Reden wir über Geld: Schnusenberg:"Das Pokern macht mir Spaß"

Schalke-04-Präsident Josef Schnusenberg über die exorbitanten Gehaltsforderungen der Profis, zwielichtige Berater und seine Sicht auf das Fußballgeschäft.

P. Selldorf und S. Weber

Josef Schnusenberg ist es gewohnt, mit großem Geld anderer Leute umzugehen. Der 68-Jährige ist nicht nur Präsident und Finanzvorstand des FC Schalke 04, sondern auch Chef einer großen Steuerberatungskanzlei. Zum Finale einer für Schalke völlig verkorksten Bundesligasaison spricht er über Fußball und Geld.

Schalke-04-Präsident Josef Schnusenberg, ddp

"Es geht schon in erster Linie ums Geld": Josef Schnusenberg, Präsident von Schalke 04, macht sich keine großen Illusionen, was im Fußball wichtig ist.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Schnusenberg, reden wir über Geld. Wie ist Ihr Verhältnis zum Mammon?

Schnusenberg: Ich wurde mit vier Geschwistern auf einem Gutshof in Ostwestfalen groß. Mein Vater war Gutsverwalter. Wir waren dort in jeder Beziehung autark: Erzogen wurde ich von Dominikanern und Franziskanern, wir hatten eine eigene Kapelle. Die Kindheit war wunderbar. Aber Geld hatten wir nicht so schrecklich viel. Ich wusste: Wenn Du Geld haben willst, musst Du was dafür tun. Da habe ich in der Landwirtschaft gearbeitet. Als ich zur Penne ging, wurde es noch schlimmer. Da waren Mitschüler, deren Eltern viel betuchter waren.

SZ: Um mitzuhalten, reichten ein paar Mark aus der Feldarbeit nicht.

Schnusenberg: Aber ich hatte einen Onkel in Japan, der war Missionar. Über den habe ich japanische Tee-Services und Reis-Bilder bekommen, die ich in Deutschland verkauft habe - Rendite 1000 Prozent! Da war ich immer gut versorgt. Heute sind mir andere Dinge im Leben wichtig, meine Familie vor allem. Aber das hat auch wieder mit Geld zu tun. Ich brauche auf jeden Fall genug Geld, um zum Beispiel meiner Enkelin einmal ein Reitpferd zu kaufen.

SZ: Wie halten Sie es aus, als Präsident viel weniger zu verdienen als die Angestellten?

Schnusenberg: (lacht) Sie meinen die Fußballer? Da kenne ich keinen Neid.

SZ: Beziehen Sie bei Schalke 04 ein Vorstandsgehalt?

Schnusenberg: Ich erhalte ein Fixum. Meine Kanzlei erledigt Steuer und Buchführung für den Verein.

SZ: Wie viel Zeit investieren Sie für die Aufgaben bei Schalke?

Schnusenberg: Das wurde in jüngster Zeit immer mehr, wir waren mal fünf Mann im Vorstand, jetzt sind wir nur noch zu zweit. Allein deswegen freue ich mich so darauf, dass bald Felix Magath kommt, unser künftiger Trainer-Manager mit Vorstandssitz.

SZ: Der VfL Wolfsburg beziehungsweise dessen Finanzier VW soll Magaths Wunsch nach einer deutlichen Anhebung seiner Bezüge abgelehnt haben, das passe nicht in die Landschaft. In Schalke dürfte er die Anhebung bekommen haben. Passt das hier in die Landschaft?

Schnusenberg: Ach, wissen Sie: Gerade in diesen Zeiten darf man wirklich nicht am falschen Ende sparen, sondern muss die Besten für die betreffende Position holen. Magath ist exzellent. Egal, wo er bisher war, er brachte die Mannschaft immer nach vorne.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Josef Schnusenberg Verhandlungen mit Spielerberatern führt - und warum er manchmal sogar Spaß daran hat.

"Da geht es zu wie auf einem bengalischen Markt"

SZ: Magath hat gesagt, im Profifußball gehe es nur ums Geld. Wer etwas anderes behaupte, der rede Unsinn.

Schnusenberg: Es geht schon in erster Linie ums Geld. Das fängt doch in der Kreisklasse an. Da kann man noch so viele ehrenamtliche Mitarbeiter haben - und die sind ja auch immer schwieriger zu finden - der gesamte Sport kann nur noch leben mit Geld.

SZ: Die brutale Wirklichkeit des Fußballs lernt man wahrscheinlich erst bei den Vertragsverhandlungen mit den Beratern der Spieler richtig kennen, oder?

Schnusenberg: Ach, so wild ist das nicht. Das ganz normale Leben. Jeder legt einen Zettel auf den Tisch, dann guckt man, was der andere draufgeschrieben hat. Ich muss sagen: Das Pokern macht mir Spaß. Dazu gehört auch, sein Gegenüber kennen zu lernen.

SZ: Sie meinen die Spieleragenten? Eine Branche mit zweifelhaftem Ruf.

Schnusenberg: Es sind schon interessante Leute dabei, doch da werden auch Legenden verbreitet. Ich habe in bald 15 Jahren Praxis allerdings noch nicht erlebt, dass ein Spielerberater Bakschisch verlangt hat, das wir ihm unter dem Tisch geben sollten. Am abenteuerlichsten ist es noch in Südamerika, da will jeder mitverdienen, der den Spieler kennt. Wenn man in Brasilien oder Argentinien mit einem Spieler im Taxi sitzt und an der Ampel hält, hat man immer das Gefühl: Gleich klopft einer an die Scheibe und sagt, an dem Spieler habe ich aber auch noch Rechte.

SZ: Haben Sie auch schon Verhandlungen mit Spielern abgebrochen, weil deren Forderungen Sie schockiert haben?

Schnusenberg: Ja sicher. In den Verhandlungen geht es ja zu wie auf einem bengalischen Markt. Die kommen mit ihren Vorstellungen und wissen ganz genau, dass sie die nicht durchsetzen können. Aber es gibt auch die umgekehrte Situation. Da fordert ein Spielerberater Irrsinnssummen, und wenn man dann mit dem Vater des Jungen zusammensitzt, dann sagt der, sein Sohn sei noch nicht reif genug, so viel Geld zu verdienen. Der solle erst mal beweisen, dass er soviel wert ist. Aber so was ist, muss ich zugeben, eher die Ausnahme.

SZ: Die Versuchung ist ja auch groß für die Spieler, deren Väter und Berater: Gerade volljährig - und schon auf dem Weg zum Millionär.

Schnusenberg: Klar. Die ganze Bundesliga, ganz Europa, schreit nach jungen Spielern. Ich muss ehrlich sagen: Ich möchte heutzutage nicht in der Haut eines 17-, 18-Jährigen stecken, der wirklich gut kickt: Der wird ja belagert, von Klubs aus der ganzen Welt. Bestes Beispiel ist jetzt der Lewis Holtby von Alemannia Aachen. Jeder will den haben. Einer schreit: Holtby. Und der Rest hinterher. In diesem Fall zu Recht.

SZ: Holtby ist 18 und angeblich deutschlandweit der beste seines Jahrgangs. Alle wollten ihn, Schalke bekommt ihn. Weil Sie am meisten boten?

Schnusenberg: Nein, weil Schalke für ihn ein attraktiver Verein ist, bei dem er sich weiterentwickeln kann. Allerdings ist der Wechsel noch nicht perfekt. Lewis Holtby möchte zu uns, aber wir müssen uns noch mit Alemannia Aachen einigen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Josef Schnusenberg die Folgen der Krise für Schalke einschätzt - und warum es schwierig ist, Spielergehälter zu kürzen.

"Wir müssen aufpassen"

SZ: Spürt Schalke die Krise?

Schnusenberg: Nicht im Ticketverkauf und beim Fernsehen. Aber etwa beim Sponsoring, von den Mittelständlern, die uns im Durchschnitt mit 30 000 Euro im Jahr unterstützen, hörten sieben auf. Wir müssen aufpassen. Diese Krise dauert.

SZ: Der Präsident des HSV, Bernd Hoffmann, sagt: Im Profifußball geht es nicht um wirtschaftlichen Gewinn, sondern um größtmöglichen sportlichen Erfolg bei Vermeidung der Insolvenz.

Schnusenberg: Ich sehe das eher umgekehrt. Je größer der sportliche Erfolg, desto größer ist der wirtschaftliche Erfolg. In den Jahren, in denen wir international spielten, bewegte sich unser Etat in der Größenordnung zwischen 130 und 140 Millionen Euro. Für die kommende Saison, in der wir international nicht dabei sind, können wir nur noch mit 110 Millionen Euro planen. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

SZ: Kürzen Sie Spielergehälter?

Schnusenberg: Nur da lässt sich wirklich sparen. Heute zahlen wir für die Profiabteilung etwa 55 Millionen Euro, künftig werden es acht bis zehn Millionen Euro weniger sein. Aber es ist schwierig, zu kürzen, weil die Spieler langfristige Verträge haben. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren verstärkt erfolgsabhängige Verträge abgeschlossen.

SZ: Spielerausgaben senken, aber größeren sportlichen Erfolg anstreben, das ist die Quadratur des Kreises.

Schnusenberg: Das Geschick besteht darin, Erfolg durch junge Spieler zu haben, die man relativ günstig von anderen Vereinen holt oder selber ausbildet.

SZ: Sehen Spieler ein, dass Sie nächste Saison weniger bekommen sollen?

Schnusenberg: (lacht) Die Spieler sind ja nie an etwas schuld. Ihr Anspruch orientiert sich nicht an dem, was wir zur Verfügung haben. Sie kennen ihren Marktwert und lassen über ihre Berater ausrichten: Entweder nehmt ihr mich oder nicht.

SZ: Ärgert Sie das?

Schnusenberg: Solange der Spieler bereit ist, für das viele Geld entsprechende Leistung zu bringen, habe ich da kein Problem mit. Als wir 1994 bei Schalke anfingen, hatten wir keinen Spieler, der mehr als eine Million D-Mark verdiente. Heute sieht das ein wenig anders aus.

SZ: Gibt es heute einen, der weniger als eine Million Euro verdient?

Schnusenberg: Den einen oder anderen gibt es schon.

SZ: Wird nicht die Kluft größer zwischen den Fans, die die wirtschaftliche Krise spüren, und den Spielern?

Schnusenberg: Natürlich gibt es da Konfliktpotential. Gefahr sehe ich aber nur, wenn die Spieler 90 Minuten emotionslos über den Platz laufen. Aber wenn ein Spieler hier richtig reingrätscht, kriegt er Riesenbeifall. Den Fans kommt es nicht so darauf an, was die Spieler verdienen. Für sie selber ist der Stadionbesuch das Erlebnis der Woche. Dafür sind sie bereit, Geld auszugeben. Aber dazu fällt mir gerade etwas ein: Es gab ja in Deutschland mal einen Berufsstand, der war auch sehr hoch angesehen und galt als unantastbar -das waren die Banker. Das hat sich dann sehr schnell gedreht.

SZ: Wenn Sie Spieler sehen, die das Geld mit beiden Händen ausgeben - ist ein Verein in der Pflicht, einzugreifen?

Schnusenberg: Schon. Meist bekommt man das aber nicht mit. Ich weiß nicht, wo die Spielerfrauen einkaufen gehen. Wir hatten mal überlegt, die Vermögensberatung der Spieler zu übernehmen. Aber das ist problematisch. Stellen Sie sich vor, wir hätten den Spielern vor ein paar Jahren zu Zeiten des Booms am Neuen Markt zu Aktienkäufen geraten. Die meisten haben Berater und machen das ganz ordentlich.

SZ: Im amerikanischen Profisport gibt es Gehaltsobergrenzen für Spieler. Wäre das auch im deutschen Fußball sinnvoll?

Schnusenberg: Das würde Sinn machen. Nur kann die Bundesliga das nicht isoliert durchsetzen.

SZ: Was halten Sie von Finanzinvestoren bei Bundesligaclubs?

Schnusenberg: Da bin ich klar dagegen. Investoren haben eigene Interessen. Die einen halten sich einen Fußballclub wie ein Flugzeug oder eine Yacht. Das ist der Spaßfaktor. Andere wollen Geld verdienen. Und da besteht die Gefahr, dass ein Verein ausgeblutet wird. In Wolfsburg oder Leverkusen haben Unternehmen ein kräftiges Mitspracherecht. Das kann kein Modell für Schalke sein. So wie zum Beispiel Red Bull Salzburg einen Sponsor in den Vereinsnamen aufzunehmen - das geht nicht. Bei uns spielen Emotionen eine große Rolle. Wir sind ein eingetragener Verein, der den Fans gehört und das soll auch so bleiben.

SZ: Wolfsburg oder Hoffenheim haben großzügige Sponsoren. Schalke, zuhause im bitter armen Gelsenkirchen, finanziert sich durch Kredite.

Schnusenberg: Es gibt eben einfache Wahrheiten, die immer gelten: Dass die Erde eine Scheibe ist, Bayern nur Festgeldkonten besitzt und Schalke immer Schulden hat. Der Stadionbau wäre ohne die Aufnahme von Krediten nicht möglich gewesen.

SZ: Schalke hat einen Etat von 110 Millionen Euro, muss aber 20 Millionen Euro Schuldendienst für Kredite und Anleihen aufbringen, das engt stark ein.

Schnusenberg: Aber wir spielen im eigenen Stadion und zahlen nur an unsere vereinseigene Stadiongesellschaft Miete. Das Stadion ist Anfang 2016 bezahlt. Dann schicke ich Schalke ein Glückwunschtelegramm - da bin ich längst nicht mehr im Dienst.

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