Reform der Bewertungsreserven der Lebensversicherer:Vorerst abgeblasen

Der Vermittlungsausschuss konnte sich nicht auf eine Reform der Bewertungsreserven der Lebensversicherer verständigen. Das schont Kunden, deren Policen derzeit fällig werden. Doch ein neuer Anlauf wird kommen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Der Aufstand der Versicherten ist vorerst abgeblasen. Der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat verständigte sich am Dienstagabend darauf, bei den Ausschüttungen bei Lebensversicherten erst einmal alles beim alten zu belassen - wegen heftigen Streits war keine richtige Einigung möglich. Wer also in diesen Tagen mit der Auszahlung seiner Police rechnet, kann beruhigt sein. Es wird die befürchteten Einbußen nicht geben - zumindest vorerst nicht. In einer Protokollnotiz verständigt man sich darauf, das Thema noch einmal ausführlich zu beleuchten und dann zu regeln.

Das Problem mit den Bewertungsreserven entsteht aus einem unglücklichen Zusammenspiel aus rechtlichen Vorgaben und niedrigen Marktzinsen. Zum einen hatte das Verfassungsgericht 2005 entschieden, dass die Versicherten stärker an den Reserven der Konzerne beteiligt werden müssen. Zum anderen beförderte die Finanzkrise die Zinsen für Anlagen in den Keller. Das treibt die Bewertungsreserven in die Höhe, ohne dass die Konzerne dadurch real über mehr Vermögen verfügen.

Die Folge aus beiden Dingen ist, dass die zur Zeit ausgezahlten Lebensversicherungen besonders hoch ausfallen und die Konzerne nicht in der Lage sind, mit neuen Anlagen hohe Renditen zu erzielen. Das schadet zum einen den Konzernen selbst, aber auch den Kunden, deren Lebensversicherungen noch länger nicht fällig sind.

Ersteres wollte die Branche nicht länger akzeptieren und machte deshalb Druck auf das Finanzministerium. Und zwar so sehr, dass die Beamten Alarm schlugen und dringend zu einer Gesetzesänderung rieten. Ansonsten könnten bei unveränderten Marktbedingungen 25 Prozent der Unternehmen ins Trudeln geraten.

Die schwarz-gelbe Koalition folgte den Empfehlungen und schlug vor, die Regeln für die Ausschüttungen für die Bewertungsreserven zu ändern. Nach Berechnung der Finanzaufsicht Bafin hätten die Konzerne bis 2025 etwa 37 Milliarden Euro weniger ausschütten müssen - zulasten vor allem der Versicherten, deren Policen in der nächsten Zeit fällig werden.

"Es besteht für kein einziges Unternehmen eine Gefahr"

Nach Worten des Unions-Fraktionsvizes im Bundestag, Michael Meister (CDU), hat der Verzicht auf eine Neuregelung aktuell keine Konsequenzen, jedenfalls nicht für die Versicherungswirtschaft. "Es besteht für kein einziges Unternehmen eine Gefahr", betonte er.

Jedoch droht nun eine Belastung der Versicherten, deren Auszahlung erst in weiter Zukunft beginnt. Geschieht nichts, werden sie in der Zukunft weniger Leistungen aus ihrer Lebensversicherung erhalten. Um das zu verhindern, soll nun ein Weg gefunden werden, die Konzerne selbst stärker an den Kosten der Regelung zu beteiligen. Doch das dauert und soll auch unter den Bedingungen der anstehenden Regulierung des Versicherungsmarkts (Solvency II) geprüft werden. Schließlich wollen Bund und Länder abwarten, ob die Marktzinsen tatsächlich weiter niedrig bleiben.

Einen richtigen Kompromiss fand der Ausschuss dagegen im Streit über die künftige Besteuerung sogenannter Streubesitzdividenden. Bisher sind Dividenden aus geringfügigen Beteiligungen von unter zehn Prozent für deutsche Unternehmen faktisch steuerfrei, für ausländische aber nicht. Der Europäische Gerichtshof hatte eine Gleichbehandlung gefordert.

Künftig werden deshalb auch Streubesitzdividenden bei deutschen Unternehmen mit 25 Prozent Kapitalertragsteuer definitiv belastet. Der Bundesrat hatte eine Steuerbefreiung auch ausländischer Firmen wegen zu hoher Steuerausfälle gestoppt. Für Fälle vor dem 01. März 2013 können sich ausländische Firmen aber die Steuerzahlungen zurückholen.

Das kommt Bund und Länder in diesem und auch im kommenden Jahr teuer zu stehen. Insgesamt rechnen die Experten des Bundesfinanzministeriums mit 2,5 Milliarden Euro, die sie den ausländischen Anlegern zurück zahlen müssen. Die Steuererhöhung für Inländer kann diese Ausfälle nur zum Teil kompensieren, so dass für 2013 eine Summe von 1,56 Milliarden Euro weniger in den Kassen des Staates sein wird. Im Jahr 2014 fehlt entgegen den ursprünglichen Einnahmen etwa eine Milliarde Euro.

Nach Angaben des Finanzministeriums wird dadurch aber die aktuelle Haushaltsplanung nicht gefährdet. Die Beträge seien bereits beim Beschluss des diesjährigen Haushalts und im Haushaltsplan für 2014 berücksichtigt worden.

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