegenseitig bei Haushaltsproblemen zu helfen.

Doch Weber hat auch persönliche Ziele. Er möchte im nächsten Jahr Nachfolger von Jean-Claude Trichet werden. Ob er diesem Ziel mit seinen politischen Äußerungen nähergekommen ist, gilt jedoch als fraglich. Vor allem in Paris wird der Bundesbanker skeptisch beäugt. Am Mittwochabend musste sich Weber den kritischen Blicken französischer Top-Banker, Unternehmenschefs, Politiker, hoher Beamter und Chefredakteure stellen. Vor dem illustren Kreis hielt Weber eine Rede über den Euro und auch über deutsch-französische Gemeinsamkeiten bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise - auf Deutsch. Ein brisanter Auftritt in dem geschichtsträchtigen Hôtel de Beauharnais. Denn der Bundesbank-Präsident braucht das Einverständnis von Paris, wenn er zum EZB-Chef ernannt werden will. Doch er hat es nicht. Zum einen, weil er seine Kandidatur offiziell gar nicht erklärt hat. Zum anderen, weil Staatspräsident Nicolas Sarkozy, so kolportiert jedenfalls die französische Presse, ihn ablehne.

Im Pariser Politbiotop hängt Weber der Makel an, eigensinnig und zu undiplomatisch zu sein. In Paris ließ Weber diplomatisches Geschick erkennen, als er sein Buhlen um die Gunst der französischen Elite mit einer Bitte verband: "Messen Sie mich bitte in Frankreich an der Funktion, die ich habe", sagte er - und meinte wohl: messen Sie mich nicht an der Funktion, die ich haben möchte. "Ich bin Präsident der Bundesbank und muss die Positionen der Bundesbank vertreten."

Nur einen Vergleich, den man als Spitze gegen Frankreich werten könnte, erlaubte sich Weber. Nämlich, als er die unterschiedlichen "Diskussionskulturen" in Europa als Grund dafür anführte, dass er bisweilen klar Stellung beziehe. In Deutschland würden die Entscheidungen der Bundesbank immer von öffentlichen Debatten begleitet, erklärte er. Wie recht er hatte, zeigte sich am Donnerstag, als seine Aussagen zum Rettungsschirm hohe Wellen schlugen. Weber fühlte sich gründlich missverstanden, auch von den Finanzmärkten: Der Euro ließ die Flügel hängen, weil ausgerechnet einer seiner Stabilitätswächter ihn schwach geredet hatte.

Das wollte Weber so nicht stehen lassen. Und so hielt der oberste deutsche Währungshüter von der Bühne des Adlon aus ein flammendes Plädoyer für die gemeinsame Währung: "Der Euro ist eine der stabilsten Währungen der Welt." Einen Weg zurück in die Geschichte gebe es nicht und er sei gerade für Deutschland auch nicht wünschenswert. "Es ist eine abstruse Idee, dass wir die Krise besser überstanden hätten, ohne den Euro. DM-Romantik ist nicht geeignet, um die Zukunft zu gestalten."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: