Rentenerhöhung:Ostergeschenk mit Nebenwirkungen

Was der Rentenkompromiss der Koalition für Arbeitnehmer, Unternehmer und Ruheständler bedeutet.

Guido Bohsem

Es klang wie eine Art verspätete Osterbotschaft: Um auch die Rentner am Wirtschaftsaufschwung teilhaben zu lassen, sollen ihre Bezüge nach dem Willen der Koalition in diesem und im nächsten Jahr deutlich stärker steigen, als es die Rentenformel rein rechnerisch erlauben würde.

Rentenerhöhung: Sollen am Aufschwung teilhaben: Für zwei Jahre wird der Riester-Faktor ausgesetzt, Rentner erhalten gut 0,6 Prozent höhere Bezüge als ursprünglich vorgesehen.

Sollen am Aufschwung teilhaben: Für zwei Jahre wird der Riester-Faktor ausgesetzt, Rentner erhalten gut 0,6 Prozent höhere Bezüge als ursprünglich vorgesehen.

(Foto: Foto: AP)

Was die Koalitionäre jedoch übersahen: Der Beschluss hat eine Reihe von Nebenwirkungen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber teuer zu stehen kämen und deshalb den Wirtschafts- wie den Finanzminister auf den Plan riefen. Sogar die Ruheständler selbst wären nicht nur Gewinner, denn sie erkaufen die außerplanmäßige Rentenerhöhung dem Konzept zufolge dadurch, dass ihre Bezüge in den Folgejahren deutlich langsamer steigen werden als bislang vorgesehen. Mit einem Kompromiss wollen das Kanzleramt und die betroffenen Fachressorts nun sicherstellen, dass es einerseits bei dem Ostergeschenk bleibt, zugleich aber die gröbsten Folgewirkungen vermieden werden.

Im Folgenden Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie wird die jährliche Rentenerhöhung normalerweise berechnet?

Die Renten steigen grundsätzlich in gleichem Maße wie das durchschnittliche Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer im Vorjahr. Rechnerisch steht den etwa 20 Millionen Ruheständlern damit in diesem Jahr ein Plus von 1,1 Prozent zu. Da aber eine immer kleinere Zahl von Beschäftigten eine immer größere Zahl von Rentnern finanzieren muss, hat die Politik in den vergangenen Jahren einen Dämpfungsmechanismus in die Rentenformel eingebaut: den Riester-Faktor. Nach geltender Rechtslage hätte dieser Faktor den Anstieg der Renten in diesem Jahr um 0,64 Prozentpunkte gemindert. Die Rentner hätten also statt 1,1 nur 0,46 Prozent mehr Geld erhalten.

Was wird 2008 und 2009 geändert?

Der Riester-Faktor wird ausgesetzt, weil die Koalition eine Rentenanhebung von 0,46 Prozent in einem Aufschwungjahr für nicht vermittelbar hält. Die Bezüge steigen also im Juli um 1,1 Prozent. Für einen Modell-Rentner, der 45 Jahre lang in durchschnittlicher Höhe in die Rentenkasse eingezahlt hat, macht das pro Monat zusätzlich 13,15 Euro aus. Im Bundestagswahljahr 2009 könnte das Plus sogar bei deutlich mehr als zwei Prozent liegen, da die Lohnabschlüsse des laufenden Jahres bisher recht hoch ausgefallen sind.

Was bedeutet das Aussetzen des Faktors für Unternehmen und Beschäftigte?

Weil die Rentenkasse mehr ausgibt, kann der Beitragssatz nicht so schnell sinken wie geplant. Statt 2011 für einige Jahre auf 19,3 Prozent des Bruttolohns zu sinken, bleibt der Satz nach Angaben aus Regierungskreisen mit 19,9 Prozent unverändert. Erst 2012 soll er sich auf 19,5 Prozent reduzieren und 2013 dann 19,1 Prozent betragen. Nach einer Faustformel müssen dadurch Unternehmen und Beschäftigte, die den Beitrag je zur Hälfte zahlen, allein für 2011 jeweils etwa 2,5 Milliarden Euro mehr zahlen. Für 2012 sind es jeweils 1,7 Milliarden. Das ärgert nicht nur die Betroffenen, sondern auch den Wirtschaftsminister, der eine raschere Beitragssenkung wünscht.

Müssen auch die Rentner selbst ihre eigene Rentenerhöhung bezahlen?

Ja, zu einem Gutteil schon. Laut Kompromissplan aus dem Kanzleramt sollen die Altersbezüge 2012 und 2013 deutlich langsamer steigen als bisher geplant. Schuld daran ist einerseits der jetzt ausgesetzte Riester-Faktor, der dann nachgeholt wird. Hinzu kommt der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor, der ebenfalls eingeführt wurde, um das Rentensystem auf Dauer finanzierbar zu halten. Er bemisst das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern. Nimmt die Zahl der Ruheständler im Vergleich zu den Beschäftigten zu, drosselt der Faktor den Anstieg der Rente.

In den Jahren 2005 und 2006 hatte der Faktor eine deutlich negative Wirkung. Wäre er vollständig zum Tragen gekommen, hätte er in beiden Jahren zu einer Rentenkürzung geführt, die aber durch eine Schutzklausel ausgeschlossen ist. Im schlimmsten Fall ist, wie dreimal hintereinander geschehen, eine Nullrunde erlaubt. Trotzdem geht auch in diesen Jahren die Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors nicht verloren, denn sie wird nachgeholt - im konkreten Fall ebenfalls 2012 und 2013. Summa summarum werden die Renten in beiden Jahren nach Schätzung der Regierung daher um lediglich 0,7 und ein Prozent steigen.

Was stört den Bundesfinanzminister?

Da die Rentenversicherung mit den Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auskommt, muss Peer Steinbrück aus dem Haushalt jedes Jahr fast 80 Milliarden Euro zuschießen. Die Höhe des Zuschusses bemisst sich an der Höhe der Beiträge. Sinken diese nun langsamer als geplant, muss auch der Minister mehr zahlen als vorgesehen. Allein 2011 kommen so zusätzliche Kosten von 1,4 Milliarden Euro auf ihn zu.

Das ist deshalb problematisch, weil 2011 das Jahr ist, in dem die Regierung erstmals seit Jahrzehnten wieder einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen will. Steinbrück hat aber noch ein weiteres Problem: Weil die Bezüge der Langzeitarbeitslosen an die der Rentner gekoppelt sind, erhalten auch Hartz-IV-Empfänger statt 0,46 Prozent 1,1 Prozent mehr. Kosten für den Bund bis 2011: 730 Millionen Euro.

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