Reiche in Geberlaune:Bitte nehmt unser Geld!

Privates Geld für die leere Staatskasse: Mit einer Extrasteuer auf große Vermögen will eine Initiative den Haushalt sanieren. Ihre Mitglieder wären selbst auch davon betroffen.

Daniela Kuhr

Eins, zwei, drei und los!" Auf Kommando werfen vier Männer und eine Frau grüne Papierschnipsel in die Luft. Sie sehen aus wie Geldscheine. Vorn ist eine Eins mit elf Nullen aufgedruckt. Die Zahl steht für die 100 Milliarden Euro an Garantien und finanziellen Hilfen, die der Staat im Zuge der Finanzkrise strauchelnden Banken gewährt hat. "Es macht mich wütend, wenn ich daran denke, wie viel Geld auf einmal für die Banken da war", sagt Dieter Lehmkuhl, 66. "Geld, das vorher nie dagewesen ist für die wirklich drängenden Aufgaben in diesem Land, wie zum Beispiel für Soziales, Bildung und die Umwelt." Er muss weitermachen. "Eins, zwei, drei und los!" Wieder werfen sie die Schnipsel in die Luft, damit die Fotografen etwas zu knipsen haben.

Immerhin. Auch wenn die fünf nur ein versprengtes Häuflein sind, genießen sie doch einiges an Aufmerksamkeit an diesem Mittwochmorgen in Berlin, nur wenige Meter entfernt von der nordrhein-westfälischen Landesvertretung. Drinnen zerbrechen sich die künftigen Koalitionäre gerade den Kopf darüber, wie sie die vielen anstehenden Probleme am besten lösen können. Draußen steht eine Gruppe Menschen im fortgeschrittenen Alter, die überzeugt davon sind, die Antwort gefunden zu haben.

Reich durch Erbschaft

Auf Anhieb klingt ihr Vorschlag nicht gerade ungewöhnlich: Wie viele andere Bürger auch, wollen sie, dass Reiche stärker zur Kasse gebeten werden. Was dann aber doch aufhorchen lässt: Sie sind selbst reich. "Wir wollen unseren Beitrag leisten", sagt Lehmkuhl. "Es kann nicht sein, dass wir Vermögenden in den vergangenen Jahren von den Zockereien der Banken profitiert haben, die Folgen jetzt aber der kleine Mann auf der Straße bezahlen muss."

Es ist eine Tatsache, die erst in letzter Zeit allmählich ins Bewusstsein rückt: Deutschland ist ein reiches Land, doch das Vermögen verteilt sich äußerst ungleich. Nach einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Januar veröffentlicht hat, verfügte das wohlhabendste Zehntel der Erwachsenen in Deutschland im Jahr 2007 insgesamt über 61,1 Prozent des privaten Vermögens. Dagegen besaßen die unteren 70 Prozent nur knapp neun Prozent des Nettovermögens. "So etwas lässt mir keine Ruhe", sagt Lehmkuhl. "Das ist sozial ungerecht."

Und deshalb hat der ehemalige Psychiater und Psychotherapeut im Frühjahr die "Initiative vermögender Bürger" gegründet. 42 wohlhabende Mitstreiter fand er seither, darunter Ärzte, aber auch Lehrer. Fast alle sind durch eine Erbschaft zu ihrem Reichtum gekommen. "Mit ganz normaler Erwerbsarbeit wird doch heute niemand mehr reich", sagt die Frau, die eben noch die Schnipsel in die Luft geworfen hat. "Es sei denn natürlich, er ist Banker."

"Himmelschreiende Ungerechtigkeit"

Alle 43 haben einen Appell unterzeichnet: Jeder Bürger, dessen Vermögen 500.000 Euro übersteigt, soll in den kommenden zwei Jahren auf diesen überschießenden Betrag je fünf Prozent Steuer zahlen. "Auf diese Weise bekämen wir etwa 100 Milliarden Euro in die Staatskasse", sagt Lehmkuhl. In den Folgejahren solle die Regierung wieder die Vermögensteuer einführen, die 1997 abgeschafft wurde. "Damit ließen sich viele Probleme lösen, über die unsere Politiker gerade diskutieren."

Es scheint ihm ernst zu sein, genau wie seinen Mitstreitern. "Es ist doch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wie gering wir besteuert werden", sagt Peter Vollmer, der zu seinem Reichtum gekommen ist, weil er Anteile am väterlichen Betrieb geerbt hat. Einerseits habe sich die große Koalition geweigert, den Hartz-IV-Satz deutlich zu erhöhen, andererseits aber habe sie die Erbschaftsteuer gesenkt und die Abgeltungsteuer eingeführt, was zur Folge hat, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen generell nur noch mit 25 Prozent besteuert werden. "Das ist doch für Reiche, die zuvor den Spitzensteuersatz gezahlt haben, die größte Steuersenkung aller Zeiten gewesen", sagt Vollmer aufgebracht.

Wie Träumer wirken sie nicht, die fünf. Und deshalb ist sich Lehmkuhl durchaus bewusst, dass seine Forderung kaum Chancen hat, schnell realisiert zu werden. "Angesichts der jetzigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ist das wohl nicht zu erwarten", sagt er und überlegt kurz. "Aber deshalb wird die Forderung ja nicht falsch."

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